Medienschau

"Männer haben ihren Höhepunkt in ihren Vierzigern"

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Tracey Emin glaubt nicht an die Schaffenskraft alternder Männer, Nan Goldin bei Sitzstreik verhaftet und die wundersame Auferstehung von Notre-Dame: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Interview

Die britischen Künstlerin Tracey Emin beobachtet, dass viele Männer mit zunehmendem Alter an Schaffenskraft verlieren, während Frauen oft im Alter an Stärke und Ausdruckskraft gewinnen. Die 61-Jährige sagte der "Times", ihr Mitstreiter und Wegbereiter der Young British Artists (YBA), Damien Hirst, heute 59, habe keinen Einfluss mehr in der Kunstwelt, männliche Künstler hätten ihren "Höhepunkt in ihren Vierzigern". Emin und Hirst waren die führenden Vertreter der einflussreichen YBA-Bewegung in den 1980er- und 1990er-Jahren. Als Gegenbeispiel zu den abschlaffenden Künstlern nennt die Künstlerin unter anderem Louise Bourgeois, die bis zu ihrem Tod 2010 mit 98 Jahren ihr Hauptwerk geschaffen habe. Emin selbst feiert nach einer aggressiven Blasenkrebserkrankung gerade ihr Comeback mit hochgelobten Ausstellungen.

Kunst & Politik

Über 200 Aktivisten der Aktivistengruppe Jewish Voice for Peace(JVP), darunter die Künstlerin Nan Goldin und die Filmemacherin Laura Poitras, wurden am Montag wegen ihrer Teilnahme an einem Sitzstreik gegen weitere Waffenlieferungen an Israel vor der New Yorker Börse in der Wall Street verhaftet. Die in Berlin lebende Künstlerin Candice Breitz, die nicht anwesend war, aber Fotos vom Protest in den sozialen Medien teilte, erklärte gegenüber "Hyperallergic", dass solche Proteste "ermutigend" seien: "Als progressive Juden (zusammen mit palästinensischen, muslimischen und/oder arabischen Verbündeten, die gleichgesinnt sind) sind wir in Deutschland zahlenmäßig unterlegen und werden sofort stigmatisiert, wenn wir hinter Protesten stehen, die das anhaltende Gemetzel an palästinensischen Zivilisten, die israelische Politik in Bezug auf Palästina und die Verstöße des israelischen Staates gegen die Menschenrechte kritisieren."

Künstlerinnen und Künstler wie Amy Sherald, Jeff Koons und Jenny Holzer haben Werke für den Wahlkampf von US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gespendet – bei einer Verlosung kamen 1,5 Millionen Dollar zusammen. "Die von Artsy veranstaltete und vom Harris Victory Fund organisierte Auktion umfasste auch viele weitere hochkarätige zeitgenössische Künstler, darunter George Condo, Hank Willis Thomas, Betye Saar, Rashid Johnson, Robert Longo, Shephard Fairey, Julian Schnabel und Joan Jonas", berichtet "Artnet News". "Zu den teuersten Losen gehörten die Mammutskulptur American Flagpole (Gazing Balls) (2024) von Koons mit einem Schätzwert von 300.000 Dollar und ein Satz von zehn Lithografien von Johns mit einem Schätzwert von 150.000 Dollar. Beide wurden für ungenannte sechsstellige Beträge verkauft, wie auch die Holzer, eine beschriftete Bank mit dem Titel Selection from Truisms: There are too few... (2023), für die ein Schätzpreis von 200.000 Dollar angesetzt war."

Restitution

Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände wollen mit einem neuen Schiedsgericht Rückgabeverfahren für nationalsozialistisches Raubgut in Deutschland verbessern. Der Jurist Markus H. Stötzel hält wenig davon: "Mit ihrer Entscheidung, die 'Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz' aufzulösen und eine Schiedsgerichtsbarkeit an ihre Stelle zu setzen, hat die Kultusministerkonferenz den Bemühungen um die Restitution von NS-Raubkunst in Deutschland ein vorläufiges Ende bereitet", schreibt der Anwalt, der seit mehr als 20 Jahren für NS-Opfer und deren Nachfahren in Sachen Restitution tätig ist, in einem Gastbeitrag für die "Jüdische Allgemeine". "Dass es die Opferseite vor einem Schiedsgericht einfacher haben wird, ist eine Illusion. Die Möglichkeit, ein solches Gericht einseitig anzurufen, bedeutet nämlich noch lange nicht, dass man größere Chancen auf Erfolg hat. Der deutsche Staat, der häufig mit seinen Museen Besitzer der Raubkunst ist, hat eine regelrechte Abwehrbürokratie gegen Anspruchsteller aufgebaut. Er bestimmt nicht nur über die Ergebnisse der Provenienzrecherche, er bezahlt in vielen Fällen auch große Anwaltskanzleien, um berechtigte Ansprüche abzuwehren."

Kulturerbe

Joshua Hammer beschreibt in der "GQ" "die wundersame Auferstehung von Notre-Dame" nach dem verheerenden Brand im April 2019. Nach fünf Jahren Renovierungsarbeiten wird das berühmte Bauwerk am 7. und 8. Dezember wiedereröffnet. Hammer beleuchtet in dieser langen Reportage die Herausforderungen, die bei der Restaurierung zu bewältigen sind, sowie die technischen und kreativen Ansätze, die von Architekten, Künstlern und Handwerkern verfolgt werden. Der Prozess sei nicht nur eine technische Leistung, sondern auch ein Symbol für den Wiederaufbau und die Hoffnung der Stadt und ihrer Bewohner. Und für den Stolz von Handwerkern wie Hank Silver, einen Zimmermann aus den USA: "Bis vor kurzem hatte Silver nicht einmal gewusst, was ein 'Kirchenschiff' ist. Aber er hatte sich tief in die Geschichte der Kathedrale eingearbeitet. Der ursprüngliche Bau aus dem 12. Jahrhundert habe so lange gedauert, sagte er mir, dass drei Generationen ihre Spuren in den Rahmen geritzt hätten. Silver deutete auf einen Sparren an der Nordseite der Kirche, in den ein moderner Handwerker seine persönliche Signatur eingraviert hatte: einen Halbmond. 'Viele von uns haben hier ihre eigenen Markierungen angebracht', sagte er mir. Bidet, der neben uns stand, sah mit gemischten Gefühlen zu. Das Meisterwerk, das er und seine Kollegen gebaut hatten, sollte zugedeckt und vor der Welt verborgen werden, räumte er ein, aber für 'uns, die Zimmerleute, ist das oft so. Wir bauen Dinge, die versteckt sind.' Das Dach war fast fertig, die große Eröffnung im Dezember rückte näher. Dann würde ihr Werk, wie das ihrer mittelalterlichen Vorgänger, wieder in der Dunkelheit versiegelt werden - vielleicht für weitere 850 Jahre."

Dorothea Wagner hat in Giverny in der Normandie für das "Süddeutsche Zeitung Magazin" Claude Monets rosafarbenes Wohnhaus und den berühmten Seerosenteich besucht. "Warum also setzen sich Menschen in ein Flugzeug, um ein paar Seerosen zu sehen?", fragt sie. Und ist doch selbst überwältigt: "Das eigentlich Absurde an Monets Garten ist, dass alles gleichzeitig wahr ist: Die Wege sind viel zu voll, die anderen Touristen viel zu laut, und doch ist da diese Schönheit, die alles überstrahlt. Wenn nachmittags die Sonne herauskommt und die Beete zu flirren beginnen, die Hummeln und Zitronenfalter zwischen den Blumen fliegen. Wenn der See nicht mehr grau daliegt, sondern den blauen Himmel und die gerupften weißen Wolken spiegelt. Wenn die Seerosen ihre handtellergroßen Kelche öffnen. Wenn man versteht, dass Monet nicht nur auf seinen Bildern, sondern auch in diesem Garten mit Farben gemalt hat, die sich alle gegenseitig unterstreichen. Schließt man nach einem Tag in Giverny die Augen, leuchten sie immer noch im Kopf. Das Weiß, Rosa und Pink der Seerosen, das Gelb, Orange, Rot, Lila und Blau der Blumenbeete." 750 000 Menschen besuchten im vergangenen Jahr die wiederhergestellten Gärten.