Medienschau

"Flächendeckende Überprüfung von Künstlerinnen und Forschenden"

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Einigung zu Bundestagsresolution gegen Antisemitismus, Beltracchi-Fälschung in japanischem Museum aufgetaucht und Trump ist nicht Van Gogh: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Kulturpolitik

Die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden haben sich nach Informationen von "Zeit Online" auf einen Entwurf zu einer Bundestagsresolution gegen Antisemitismus geeinigt, der nach der Sommerpause dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden soll. "Und der Entwurf hat es in sich, wie mehrere Parlamentarier berichten: Neben Solidaritätsbekundungen enthält er auch Formulierungen, die die deutsche Kultur- und Wissenschaftsförderung massiv betreffen – ja sie symbolisch unter Kuratel stellen könnten. In letzter Konsequenz auch mittels einer flächendeckenden Überprüfung von Künstlerinnen und Forschenden, die sich um öffentliche Förderung bewerben, durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Zwar ist eine Bundestagsresolution kein Gesetz, keine direkte Handlungsanweisung. Doch das Parlament würde so seinen politischen Willen ausdrücken, einen gemeinsamen der Regierungsfraktionen und der größten Oppositionsfraktion."

Die Schauspielerin Sandra Hüller spricht im "Stern"-Interview darüber, wie die AfD die Kultur ins Visier nimmt. Sie höre von befreundeten Kollegen aus der Kulturszene, dass es immer wieder Einschüchterungsversuche gebe. "Für mich haben diese Leute schon verloren, wenn sie zu solchen Methoden greifen." Vor Kurzem habe sie sich gefragt, wie wohl die Filme aussähen, die AfD-Politiker bevorzugen würden, so Hüller. "Da fehlt mir jedoch die Vorstellungskraft." Die 46-Jährige, die aus Suhl stammt, hatte im Juni vor der Europawahl auf einer Kundgebung gegen Rechts in Leipzig gesprochen. Die Reaktionen, die sie danach erreichten, seien durchweg positiv gewesen, sagte sie. "Aber das war nicht der Grund, weshalb ich es getan habe. Ich habe mit allem gerechnet und wusste, dass es auch riskant sein könnte. Leider leben wir inzwischen in einem Land, in dem es ein Risiko sein kann, sich für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus auszusprechen."

Museen

In einem öffentlichen Museum in Japan ist eine Fälschung des verurteilten Betrügers Wolfgang Beltracchi aufgetaucht, hat der Deutschlandfunk herausgefunden. Dabei handelt es sich um das Gemälde "Mädchen mit Schwan", das von dem deutschen Expressionisten Heinrich Campendonk stammen sollte. "Seit 1996 gehörte das Bild zur Sammlung des Kunstmuseums in der japanischen Hafenstadt Kōchi, wo es auch ausgestellt wurde. Beltracchis Frau und Komplizin hatte das Bild 1995 im Londoner Auktionshaus Christie’s eingeliefert." Über die Details zu der Recherche und die Hintergründe dieser Beltracchi-Fälschung informiert Stefan Koldehoff, Chefreporter Kultur, in der Deutschlandfunk-Sendung "Kultur heute", am heutigen Mittwoch um 17.35 Uhr und um 18.10 Uhr in "Studio 9" im Deutschlandfunk Kultur.

Bildanalyse

Florian Illies kommentiert in der "Zeit" die Parallelen, die im Netz zwischen dem am Ohr verletzten Donald Trump und Van Goghs "Selbstbildnis mit bandagiertem Ohr" gezogen werden: "die viralen Memes zeigen die irritierende Ähnlichkeit der Gesichtszüge und der rotblonden Haarpracht der beiden Versehrten. Man schaut etwas verstört dabei zu, wie der gerade noch wegen seiner Weltanschauung verhasste Trump nach dem Attentat allein wegen der Wirkmacht und Symbolkraft der Fotografien des Verwundeten plötzlich zum selbstverständlichen Teil einer heiteren, augenzwinkernden Popkultur wird." Illies glaubt, den Maler vor solchen Vergleichen schützen zu müssen: "Für Van Gogh war das Leben ein einziger Kampf, gegen die Welt, gegen die inneren Dämonen, gegen den Zynismus. Auch Donald Trump ist seit Jahren in diesem Modus, aber bei ihm ist es Rhetorik, nicht Verzweiflung, davor bewahrt ihn sein verstörend großes Ego." "Hyperallergic" hat einen umfassenden Überblick über die Memes zum Trump-Attentat.

Kunst im öffentlichen Raum

Die Künstlerin Agnes Denes ist wütend auf die Art Basel. Im Rahmenprogramm der Kunstmesse Art Basel, die Mitte Juni stattfand, wurde ihre  Arbeit "Wheatfield – A Confrontation" von 1982 in noch einmal realisiert und sollte eigentlich bis zur Ernte im Herbst heranwachsen. Nun wurde das Feld aber auseinandergerissen. Angeblich wegen Platzbedarf Dritter. "Es war respektlos, geringschätzig", sagt Denes der "Basler Zeitung". "Ich habe mich mein ganzes Künstlerinnenleben mit solchen Sachen herumschlagen müssen. Ich wurde übergangen, zur Seite gedrängt, missachtet, weil ich eine Frau bin." So gehe man nicht mit Kunst um, kommentiert Co-Chefredakteur Markus Wüest. "Dass man die 93-jährige Künstlerin über das Vorgehen im Dunkeln lässt, setzt dem Ganzen die Krone auf."

Porträt

Wie der Künstler und Soundspezialist Lawrence Abu Hamdan zwischen Ausstellungskontexten, Wissenschaft und Tagespolitik balanciert, beschreibt Doreen St. Félix in einem großen Porträt im US-Magazin "The New Yorker". So habe der 39-Jährige durch eine Tonspur-Analyse gerade dazu beigetragen, das virale Video einer vermeintlichen Krankenschwester aus Gaza als Fälschung einzuordnen. Abu Hamdan hat es sich zum Ziel gesetzt, durch Untersuchungen von Geräuschen Verbrechen aufzuklären. Oft arbeitet er mit NGOs zusammen. "Er ist alarmiert, aber kein Alarmist", schreibt St. Félix. "So fällt auf, dass er Jargon wie 'Fake News' vermeidet." Die Autorin geht auch auf die verschiedenen Rollen ein, die sich in der Karriere des "Private Ear" vermischen. "In seiner Kunst macht Abu Hamdan Behauptungen, die er in einem Untersuchungsbericht nicht aufführen würde. Er stellt sich Gespräche vor, die nicht stattgefunden haben. Er äußert sich klar zu seinen politischen Ansichten. Er stellt die Idee der Expertise in Frage. Abu Hamdan hat betont, dass seine beiden Praktiken unterschiedlich sind. Doch sein Wechsel zwischen dem Modus der forschungsbasierten Behauptung und dem der lockeren, eher interpretierenden Erzählens hat zumindest einige Kritiker beunruhigt. In einer Rezension in der Zeitschrift Art in America wurde 2019 gefragt: 'Steht diese Kunst im Dienst der forensischen Untersuchung und der systemischen Gerechtigkeit oder andersherum?'"