Medienschau

"Das Wunderbare ist immer schön"

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Sind ästhetisierende Bildanalysen zum Trump-Attentat verwerflich? Ist ein weiteres Bild aus der Sammlung Marx am Hamburger Bahnhof verschwunden? Kann William Kentridge auch Oper? Unsere Presseschau am Dienstag

Museen

Kunsthändler Heiner Bastian, jahrelanger Kurator der Sammlung Marx im Hamburger Bahnhof Berlin, beklagt in der "FAZ" das Verschwinden eines weiteren Bildes aus den Beständen der Nationalgalerie: "Vor einigen Jahren erfolgte dann der bis heute unbekannte Verkauf eines der Schlüsselwerke von Roy Lichtenstein, 'Femme dans un fauteuil' von 1962. Das Bild ist durch kein anderes Werk des Künstlers ersetzbar. Ich erfuhr vom Verkauf nach einer Bitte von Diana Widmaier-Picasso, die das Bild für eine Ausstellung in New York als Leihgabe erbat; auf Anfrage erklärte mir die Leitung des Hamburger Bahnhofs, dass 'das Werk nicht mehr da' sei." Bastian beschuldigt die Erben "aus materieller Gier" zu handeln. "In den letzten Lebensjahren, während Herr Marx noch in Berlin wohnte, lehnte er jedes Gespräch mit mir zur Zukunft der Sammlung ab mit dem Hinweis, es sei alles geregelt und seine Erben würden das Vermächtnis der Sammlung respektieren. Reine Makulatur! Ich war schon lange nicht mehr der willkommene Ratgeber, eine 'gemeinsam gedachte Idee einer unveräußerlichen Sammlung' war verloren."

Bildanalyse

Über verschiedene Kommentare zu Komposition, Symbolgehalt und Aussagekraft der Fotos vom Trump-Attentat ging es in der gestrigen Medienschau. Auch Trump preist das Foto von ihm mit gereckter Faust: "Viele Leute sagen, es ist das ikonischste Foto, das sie jemals gesehen haben. Sie haben recht, und ich bin nicht gestorben. Normalerweise musst Du sterben, um ein ikonisches Foto zu haben", sagte er in einem ersten Interview der Boulevardzeitung "New York Post". "Durch Glück oder durch Gott - und viele Leute sagen, es war Gottes Werk - bin ich noch hier." Über die politischen und moralischen Konsequenzen ästhetisierender Bildbetrachtungen denkt Kunstkritiker Jason Farago in der "New York Times" nach: "Ich habe mich immer gegen die Versuchung gewehrt, Bilder des Leidens als Objekte ästhetischer Beurteilung zu behandeln. Und Vergleiche [mit Bildern der Kunstgeschichte] unterschätzen den großen Wandel in der Art und Weise, wie wir Bildern heute begegnen, wo selbst das 'ikonischste' Bild etwas Veränderliches und Unbestimmtes ist." Was Farago nicht davon abhält, selbst die naheliegendsten Vergleiche anzustellen: zu Eugene Delacroix' "Die Freiheit führt das Volk" und das Foto der US-Soldaten, die 1945 nach der Schlacht auf der Pazifikinsel Iwojima die US-Flagge aufrichten.

Performance

Auf dem Theaterfestival in Aix-en-Provence läuft William Kentridges Kammeroper "The Great Yes, the Great No". Anja-Rosa Thöming ist in der "FAZ" ganz angetan: "Bei William Kentridge nimmt die Filmkunst einen zentralen Platz ein (Kinematographie: Duško Marović). Auf einem gigantischen Scheibenkarussell drehen sich Ausschnitte von Landkarten, Pässen, Gesichtern sowie, als running gag, die klassische italienische Espressokanne. Sie schiebt sich komisch vor Gesichter von großsprecherischen weißen Männern. In einer Filmsequenz wagt sie einen getanzten Pas de trois mit Milchkännchen und Schreibmaschine, begleitet von Cello und Akkordeon. Die Produktion thematisiert die Ängste auf der Überfahrt in ein unbekanntes Land nicht zuletzt mit hervorragend gemachtem Unterhaltungstheater. 'Le merveilleux est toujours beau' (Das Wunderbare ist immer schön); der Vers von Breton könnte über dem ganzen Abend stehen." Eleonore Büning klingt in der "NZZ" nichtso zufrieden: "Die von William Kentridge angekündigte Uraufführung von 'The Great Yes, The Great No' wurde zwar stolz 'Oper' genannt. War aber, zelebriert auf dem Ausstellungsgelände der Luma-Foundation in Arles, eher ein Happening. Die Show, nach Kentridge-Art wild bebildert, lebt von der Authentizität und der Vitalität südafrikanischer Musik und afrikanischer Sänger und Musiker. Sie tun so, als seien sie französische Intellektuelle, die im Kriegsjahr 1941 zu Schiff vor der Pétain-Regierung und den Deutschen fliehen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ein Fall von 'kultureller Aneignung'."

Nachruf

"The New York Times" bringt einen Nachruf auf den deutschen Fotografen Thomas Hoepker, der vergangene Woche gestorben ist. Das Bild, "das seine Karriere am meisten geprägt hat, war das, das er am Morgen des 11. Septembers aufgenommen hat", schreibt Trip Gabriel. "Die scheinbar idyllische Stimmung, die der Tragödie gegenübergestellt wird, hat Vergleiche mit der 'Landschaft mit dem Sturz des Ikarus' gezogen, einem Gemälde aus der Renaissance, das Bruegel zugeschrieben wird und Bauern auf ihren Feldern zeigt, die gleichgültig einem Jungen den Rücken zuwenden, der gerade aus dem Himmel gefallen ist und im Wasser zu taumeln scheint." Über Hoepkers "Blick von Williamsburg, Brooklyn, auf Manhattan, 11. September 2001" lesen hier ein Monopol-Dossier von Kunsthistoriker Michael Diers.

Kulturpolitik

Der Berliner Kultursenator Joe Chialo spricht mit Rüdiger Schaper im "Tagesspiegel" über seine Sparpolitik - und deren Grenzen: "Kultur ist ein Asset der Stadt, sie gehört zu Identität. Wir sparen, ja, aber wir dürfen die Kultur nicht kaputtsparen. Sonst zerstören wir die Identität der Stadt. Berlin ist weltweit bekannt für eine innovative, auch rebellische Form der Kultur, da wir gerade auch über die Volksbühne gesprochen haben. Genau das muss gestützt werden. Gleichzeitig braucht die Kultur das Selbstbewusstsein und die Kraft, nach alternativen Wegen in der eigenen Existenz zu suchen." Wie gut, dass ein möglicher Umzug der Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) an die Friedrichstraße weniger kosten könnte als bislang gedacht. Die Zahl von rund 589 Millionen Euro, die im Raum stehe, sei "schon längst überholt", sagte Chialo bei einem Gesprächsabend in der Akademie der Künste in Berlin. "Wir sind auf jeden Fall drunter." Im Gebäudekomplex Quartier 207 an der Friedrichstraße ist unter anderem das Luxuskaufhaus Galeries Lafayette untergebracht, das Ende Juli schließen soll. Doch wenn man verhandle, solle man nicht mit Zahlen jonglieren, sagte Chialo. Da man noch in Gesprächen sei, wolle er keine weiteren Details nennen. Im September 2023 hatte der CDU-Politiker im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses ein erstes Angebot für den Kaufpreis von Quartier 207 vorgestellt. Die Kosten für den Kauf des Gebäudes und den Einzug der Bibliothek hatten sich demnach auf rund 589 Millionen Euro belaufen. In dieser Höhe habe der Gebäudeeigentümer - die US-Firma Tishman Speyer - ein erstes Kaufpreisangebot unterbreitet, das sich aus dem Grundstückswert, dem Gebäudewert und der Finanzierung zusammensetze, hieß es damals. Für die ZLB wird seit Jahren ein neuer Standort gesucht. Die beiden Standorte am Blücherplatz in Kreuzberg und in der Breiten Straße in Mitte sind zu klein geworden und haben dringenden Sanierungsbedarf. Chialo hat sich früh für das Quartier 207 ausgesprochen, für den Vorschlag aber nicht nur Zustimmung bekommen.