Medienschau

"Trophäen für die Kolonialherren des Ausstellungswesens"

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Kunstfeindliche Stimmung in Ostdeutschland, "Ethno-Kitsch" auf der Venedig-Biennale und Stimmen zum Tod von Rebecca Horn: Das ist unsere Medienschau am Montag

Debatte

"Die Rezeption autonomer Kunst setzt ein bürgerliches Kunstverständnis voraus", schrieben Aljoscha Begrich und Christian Tschirner in ihrer Bilanz des von ihnen kuratierten "Osten"-Festivals in Bitterfeld-Wolfen vor einigen Tagen auf "Nachkritik" – ein Text über die kunstfeindliche Stimmung in Ostdeutschland. Denn dieses bürgerliche Kunstverständnis sei, so stellenn sie fest, "offenbar nicht oder nicht mehr vorauszusetzen. Möglicherweise ist auch hier der Osten Vorreiter einer allgemeinen Entwicklung: Versuche von Einflussnahme, Indienstnahme oder gar Angriffe auf die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit häufen sich überall im Land. Sie verschieben die Grenze des Sag- und Machbaren. Inzwischen ist ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit aus dem Ministerium für Bildung und Forschung nicht mehr so peinlich, dass es für einen Rücktritt der Ministerin reicht. Noch vor zehn Jahren ein undenkbarer Vorgang." Dirk Knipphals legt diesen Text nun nochmal der "Taz"-Leserschaft ans Herz und schreibt: "Der bürgerliche Kunstbegriff, von dem Begrich und Tschirner schreiben, wurde historisch auch gegen den Staat und übrigens auch gegen die Kirche in heftigen Auseinandersetzungen durchgesetzt. Statt von der bürgerlichen Gesellschaft und ihrem Markt ist die Kunstszene aber längst von staatlichen Organen vielerorts abhängig. Das ist selbstverständlich kein Appell, auf Staatsknete zu verzichten, aber schon dafür, sich dieser Rahmenbedingungen vielleicht noch ein Stück weit bewusster zu werden, als es derzeit der Fall ist."

Ist der Kunstbetrieb besessen von "Ethno-Kitsch"? Gesine Borcherdt findet es in der "Welt" jedenfalls fatal, dass die indigene Kunst auf der Venedig-Biennale so aussieht, "wie man glaubt, dass indigene Kunst eben aussehen müsse – und schon immer ausgesehen hat." Damit bediene sie Klischees über den "Globalen Süden" und reproduziere diese, statt "mit dessen schöpferischem Potenzial zu überraschen. Ausgerechnet aus Ländern, in denen etwa Internet und Smartphone auf überaus kreative Weise zur enormen Verbesserung der grundlegenden Lebensqualität beitragen, sehen wir kein einziges Werk, das mithilfe neuester Technologien entstanden ist. Obwohl die spannendsten jungen Künstler heute weltweit mit digitalen Animationen, Algorithmen, künstlicher Intelligenz (KI) und Gaming-Ästhetik arbeiten und mit spielerischem Geist ihr Technikwissen in neue Gedanken über unsere Welt verwandeln, tut die bedeutendste Kunstbiennale so, als gebe es Science-Fiction im 'Globalen Süden' nicht." Wenn Kunst aber neue Perspektiven aufzeigen wolle, "dann muss sie ihrer Zeit voraus und keine Trophäe für die Kolonialherren des Ausstellungswesens sein."

Nachruf

Die Bildhauerin, Aktionskünstlerin und Filmemacherin Rebecca Horn ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Sie war "eine Choreographin des Surrealen", schreibt Stefan Trinks in der "FAZ", "sie verlängerte und aktualisierte die filmischen Arbeiten eines Luis Buñuel oder Meret Oppenheims in die Jetztzeit." Zugleich thematisieren ihre Werke "immer auch die Ambiguität aus Befreiung des weiblichen Körpers und dem Verbleib in mehr oder weniger goldenen Käfigen." Rebecca Horn sei eine "Expertin für das Zarte" gewesen, "um damit etwas über das Rohe und die Brutalität des Menschen zu sagen", schreibt Till Briegleb in der "SZ". "Macht- und Imponiergehabe entblößte Horn als eine Form falsch verstandener Liebe. Die Abwesenheit der Gewalt wurde bei ihr zu einer Tätigkeit, Konflikte eher erotisch darzustellen als durch Bilder des plumpen Durchsetzens der eigenen Interessen. Und diese Methode, ins patriarchale Laufrad der Geschichte zu greifen, wo trotz aller friedlichen Lippenbekenntnisse Zahn um Zahn regiert, durchzog Rebecca Horns sechzig Jahre währende Kunstidee."

Kunstmarkt

Der "Spiegel" widmet sich nun auch in einem langen Artikel dem Hype um die Malerei eines Dreijährigen, den Deutschen Laurent Schwarz, dessen Bilder angeblich für fünfstellige Summen verkauft werden. "Der Hype um Laurent bebildert auf drastische Weise grundsätzliche Fragen", schreibt Walter Mayr. "Was ist Kunst, wer definiert die Kriterien? Können Kleinstkinder Bleibendes, Großartiges schaffen? Oder wird hier ein Schutzbedürftiger von seinen Eltern an die Öffentlichkeit und in den Kunstmarkt gezerrt?" Selbst der als "Kunstmarktexperte" eingeführte Magnus Resch kommt hier noch zu Wort: "Mit geschicktem Marketing und entsprechenden Kontakten kann man fast jeden zum Star machen. In der Malerei gibt’s keine Wunderkinder".

Hakim Bishara langweilt sich auf der New Yorker Kunstmesse Armory Show und fragt sich auf "Hyperallergic", ob es an ihm liegt, oder ob der Markt keine Entdeckungen mehr zulässt. "Der Besuch der 30. Ausgabe der Armory Show mit ihren mehr als 235 Ausstellern glich der kurzen Enttäuschung, die man empfindet, wenn man glaubt, ein erfrischendes, sprudelndes Wasser gekauft zu haben, das aber nur still ist. Das ist ein absoluter Reinfall. Ich hatte gehofft, in den prickelnden Seifenblasen der Armory zu schwelgen, aber dazu kam es nicht."

Film

In ihrem neuen Film spielt sie die Kriegsfotografin Lee Miller: Kate Winslet hat über das Projekt in einem BBC-Interview gesprochen und kritisiert, Frauen würden bis heute mit Etiketten versehen. Sie schere sich darum nicht mehr und werde einfach ihr Leben leben: "Das Leben ist zu kurz, wissen Sie? Ich möchte nicht zurücksehen und sagen: Warum hast du dir darüber Gedanken gemacht? Ich werde es genießen. Weitermachen. Man hat einen Versuch. Mach das Beste daraus." In ihrem neuen Film "Die Fotografin" spielt sie Lee Miller (1907-1977), die während des Zweiten Weltkrieges als Kriegsberichterstatterin für die "Vogue" an der Front war. Ihre Fotos wurden Zeitdokumente, darunter sind Aufnahmen der Befreiung von Konzentrationslagern. "Harper's Bazaar" hatte Winslet erzählt, ein Crewmitglied habe ihr geraten, bei einer Bikiniszene vielleicht etwas aufrechter zu sitzen. "Damit man meine Bauchröllchen nicht sieht? Im Leben nicht", wurde Winslet zitiert. Das sei ja Absicht gewesen. Winslet wollte damit auch der Figur gerechter werden. Es sei ihr Job gewesen, wie Lee zu sein, sagte Winslet der BBC. Ihre Figur habe nicht Gewichte gestemmt oder Pilates gemacht, sondern Käse und Brot gegessen und Wein getrunken. "Natürlich war ihr Körper also weich. Aber ich glaube, wir sind vielleicht so wenig daran gewöhnt, das zu sehen und zu genießen." Die erste Reaktion sei merkwürdigerweise, es zu kritisieren oder in irgendeiner Form zu kommentieren.