Medienschau

"In vollem Bewusstsein der Massaker"

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Ku­ra­to­r:in Edwin Nasr wegen Instagram-Posts zum 7. Oktober verurteilt, Kommentare zur Personalie Çağla Ilk, und Christian Marclays Meisterwerk "The Clock" als Zeitkapsel: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Antisemitismus-Debatte

Ku­ra­to­r:in Edwin Nasr ist wegen Billigung von Straftaten in Instagram-Posts zu 50 Tagessätzen von 20 Euro verurteilt worden. Nasr teilte unter anderem am 8. Oktober 2023 auf seinem Account ein Bild der vor der Hamas fliehenden Festivalbesucher in der Wüste Negev mit Überschrift "Poetic Justice". Jonathan Guggenberger berichtet für die "taz" aus dem Gerichtsaal: "Verteidiger Düsenberg erhebt Einspruch, zeigt auf den anwesenden Zeugen und Anzeigenerstatter, den Welt-Journalisten Boris Pofalla, und fragt, warum nicht deutsche Medien und Politik auf der Anklagebank säßen. Schließlich billigten sie ständig 'schwerste völkerrechtliche Verbrechen' – gemeint sind die der israelischen Regierung. Richterin Karin Nissing fällt ihr Urteil binnen weniger Minuten. Sie hält Nasr für schuldig, ist sich sicher, Nasr habe die Postings in vollem Bewusstsein der Massaker verfasst." Thomas Thiel kommentiert in der "FAZ": "Das Urteil gegen den im Libanon geborenen Künstler und Kurator, der sich als Kommunist bezeichnet und sich in seiner Kunst immer wieder mit der Geschichte der antikolonialen Linken befasst, wirft ein weiteres Schlaglicht auf die Doppelmoral weiter Teile der Kunst- und Clubszene angesichts des Massakers vom 7. Oktober. Nach dem Terrorakt herrschte erst einmal lautes Schweigen, danach kam eine Flut offener Briefe gegen das militärische Vorgehen der israelischen Regierung. Nur wenige wie die Künstlerin Hito Steyerl oder die Theaterintendantin Barbara Mundel hatten den Mut, aus diesem Muster auszuscheren."

Personalie

Çağla Ilk soll ab 2026 neue Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters werden. Zuletzt kuratierte sie den deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale. Patrick Wildermann ist im "Tagesspiegel" nicht nur erfreut: "Die Frage sollte erlaubt sein: bräuchte es gerade angesichts der harten Auseinandersetzungen um Mittel-Kürzungen, die toben und noch toben werden, nicht eine Intendanz mit gewachsenem kulturpolitischem Standing in der Stadt?" Kultursenator Joe Chialo habe die Personalie im Alleingang durchgedrückt, "den Dialog mit dem Gorki über mögliche Kandidatinnen oder Kandidaten hat er offensichtlich nicht gesucht, als es um die Nachfolge ging. Es gab auch keine Findungskommission, keine Ausschreibung, das bestätigt der Senator." Ulrich Seidler ist in seinem Kommentar in der "Berliner Zeitung" ganz angetan von der Personalie: "Wir nehmen an dieser Stelle ins Protokoll, dass sie sich zum Ensembletheater und den Werkstätten des Hauses bekennt und damit eine strukturelle Aussage macht – es geht also nicht wie 2017 bei Chris Dercons Volksbühnen-Desaster darum, das Repertoiretheater in einen Fest- und Gastspielbetrieb oder eben in ein Ausstellungshaus umzubauen."

Videokunst/Film

Für das 2011 mit dem Goldenen Löwen der Venedig-Biennale ausgezeichnete 24-Stunden-Video "The Clock" hat Christian Marclay Filmszenen, in denen Uhren vorkommen, mit der Zeit des Zuschauers synchronisiert. Jetzt ist das Opus magnum des schweizerisch-amerikanischen Künstlers bis zum 17. Februar im Museum of Modern Art zu sehen – zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten seit 2016 und zum ersten Mal in New York seit fast einem Dutzend Jahren. Ist es inzwischen – Achtung Wortspiel! – aus der Zeit gefallen, fragt Marc Tracy in der "New York Times". "Zwei Jahre lang, Ende der 2000er-Jahre, suchten bis zu sechs Assistenten für ihn geeignete Clips aus - 'den Fang des Tages', wie Marclay es ausdrückte -, indem sie die DVD-Abteilungen von Verleihern in London durchsuchten, wo Marclay immer noch lebt. Diese hat er dann in mühsamer Kleinarbeit in das fertige Werk geschnitten. Ein Ergebnis ist, dass 'The Clock' nicht nur eine Zeitkapsel für Jahrzehnte des Kinos ist, sondern auch für die Zeit, in der er entstand. 'In 'The Clock' gibt es ein paar Klapphandys, aber das war's auch schon', sagt Marclay. 'Das war wirklich noch vor dem iPhone-Wahnsinn. Aber als wir anfingen, den Film zu zeigen, verglichen die Leute ihn mit ihrem Telefon und brachten dieses Element der Echtzeit ins Kino.'"

Der Regisseur und Künstler Steve McQueen ist wegen Prostatakrebs behandelt worden. Dank der frühen Diagnose sei er wieder vollkommen gesund, sagte der Filmemacher der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge in London. "Meine Behandlung war ein voller Erfolg, deswegen finde ich, dass es absolut notwendig ist, dass sich jeder Mann testen lässt." Wäre sein Vater nicht an Prostatakrebs gestorben, hätte er sich selbst wahrscheinlich nicht seit Jahren proaktiv untersuchen lassen, sagte McQueen demnach bei einer Veranstaltung der Organisation Prostate Cancer Research im Londoner Parlament. Dem Branchenportal "Deadline" zufolge wurde bei dem Regisseur im Jahr 2022 bei einer Untersuchung ein kleiner Tumor entdeckt. Damals habe er wegen des Eingriffs die Dreharbeiten zu seinem neuen Film "Blitz" um zwei Wochen verschoben, wurde er zitiert.