Medienschau

"Die Gewalt trägt keine Maske mehr"

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Die visuelle Gewalt der Rechten, umstrittene Kunstausstattung im österreichischen Parlament, und Philosoph Boehm weist Kritik zurück: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Die künstlerische Neugestaltung des österreichischen Parlamentsgebäudes unter dem früheren Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) sorgt für Diskussionen und hat auch rechtliche Konsequenzen, berichtet Olga Kronsteiner im "Standard". Insgesamt seien Kunstwerke für 1,3 Millionen Euro angekauft worden  – ohne öffentliche Ausschreibung. Außerdem seien zahlreiche Leihgaben eingebracht worden. Dabei kam es zu nachhaltigen Schäden am denkmalgeschützten Interieur, insbesondere durch Bohrungen in historische Stuccolustro-Wände, einer aufwendigen Spachteltechnik aus der Hansen-Ära, vor allem bei der Montage von vier Gemälden von Heimo Zobernig. Neben der physischen Beschädigung sorgt eine gescheiterte mündliche Kaufvereinbarung über zwei Werke von Walter Vopava für juristischen Streit: Der Künstler fordert nun den Vollzug des Kaufs, der nach dem Wechsel an der Spitze des Nationalrats nicht mehr umgesetzt wurde. Sobotka hatte den Ankauf initiiert, aber keinen schriftlichen Vertrag mehr unterzeichnet. "Zuletzt waren im Oktober zwei Skulpturen von Erwin Wurm für 240.000 Euro (exkl. Mwst.) angekauft worden: Seither zieren Holding Up (2022) und Gate (2021) im Oberen Vestibül den Eingang zur Säulenhalle. Der Künstler hat sich übrigens vertraglich ein Rückkaufrecht gesichert – wohl für den Fall, dass der neue Nationalratspräsident gedenkt, die Skulpturen irgendwohin zu verräumen." Neben diesen Fragen wird auch die politische Symbolik diskutiert: Der aktuelle Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) hatte etwa ein Wandbild des umstrittenen NS-Künstlers Rudolf Eisenmenger lange Zeit unkritisch als Fotokulisse verwendet. Erst nach öffentlicher Kritik wurde das Bild kontextualisiert. 

In der Debatte über eine Gedenkveranstaltung zur Buchenwald-Befreiung vor 80 Jahren hat der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm Kritik zurückgewiesen. "Jeder, der sich mit meiner Arbeit auseinandergesetzt hat, weiß: Ich schreibe als Enkel von Holocaust-Überlebenden, um die Erinnerung zu verteidigen", sagte Boehm der "Zeit". Er habe die Einladung der Gedenkstätte Buchenwald angenommen, weil Erinnerung geschützt werden müsse. "Und ich habe meinen zehnjährigen Sohn aus New York mitgebracht, um ihm von der Vernichtung seiner Familie im Holocaust zu erzählen. Und meinen Vater aus Israel, der seine Großeltern in Theresienstadt und Auschwitz verloren hat - und mit einer Mutter aufwuchs, die 1939 in letzter Sekunde entkommen konnte", sagte Boehm der "Zeit". Vor der Gedenkveranstaltung war ein Konflikt zwischen der Botschaft Israels und der Stiftung, die hinter der Gedenkstätte steht, publik geworden. Die Stiftung hatte die geplante Rede Boehms aus dem Gedenk-Programm genommen und angekündigt, den Philosophen zu einem anderen Termin einzuladen. Der Enkel einer Holocaust-Überlebenden hatte sich in der Vergangenheit kritisch zur israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und zur israelischen Politik geäußert. Boehm zeigte in dem Gespräch mit der "Zeit" Verständnis für den Schritt des Gedenkstättenleiters Jens-Christian Wagner, die Rede zu verschieben. "Es gibt Druck, und es gibt Druck", sagte Boehm. Wagner habe getan, was in seiner Macht stehe. "Ich respektiere ihn für seine Arbeit und seine Integrität und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit."

Ausstellung

"'Anselm Kiefer - Sag mir, wo die Blumen sind', eine ehrgeizige Doppelausstellung in Amsterdam, die sich über die benachbarten Museen Van Gogh und Stedelijk erstreckt, bietet eine Antwort auf den Zustand unserer Welt mit einem entsprechend robusten Künstler, der den Atlas spielt und eine riskante Kritik hochhält", findet Eugenie Brinkema in ihrer Review für "Art in America". "Welches Recht haben ein Künstler und eine Institution, die Frage 'Wo sind die Blumen geblieben?' in diesem historischen Moment mit Blattgold und Rosen zu inszenieren und mit künstlerischer Inspiration, Fragen der Form, des Pinselstrichs, des Lichts, der Perspektive und des Maßstabs zu beantworten? Andere Pflanzen könnten antworten. Im Angesicht einer Welt voller Grausamkeiten und Kriege trifft Voltaires Candide auf einen Mann, der in seine Arbeit vertieft ist und sich um seine Orangenbäume kümmert. Jetzt verstehe ich, sagt Candide: Wir müssen unseren Garten kultivieren. Kunst kann immer noch eine Provokation gegen die Verzweiflung sein. Das Wagnis dieser Ausstellung besteht darin, dass sie dies nicht trotz, sondern gerade durch die Neugier auf die Arbeit der Künstler sein kann. Candide schlägt den Optimismus der Aktivität vor: des Säens, Vorbereitens, Machens. Wir müssen unseren Garten kultivieren. Was können wir denn sonst noch tun?"

Bildkultur

Annekathrin Kohout analysiert in ihrer "taz"-Kolumne "Feed Interrupted" die bewusste Inszenierung von Gewalt in den sozialen Medien durch rechte Akteure. Sie beleuchtet insbesondere ein Video der US-Heimatschutzministerin Kristi Noem, das Ende März 2025 veröffentlicht wurde und in dem die Politikerin vor überfüllten Gefängniszellen in El Salvador eine Drohung an Migranten in den USA ausspricht: "Geht jetzt, oder ihr landet hier." Kohout hebt hervor, dass Noem dabei bewusst mit erotischen Machtassoziationen und Dominanzfantasien spielt, was an historische Beispiele wie die Konzentrationslager der NS-Zeit oder das Abu-Ghraib-Gefängnis erinnert: "Was das Video so erschütternd macht, ist die Tatsache, dass nicht einmal versucht wird, die Unmenschlichkeit zu verbergen. Die Gewalt trägt keine Maske mehr. Die moralische Grenzüberschreitung wird nicht kaschiert – sondern sogar zelebriert. Denn Noem hat dieses Video nicht nur zur Abschreckung gepostet. Sie präsentiert es vor allem ihren eigenen Anhängern als Einladung, sich an der Härte und Entwürdigung visuell zu berauschen – vor den Augen der Öffentlichkeit." Kohout verweist auf Peter Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft" von 1983 und stellt fest, dass der darin beschriebene Zynismus, verstanden als "aufgeklärtes falsches Bewusstsein", heute seinen Höhepunkt erreicht habe. Soziale Medien spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie komplexe Themen auf plakative Bilder reduzieren, polarisierende Inhalte belohnen und durch die Gleichzeitigkeit unterschiedlichster Informationen Maßstäbe relativieren - was letztlich zu einer Demoralisierung führt.

US-Heimatschutzministerin Kristi Noem während eines Rundgangs durch ein Gefängnis in Tecoluca, El Salvador
Foto: Alex Brandon/AP/dpa

US-Heimatschutzministerin Kristi Noem während eines Rundgangs durch ein Gefängnis in Tecoluca, El Salvador