Medienschau

"Die Berliner Kunstszene kleidet sich so konform wie Gäste einer Beerdigung"

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Florentina Holzinger gibt einen ersten Ausblick auf ihren österreichischen Beitrag zur Venedig-Biennale, das Kennedy Center unter dem neuen Chairman Trump, und Breuninger feiert mit Monopol in Berlin: Das ist unsere Presseschau am Montag

Kulturpolitik

Die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus, hat auf dem Kölner Kongress "Bergab? Erzählen in schwierigen Zeiten" einen Vortrag gehalten, der in der Reihe "Essay und Diskurs" beim Deutschlandfunk zu hören ist. Die Kuratorin sieht die Kulturbranche in Gefahr, weil sie keine Lobby habe, was sich in Sparrunden nun auf besonders bittere Weise zeige. In der Coronazeit und in der Diskussion um die Documenta sei viel Vertrauen zwischen Politik und Kulturbereich verlorengegangen. 

Dirk Peitz schreibt in der "Zeit" einen langen Artikel über die Veränderungen im Kennedy Center unter der Leitung von Donald Trump, der sich Anfang 2025 zum Chairman des renommierten Kulturzentrums in Washington D.C. wählen ließ. Das Kennedy Center, das seit seiner Eröffnung 1971 als nationales Zentrum für die darstellenden Künste fungiert und als "lebendige Gedenkstätte" an John F. Kennedy gedacht ist, wurde bisher politisch neutral geführt. Doch jetzt ändert sich das. Was Trump nicht mag, "versucht er nach seiner Façon umzugestalten; wer ihn nicht mag, versucht er rauszudrängen. Und manches will er womöglich vor allem zerstören. Das tut er etwa bei der Rechtsstaatlichkeit, indem er das Justizministerium für seine Zwecke zu instrumentalisieren versucht. Warum sollte Trump bei dem Teil der Kultur in den USA, die er in Gestalt etwa des Kennedy Center direkt beeinflussen kann, anders vorgehen?" Unter der neuen Führung wurde das Programmspektrum bereits verändert. Es werde erwartet, dass unter Trump die Programmgestaltung zunehmend politisch geprägt sein könnte, mit möglichen Verschiebungen hin zu mehr kommerzieller und konservativer Unterhaltung, etwa durch Country-Musik oder Luxusveranstaltungen wie Modenschauen. Dass das nicht leicht sein wird, könne man daran sehen, dass kürzlich Vizepräsident J.D. Vance bei dem Besuch einer Vorstellung ausgebuht wurde. "Die Führungsfiguren eines nationalen Kulturzentrums lassen sich austauschen. Die Leute, die sich für Kultur interessieren, hingegen nicht so einfach. Jedenfalls nicht in einer Demokratie mit freiem Ticketverkauf."

Kunstmarkt

Das muss man auch erstmal hinbekommen: Der Schriftsteller Carl von Siemens verbindet in der "Welt" ausgerechnet die am wenigsten zeitgenössische Kunstmesse, die Tefaf in Maastricht, mit der tagesaktuellen Weltlage. "Während ich überlegte, wem der Südschleswigsche Wählerverband an den Kragen gehen würde, sollte er die Wahl gewinnen, erklang wie ein Echo aus einer anderen Zeit die Stimme Tancredis in meinem Ohr: 'Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist.'" Für wenige Stunden fühlte von Siemens sich dann ganz wohl in der "Alten Welt", was immer das auch sein soll: "Graumelierte Herren in feinem Zwirn und geföhnte Damen in teuren Foulards flanierten an Winterlandschaften von Pieter Brueghel und Blumenbildern von Ambrosius Bosschaert vorbei, während ich vor eine Darstellung des Heiligen Hieronymus in der Wüste trat, gemalt um 1437 von Bartolomeo di Tommaso in der Tradition der Schule von Siena. Ein Angestellter der französischen Galerie, die sich in der vornehmen Rue du Faubourg Saint-Honoré befindet, trat an mich heran und fragte, ob ich Alte Meister sammeln würde. Als ich um eine schlagkräftige Antwort rang, erinnerte ich mich an eine Passage im zweiten Band der Recherche von Marcel Proust. Im mondänen Badeort Balbec stößt der Erzähler auf die Marquise de Villeparisis, die verlautbart, dass sie Bilder nicht sammelt, sondern erbt."

Performance

Einen "Eklat" will Sandra Luzina bei einer Performance von Alex Baczyński-Jenkins im Gropius Bau gesehen haben: "Der Bundesrepublik warf er vor, den 'Genozid' an den Palästinensern zu unterstützen", schreibt die Tanzkritikerin im "Tagesspiegel". "Zum Schluss rief er zu internationaler Solidarität gegen den 'Faschismus' auf und erhielt dafür Applaus. Die Gropius-Bau-Direktorin Jenny Schlenzka wurde ausgebuht, als sie klarstellte, dass die Position von Baczyński-Jenkins nicht die Position ihres Hauses sei." Die Aufführung selbst fand sie "teilweise schwülstig": "Das ständige Zitieren aus einem Arsenal abgelutschter Bewegungen wirkt ermüdend. Zum Schluss verläuft die Aufführung im Leeren."

In der "FAZ" unterhält sich Kritiker Bert Rebhandl mit Florentina Holzinger über den ersten Film, in dem die Choreografin als Schauspielerin mitwirkt. Hier gibt sie auch einen Ausblick darauf, was man im nächsten Jahr zur Venedig-Biennale vom österreichischen Pavillon erwarten kann, den sie bespielt: "Bei uns hat das mit dem Format der Etüden zu tun, die wir in den letzten Jahren immer wieder in ortsspezifischen Zusammenhängen gemacht haben und die wir auch im Stadtbild von Venedig stattfinden lassen wollen. Unsere Etüden sind kurze Aktionen im öffentlichen Raum, manchmal auch große musikalische Interventionen. Maschinerie und industrielles Set-up spielt dabei oft eine wichtige Rolle. Und wir benutzen unsere Körper als Instrumente. Dass wir das 'Etüden' nennen, ist ein bisschen augenzwinkernd und hat mit meiner Vergangenheit als Klavierschülerin zu tun, die sich mit Chopin bemüht hat." Sie wolle während der Laufzeit 2026 tatsächlich viel in Venedig sein, "aber es werden auch alle möglichen stellvertretenden Personen da sein. Wir kommen mit einem großen Team. Auch der Pavillon will bespielt werden. Dazu die Etüden. Es ist mir aber natürlich wichtig, selber involviert zu sein, wie bei allen anderen Projekten auch."

Mode

Aline von Drateln berichtet in ihrer "Tagesspiegel"-Kolumne "Babylon Aline" über einen Abend in Berlin, zu dem das Stuttgarter Modehaus Breuninger und Monopol geladen hatten. Dazu hatte sich die Kolumnistin farbenfroh angezogen - und wurde dann von den anderen Gästen etwas im Stich gelassen: "Die Berliner Kunstszene kleidet sich so konform wie Gäste einer Beerdigung. Auch, wenn sie mit der Modebranche fusioniert. Auch, wenn der Anlass eine Frühjahrskollektion ist. Nicht nur die breiten Rahmen der obligatorischen eckigen Brillen sind dunkel. Nur vereinzelte bunte Mützen pimpen das Bild auf wie kleine Krokusse auf dem Tempelhofer Feld bei Nacht."

Film

Für Regisseur Werner Herzog gehört es zum Filmemachen dazu, auch mal gesetzliche Grenzen auszutesten. "Man muss ein gewisses Maß an, ich sage mal, guter krimineller Energie haben", scherzte der 82-Jährige in der Sendung "60 Minutes", die der US-Senders CBS am Sonntag ausstrahlte. So habe er seine erste Kamera von einer Filmschule in München mitgenommen und nicht zurückgebracht - kein Diebstahl, sondern vielmehr "Enteignung", lachte Herzog. Fürs Filmemachen müsse man sich von der Norm lösen. Mehr als 70 Filme und Dokumentationen zählen dem Bericht zufolge zu Herzogs Werken. Auch mit 82 Jahren ist er weiter am Arbeiten - auch als Dozent für angehende Filmemacher. Dabei sollen seine Schüler aus dem wahren Leben schöpfen: "Verdient Geld, um eure ersten Filme zu finanzieren. Aber verdient es nicht mit Büroarbeit. Geht raus und arbeitet als Türsteher in einem Sexclub", rät er laut Bericht seinen Schülern. Der Filmemacher wurde in München geboren, lebt aber seit Langem in den USA. Herzog hat Filme wie "Fitzcarraldo" mit Klaus Kinski und "Königin der Wüste" mit Nicole Kidman gedreht. Das amerikanische "Time"-Magazin wählte ihn 2009 unter die 100 einflussreichsten Personen der Welt.