Medienschau

"Das rechtsextreme Regime in Russland hat die Kunstwelt korrumpiert"

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Der Inlandsgeheimdienst könnte bald im Kunstbetrieb ein Wörtchen mitreden, Hito Steyerl über Verstrickungen russisch-deutscher Gasgeschäfte und Museen sagen Kehinde-Wiley-Ausstellungen ab: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Debatte

Geht es nach Berlins Justizsenatorin, sollten Verfassungsschützer darüber entscheiden, welche Künstler zu antisemitisch sind, um gefördert zu werden, wie sie jetzt im "SZ"-Interview sagte. Eine schlechte Idee, findet Johannes Schneider in der "Zeit": "Cancelt der Inlandsgeheimdienst demnächst, sollte sich zum Beispiel Bayern ein Beispiel an Berlin nehmen, auch die Wagner-Festspiele in Bayreuth, weil deren Gründer ja nun nach jeder Definition antisemitisch war? Fragen kann man ja mal! Das sind zweifellos Überspitzungen. Sie zeigen aber, dass man einer mit Recht zurückgewiesenen Vereinfachung, Chialos Antidiskriminierungsklausel, nicht mit institutioneller Vergröberung begegnet. Langfristig schafft man damit nur den nächsten Fall, in dem das Bundesverfassungsgericht über Semantiken entscheiden muss. Eine gelungene politische Lösung sieht anders aus."

Im "taz"-Interview mit Sophie Jung sprechen Hito Steyerl und Oleksiy Radynski über Verstrickungen russisch-deutscher Gasgeschäfte und ihr Kunstprojekt "LEAK. Das Ende der Pipeline" in Leipzig. "Das rechtsextreme Regime in Russland hat die Kunstwelt korrumpiert", sagt Radynski. Und Hito Steyerl ergänzt: "Nehmen wir das Beispiel Walter Smerling aus Bonn, der mit seiner Stiftung Kunst und Kultur in Deutschland kolossale Ausstellungen organisierte, deren Schirmherr unter anderem Wladimir Putin war. Und diese Ausstellungen waren in ein Netzwerk von Mäzenen und Sponsoren aus der Energiewirtschaft, der Stahlindustrie, einer teils nordrhein-westfälischen Industriellen-Kabale, eingebettet. Sie haben jahrzehntelang von billiger Energie aus der sibirischen Region profitiert.

Ausstellung

"Bedeutungskeusch", "Sinnlichkeitsverweigerung", "Augenprügel": Andreas Kilb ist nicht angetan von der Ausstellung zum Preis der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin. Nur Dan Lies Installation "The Reek" sei ein "ästhetischer Ausreißer", schreibt Kilb in der "FAZ". "Der indonesisch-brasilianische Künstler, der sich als nonbinär bezeichnet, hat einen Saal mit humusgefüllten Leinenstoffbahnen, Blumengebinden, Gräsern, vertrockneten Blüten, undefinierbaren Tontöpfen und feuchtem Stroh in etwas verwandelt, das man als Heiligtum eines un­be­kann­ten Naturkults oder Kulisse eines Weltuntergangs-Musicals aus Bollywood lesen kann. 'Reek' heißt auf Englisch 'Gestank', und wenn die ausgebrachten Pilzsporen in einigen Wochen ihre Arbeit verrichtet haben, wird Lies Kunstwerk seinem Namen Ehre machen. Bis dahin ist es ein schwach muffiges Fest für die Augen: Tempel und Urwaldgruft, Paradies und Panikraum, Vorzeit- und Endzeitspektakel in einem. Man kommt nicht als anderer Mensch aus 'The Reek', aber man behält es im Kopf. Und das ist schon viel im Dschungel des Kunstbetriebs."

Museen

Nach MeToo-Vorwürfen gegen den Maler verschieben US-Museen Ausstellungen von Kehinde Wiley oder sagen sie gleich ganz ab, berichtet "Art News". Das Minneapolis Institute of Art wird eine Schau nicht mehr zeigen, das Pérez Art Museum Miami hat seine Version der Ausstellung auf Eis gelegt. Unterdessen hat das Joslyn Art Museum in Omaha eine Wiley-Schau aus seinem Ausstellungsprogramm für September gestrichen, will aber noch mitteilen, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. Die Ausstellung sollte das Museum nach seiner 100 Millionen Dollar teuren Renovierung einweihen. Mehrere Personen werfen dem Künstler sexuelles Fehlverhalten vor und streben nun eine Sammelklage in New York an. Wiley hat die Anschuldigungen in der Presse und in den sozialen Medien vehement zurückgewiesen und sie als "unbegründet und verleumderisch" bezeichnet.