Medienschau

"Innerhalb der planetaren Grenzen neue Wünsche entwerfen"

artikelbild_monopol-medienschau

Kanye West ruiniert ein Tadao-Ando-Strandhaus, Venedig-Biennale-Kurator Adriano Pedrosa antwortet seinen Kritikern und Istanbul steht vielleicht vor einem Comeback: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Venedig-Biennale

Zum ersten Mal seit der Eröffnung der 60. Venedig-Biennale im April hat der Kurator der zentralen Ausstellung, Adriano Pedrosa, auf Kritik an der Schau geantwortet, speziell  auf den Vorwurf der "Folklore" und auf den "Vergleich mit den Menschenzoos auf kolonialzeitlichen Völkerschauen", der in einem Artikel von Peter Richter in der "SZ" auftaucht (dort allerdings als Kolportage von Meinungen von "Besuchern mit sogenanntem Migrationshintergrund hinter vorgehaltener Hand"). "Solche Kommentare", so Pedrosa bei einer Veranstaltung der des New York University’s Institute of Fine Arts in Manhattan, "nehmen den Künstlern jegliche Handlungsfähigkeit". Weiter zitiert "The Art Newspaper": "Diese Künstler kommen, tragen bei und helfen uns. Aber das ist ein Aspekt, der eine Menge Diskussionen ausgelöst hat. Es ist, als würde man sagen, dass man europäische Mode tragen muss, um an der Biennale in Venedig teilzunehmen. Man muss Prada tragen. Man muss eine Arbeit in europäischer oder amerikanischer Ästhetik machen."


Kunstmarkt

Tobias Timm liefert in der "Zeit" einen kurzen Eindruck von dem "First Choice"-VIP-Tag in Art Basel: "Hundertschaften von Millionären stellen sich freiwillig in sehr lange Schlangen. Das gibt es weltweit nur einmal im Jahr, und zwar auf der Art Basel, der umsatzstärksten Kunstmesse der Welt. Diese Woche ist es wieder so weit, Tausende von Werken stehen zum Verkauf, von Picasso über Warhol bis hin zu Anne Imhof. Am Montagnachmittag wurde bereits die Messehalle für die (physisch) besonders große Kunst eröffnet, und die aus aller Welt angereisten Sammler warteten brav auf den Einlass, der hier strikt hierarchisch organisiert ist. Die ersten Stunden durften nur die Pre-Choice-VIPs hinein, Vielkäufer, die das Glück der ersten Wahl haben. Man war in der Schlange also unter sich: Menschen, die sich sonst nie gedulden müssen."

Architektur

"Es wäre höchste Zeit, innerhalb der planetaren Grenzen neue Wünsche zu entwerfen", schreibt Robert Kaltenbrunner in der "FR" und denkt darüber nach wie ein Umdenken in der Architektur aussehen könnte. "Das Entwerfen sollte sich darauf konzentrieren, die Möglichkeit eines komfortablen Lebens mit weniger Kohlenstoffemissionen als wünschenswert darzustellen – durch Designmethoden selbst, aber auch durch die Kultivierung neuer Lebensweisen, anderer Arten der Nutzung von Gebäuden und Räumen mit einem Bewusstsein für die von ihnen produzierten Externalitäten. Beispielsweise müssen wir künftig mit weniger Fläche auskommen. Das bedeutet jedoch, dass diese Flächen mehr leisten müssen, damit sie unserer Lebensvorstellung weiterhin entsprechen. Mit anderen Worten: Das kleine Apartment muss dermaßen gut sein, dass sich kein Gefühl des Verzichten-Müssens einstellt."

Nicht genial-disruptiv, sondern einfach zerstörerisch ist Kanye West mit einem Tadao-Ando-Strandhaus in Malibu umgegangen. Im "New Yorker" berichtet Ian Parker, wie es "mit dem Presslufthammer auf halbem Wege zur Ruine zertrümmert wurde. Saxon [der Bauleiter] sagte mir: 'Es ist komisch - und in gewisser Weise nicht komisch - zu sagen: Ich bin der Mann, der dieses architektonische Meisterwerk eigenhändig zerstört hat. Aber das habe ich so ziemlich getan. Architekt Ron Radziner erinnerte sich an das erste Mal, als er Fotos von den Veränderungen an dem Haus sah. 'Wir waren alle am Boden zerstört', sagte er. 'Es war ein wunderschönes Stück Architektur, und jetzt ist es wirklich zerstört.' Gegen Ende des letzten Jahres hörte er wieder von Yes Büro. Radziner erinnerte sich, dass er gebeten wurde, 'alles wieder zusammenzusetzen'. Er bekundete sein Interesse."

Stadtpolitik

Raphael Geiger sieht in der "SZ" ein kleines Comeback Istanbuls – und zwar dank Kulturpoltik. "Man muss sich in Istanbul derzeit anstrengen, die Bauplakate zu übersehen, auf denen 'Miras' steht. Ein osmanisches Industriegelände am Goldenen Horn, Feshane. Eine alte Werft. Ein Gaswerk, Gazhane. Die alte Villa eines Bulgur-Magnaten, Bulgur Palas. Verfallene griechische Häuser in Balat, gleich ums Eck vom 'KaBalat'. Eine Zisterne aus dem sechsten Jahrhundert. Die frühere osmanische Zentralbank. Die byzantinischen Stadtmauern. Alles entweder kürzlich wieder eröffnet, als Galerie, Museum, Bibliothek, oder in Renovierung begriffen. Fast alle Projekte kosten keinen Eintritt, oft liegen sie in ärmeren Vierteln, auch konservativen, in die sich vorher keine Ausstellung moderner Kunst verirrte. Dazu gibt’s meistens ein Café, Sofas und Arbeitsplätze, einen Park drum herum – und den Tee und den Kaffee so billig, als wollte sich Ekrem İmamoğlu nochmals persönlich für den Wahlsieg bedanken."

Aktivismus

Vegan-Aktivisten haben das umstrittene Porträt des Königs Charles von Maler Jonathan Yeo, das letzten Monat enthüllt wurde, mit Wallace-und-Gromit-Aufklebern überklebt, berichtet unter anderem "The Telegraph". Filmmaterial zeigt zwei Demonstranten der Organisation Animal Rising, die in der Londoner Philip Mould Gallery die beiden Trickfilm-Figuren und das Zitat "Kein Käse, Gromit. Schau dir all die Grausamkeiten auf den RSPCA-Farmen an" auf der Leinwand anbringen.