Personalien
Berlins Kultursenator Joe Chialo von der CDU könnte nach den Neuwahlen zum Bundestag in das Amt des Staatsministers für Kultur und Medien wechseln. "Er verhält sich erstaunlich ruhig in diesen Tagen und Wochen", stellt Rüdiger Schaper im "Tagesspiegel" fest. "Eine weitere berechtigte Sorge der Berliner Kulturszene: Setzt sich ihr Senator überhaupt noch für sie ein, wie es die außergewöhnliche Lage verlangt? Oder ist er im Kopf bereits anderswo?" Die Kultureinrichtungen fürchten Einschnitte in nie dagewesener Höhe. Bis zu zehn Prozent weniger könnten es sein, und das Jahr für Jahr. "Sollte es so kommen, würde es die Stadt verändern und beschädigen", kommentiert Schaper. "Auf dem Spiel steht nicht nur Berlins Ansehen, sondern auch seine gewachsene Bedeutung und Einzigartigkeit."
Çağla Ilk soll Intendantin des Berliner Gorki Theaters werden, weiß die "Berliner Zeitung". Die Architektin, Kuratorin und Dramaturgin ist derzeit noch Co-Direktorin der Kunsthalle Baden-Baden und hat in diesem Jahr den deutschen Pavillon in Venedig mit Yael Bartana, Ersan Mondtag und einem Soundkollektiv zusammengestellt. Ulrich Seidler sieht die Personalie in seinem leicht süffisant formulierten Artikel als Fortsetzung der Ära der aktuellen und wegen ihres Führungsstils umstrittenen Gorki-Intendantin Shermine Langhoff. Ilk hatte ab 2013 gemeinsam mit ihr an dem Berliner Haus gearbeitet und stehe wie ihre frühere Chefin für ein postmigrantisches Programm. Seidler leitet die Nähe zu dem Theater auch aus Äußerungen Çağla Ilks aus dem Kunst-Kontext ab: "In einem Statement sagte sie damals: 'In einer Zeit, in der Kriege, menschengemachte Naturkatastrophen und Autoritarismus die Krisenhaftigkeit unserer Gesellschaften immer deutlicher offenlegen, ist es wichtiger denn je, unsere bisherige, von nationalstaatlichem Denken geprägte Lebensweise zu hinterfragen und neue Formen des Zusammenlebens zu entwickeln.' Mit einem solchen Satz ist man auch am Gorki an der richtigen Adresse."
Porträt
Rebecca Mead stellt im "New Yorker" die britische Malerin Jadé Fadojutimi vor: "Fadojutimi arbeitet schnell. Einige ihrer Werke werden in einer einzigen Sitzung von ein paar Stunden fertiggestellt (sie nennt diese 'One-Hit-Paintings'); andere werden später wieder aufgegriffen, sodass eine Farbschicht von einer anderen überdeckt wird, wie ein Gitterwerk. Manchmal schlägt sie eines ihrer vielen Notizbücher auf, die mit lebhaften Öl-Pastell-Zeichnungen gefüllt sind, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie sie Farbe oder Form auf einer großen Leinwand einsetzen könnte. Aber ihre Bilder sind nicht vorgezeichnet oder gar im Voraus erdacht. Normalerweise beginnt sie abends mit der Arbeit und malt oft die ganze Nacht hindurch, begleitet von schwungvollen Tanzliedern und mitreißenden orchestralen Soundtracks aus Anime-Filmen. Diese Rhythmen hinterlassen ihre Spuren in ihrem Werk, wobei ein Farbausbruch den Abdruck eines Beat-Drops trägt. 'Es ist eine Art Oper', sagte mir Millicent Wilner, Senior Director bei Gagosian, einer der Galerien, die Fadojutimi vertreten. 'Sie tanzt im Prozess des Malens. Sie boxt sozusagen. Es ist irgendwo zwischen einem Kampf und einem Ballett.'"
Architektur
"Das große Architektur-Bashing" diagnostiziert die "Welt" anlässlich der jüngsten Bauhaus-Schelte der AfD in Sachsen-Anhalt. Dazu gibt Dankwart Guratzsch einen ausführlichen Überblick, wie die Geschichte des Bauens im 19. und 20. Jahrhundert immer wieder ideologisch instrumentalisiert wurde und sowohl die rationale Moderne als auch der Historismus bis heute von verschiedenen Seiten angefeindet werden. Letztlich kommt der Autor zu dem Schluss, dass eine bestimmte Art zu Bauen nicht per se politischen Strömungen dient. "Architektur kann sich niemals auf politische Positionen einengen lassen, wie Beispiele aus allen Jahrhunderten beweisen. Gebäude und Baustile, die eben noch der Verherrlichung eines Massenmörders und rücksichtslosen Potentaten dienten, bequemen sich morgen schon seinem Nachfolger und ärgsten Widersacher zur gefälligen Weiternutzung an. Wäre es anders, wäre die Welt unendlich ärmer an Baudenkmalen und Welterbestätten, die wir heute als außerordentliche Leistungen des menschlichen Geistes bewundern."
Frank Auerbach war bekannt für seine Porträts und Straßenszenen aus Camden im Norden Londons, wo er lebte. Jetzt ist er im Alter von 93 Jahren gestorben. Die Zeitung "Telegraph" nennt ihn "einen Künstler von bemerkenswerter Intensität, dessen Verwendung dicker Farbe seinen Werken die Qualität einer Skulptur verlieh". Lange Zeit habe er kein Telefon gehabt, "Besuche waren nur nach Vereinbarung möglich. Er machte nie Urlaub und nannte die National Gallery als den einzigen Ort, der einen Besuch wert sei. Auch im Alter von 93 Jahren malte er noch jeden Tag. Er kritisierte den Mangel an klassischer Ausbildung unter den Kunststudenten, und zwar nicht, weil er der Meinung war, dass sie dadurch zu schlechten Zeichnern würden - 'ein Gemälde mit perfekter linearer Perspektive ist ein totes Objekt' -, sondern weil er glaubte, dass Originalität aus Rebellion entspringt. Ein Künstler war kein Künstler, wenn er nicht mit der Tradition kämpfte. 'Ich habe furchtbares Glück', sagte er, als er über seinen späten Ruhm nachdachte. 'Man bemerkt die Armut nicht, wenn man jung ist, und ich bin froh, dass sie früh kam und nicht erst in diesem Stadium. Mit 65 Jahren ein verkannter Maler zu sein, muss sehr herzzerreißend sein.'"
Design
Peter Richter denkt in der "SZ" anlässlich einer kleinen Berliner Off-Ausstellung über Textildesign von Sitzen im öffentlichen Nahverkehr nach und berichtet von dem "Multifachmann" Tom Gräbe aus Aschersleben, "der sich bei vielen Überlandfahrten in Sachsen-Anhalt tief in das Thema einarbeiten konnte": "Er referierte zunächst über die Eigenschaften von Moquette-Stoffen in Bezug auf Haltbarkeit und Brandschutz, dann über die Funktion der Muster, Schmutz und Abnutzung zu kaschieren. Dazu zählten natürlich in erster Linie Graffiti, denen im Gewirr der Formen und Farben von vornherein nichts hinzufügen bleibt. (Im Grunde ist das klassischer Abwehrzauber wie bei mittelalterlichen Kirchen, wo besonders furchterregende Teufelsfratzen an der Fassade tatsächliche Teufel abschrecken sollten.)"