US-Wahl
"FAZ"-Feuilletonkorrespondentin Frauke Steffens hat eine schlaflose Nacht in Brooklyn verbracht – gemeinsam mit den New Yorkern, die bekanntlich weit liberaler als der Großteil der USA wählen. Entsprechend entgeistert sind sie in der Wahlnacht, als sich Trumps Sieg abzeichnet. "Die Partys gehen an diesem Abend früh zu Ende, es leert sich überall, als klar ist, dass Harris nicht mehr sprechen wird, dafür aber Trump", berichtet Steffens. "Auf der Lower East Side in Manhattan stehen noch ein paar Leute neben leeren Weinflaschen in der 'Earth'-Galerie. In einer Ecke lehnt eine Lokalberühmtheit an der Wand: Dean Kissick, Kulturkritiker fürs 'Spike'-Magazin und andere. Nein, um seine Freunde, die gegen den Gaza-Krieg protestierten, sorge er sich auch im Falle eines Trump-Sieges nicht – um die Menschen, die ohne gültige Papiere im Land lebten, dagegen schon sehr, sagt Kissick. Elon Musk hält er für einen Idioten, sei aber früher auch sehr fasziniert von ihm gewesen, denn schließlich habe der Milliardär mit seinen Weltraum-Expeditionen etwas gewagt." Um kurz nach zwei Uhr hat der Sender Fox Trump schon zum Wahlsieger erklärt. "Draußen sind nur noch wenige Menschen unterwegs. Etwas hat gerade begonnen, von dem noch niemand weiß, was es ist", schließt Steffens trostlos.
"Und jetzt?", fragt auch Edo Reents ebenfalls in der "FAZ", "Werden die ganzen amerikanischen Popstars, die was anderes gewählt haben als Trump, nun aufhören zu singen oder gleich auswandern?" Unter der Überschrift "Show Biz Blues" hält der Redakteur fest, "dass die Bedeutung der demokratisch gesinnten Unterhaltungskünstler wieder einmal überschätzt wurde, zumindest, was deren Einfluss auf die politische Willensbildung betrifft. Die letzten Male, als es für sie was zu feiern gab, waren die Amtseinführungen von Clinton 1993 und von Obama 2009; als Biden ans Ruder kam, wirkte es schon weniger euphorisch, weniger kraftvoll, auch wenn Bruce Springsteen, Jon Bon Jovi und Lady Gaga ihren Superstar-Charme voll ausspielten und die große alte Soulsängerin Bettye LaVette Sam Cookes 'A Change is Gonna Come' intonierte, das bis heute wuchtigste und zugleich anschlussfähigste politische Statement of all time. Die Zeiten hatten sich da aber schon geändert, heute haben sie es erst recht." Sein aktuelles Fazit muss trübe ausfallen: "So viel Taylor Swifts konnte es ja gar nicht geben, als dass deren ausgerechnet am 11. September abgegebenes und geradezu kriecherisch wie ein Staatsakt behandeltes Votum für Kamala Harris auch nur irgend etwas zu deren Gunsten hätte bewegen können. Diese Sängerin, die an irgendwelchen Geschlechterrollen nicht die Bohne ändert und mit ihrem halb offenen Barbiepuppenmund letztlich nur sexuelle Verfügbarkeit signalisiert, gilt aus denselben Gründen als 'mächtig' wie Elon Musk: weil sie so viel Geld hat und sie sich also gut überlegen muss, dass sie sich auf die richtige Seite schlägt, um möglichst viel davon zu behalten", schreibt Edo Reents.
Trumps Wahlsieg wirft nach Meinung des Schriftstellers Volker Kutscher einmal mehr die Frage auf, "warum so viele Menschen der Demokratie den Rücken kehren und ihr Heil in autoritären Strukturen suchen". Dies gelte nicht nur für die USA, sondern für die gesamte westliche Welt. Er sehe dafür im Wesentlichen zwei Gründe, sagte der Autor der Gereon-Rath-Reihe der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Zum einen ist das der parteiübergreifende neoliberale Konsens - auch der linken Parteien -, der in den vergangenen Jahrzehnten die Politik in den westlichen Demokratien prägte und der die Interessen großer Bevölkerungsgruppen völlig ignoriert hat." Die Schere zwischen Arm und Reich sei dadurch immer weiter auseinandergegangen. "Dass diese Menschen dann ausgerechnet rechtsextreme Parteien oder Politiker wählen, die ihre Interessen noch weniger vertreten, mag zwar nicht rational sein, ist aber psychologisch durchaus zu erklären: es denen da oben, dem Establishment, einfach mal zeigen. Im Grunde ein irrationales Hass- oder Rachegefühl." Der zweite Grund sei eine gewisse Sattheit: "Viele Menschen nehmen die Freiheiten und Sicherheiten, die uns der demokratische Rechtsstaat einräumt, inzwischen als so selbstverständlich gegeben hin, dass sie gar nicht mehr sehen, was da auf dem Spiel steht." Kutschers Krimiserie, die Vorlage für die Fernsehproduktion "Babyon Berlin", spielt vor dem Hintergrund des Aufkommens der Nationalsozialisten im Berlin der Weimarer Republik.
Debatte
"Ein Ansatz, der zumindest ein bisschen stärker auf Ausgleich, denn auf Schärfe bedacht ist, könnte den Debatten zum Thema hierzulande vielleicht ganz guttun", schreibt Ronen Steinke in der "SZ" zur Antisemitismus-Resolution, die am 9. November im Bundestag verabschiedet werden soll. "Salomonische Formel" heißt es im Vorspann, denn obwohl die IHRA-Definition Maßstab bleibt, wurde jetzt noch das Wort "maßgeblich" hinzugefügt. "So heißt es in dem Entwurfstext auf der dritten Seite (von vier), dass man bei der Frage, was antisemitisch sei, in Zukunft die IHRA-Definition 'als maßgeblich heranziehen' möge. Das ist eine interessante Wortwahl", kommentiert Steinke. Ob das nun eine Distanzierung von der "so umstrittenen IHRA-Definition" ist? Steinke kann nicht beantworten, ob sich nun Kritiker oder Befürworter der "Arbeitsdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken" durchgesetzt haben. "Bei den Grünen hört man: Weder hat diese IHRA-Definition bislang dazu geführt, dass Palästina-Protestcamps an zahlreichen Universitäten, die nicht gegen Strafgesetze verstießen, unmöglich waren; noch hat sie der Aufführung israelkritischer Filme auf dem Filmfest Berlinale irgendwie im Weg gestanden; einschließlich Dekoration mit Preisen und Applaus auch der Kulturstaatsministerin von den Grünen, Claudia Roth", weiß der "SZ"-Autor.
Die Diskussion um die Fassade des Humboldt Forums und die rechten Spender, die sie mit ermöglichten, nimmt kein Ende: Jetzt wurde ein Brief von Mitarbeitenden an die Direktoren des Museums publik, berichtet Deutschlandfunk Kultur: "120 Mitarbeitende kritisieren die historisierende Fassade und fordern zudem klare Kante von ihrer Leitung bezüglich des umstrittenen Fördervereins Berliner Schloss." In dem hausinternen Brief aus dem Frühjahr 2024, der jetzt erst bekannt wurde, wenden sich die Mitarbeiterinnen "gegen antidemokratische, geschichtsrevisionistische und rechtsradikale Tendenzen im Kontext des Humboldt Forums" und fordern eine dementsprechende Positionierung ihrer Leitungsebene. "In den Medien, der Öffentlichkeit, aber auch von Fachkolleginnen werden unsere Projekte fortwährend als unglaubwürdig rezipiert", so heißt es darüber hinaus in dem Brief.
Mode
Modedesigner Wolfgang Joop spricht kurz vor seinem 80. Geburtstag von der "Gnade", noch arbeiten zu können. "Ich stöhne nicht über Arbeit. Ich bin lieber überbeschäftigt als unterbeschäftigt", sagte er dem "ZEITmagazin". Arbeit sei "besser als eine Kopfschmerztablette". "Ich hätte nicht damit gerechnet, 80 zu werden", sagte der Modedesigner außerdem. Der Geburtstag des Modeschöpfers ist am 18. November. Er habe aber Angst davor, "dass das Alter zum zentralen Alltagsthema wird. Dieses Verletzbare, das Gefühl, da geschieht was mit mir, was ich nicht kontrollieren kann und was ich nicht kenne. Man ist ja schließlich das erste Mal alt."