Debatte
Dafür, dass der Turnerpreis angeblich abturnt, wird immer noch viel über seine diagnostizierte Unwichtigkeit geschrieben. Nachdem Jasleen Kaur als diesjährige Preisträgerin feststeht, schließt sich Eva Ladipo in der "Zeit" dem allgemeinen Lamento an: "Heute erregt der Preis kaum noch Aufsehen und erst recht keinen Streit mehr, denn die Kunst, die er auszeichnet, ist zu rechtschaffen geworden, zu korrekt und zu vorhersehbar. Was früher einmal großes Kino war, ist heute nur noch ein Thema unter Branchenkennern. Der Turner Prize hat sozusagen die Seiten gewechselt. Er war einmal 'U' und bot als wohl einziger Kunstpreis der Welt populäre Unterhaltung. Jetzt ist er wieder 'E', ernst, akademisch und zurück in der Nische." Alastair Sooke hatte im September im "Telegraph" einige Vorschläge, wie man den Turnerpreis wieder spannender machen kann: kostenloser Eintritt in die Preisträgerausstellung, eine Übertragung der Preiszeremonie im Fernsehen und im Radio, die Ausweitung der Auswahl der Juroren über die Kunstwelt hinaus, die Vergabe alle zwei Jahre statt einer jährlichen Auszeichnung.
"Eine exzellente Wahl" sei die Berufung von Koyo Kouoh zur Kuratorin der Venedig-Biennale 2026, freut sich Nicola Kuhn im "Tagesspiegel". "Gut möglich, dass sie stärker politische Akzente setzt; mit ihrer 'Herzog Franz Lecture' zuletzt in München gab sie eine Ahnung davon. Die Kuratorin war im Oktober unter anderem von der Pinakothek der Moderne eingeladen worden, eine Festrede zu Ehren von Franz Herzog von Bayern als Dank für sein Mäzenatentum zu halten. Die Laudatorin nutzte die Gelegenheit, um dem Kulturbetrieb insbesondere in Deutschland mangelnde Empathie mit den Opfern der israelischen Kriegsführung in Gaza und im Libanon vorzuwerfen und kritisierte den Umgang mit politischen Meinungen in der Kunstszene. Das Publikum reagierte empört. Umso interessanter dürfte Koyo Kouohs Motto für die Biennale di Venezia sein." Philip Oltermann erinnert im "Guardian" daran, dass die kommende Ausgabe unter neuen Vorzeichen steht: "Mit dem Wechsel des politischen Klimas in Italien wurde allgemein erwartet, dass die 60. Kunstbiennale das letzte Hurra einer Schule des Kunstkuratierens sein würde, die den Eurozentrismus geißelt und Stimmen aus dem globalen Süden fördert."
Kulturpolitik
Zu Kürzungen der Förderung von Kunst in Ostdeutschland schreiben die Theatermacher Aljoscha Begrich und Christian Tschirner in der "Berliner Zeitung": "Wie viele andere hatten wir erwartet, dass die Bundesregierung nach den Wahlen in Ostdeutschland einen 100-Milliarden-Fonds für gesellschaftlichen Zusammenhalt auflegen würde, um Projekte der Soziokultur und politischen Bildung im ländlichen Raum zu stärken", hofften die beiden Kuratoren des Osten-Festivals in Bitterfeld und Wolfen. "Das Gegenteil ist der Fall. Genau diese Projekte sind jetzt von erstaunlichen und fatalen Kürzungen betroffen." Sie glauben, dass Angriffe auf die Kunstfreiheit, "wie wir sie bei unserem Festival erlebt haben, Vorzeichen auf andere, vielleicht bedrohlichere Entwicklungen sind. Wir sind uns sicher, dass das auch allen Entscheidungsträgern in der Hauptstadt klar ist und dass es deshalb sehr bald einen staatlichen Rettungsschirm für die Demokratie geben wird. Den Doppelwumms für Kunst und Kultur. Oder dass zumindest die zehn Milliarden, die bei Intel in Magdeburg nicht mehr gebraucht werden, jetzt in den Kultursektor umgeleitet werden."
Museen
"In meiner Vision soll die Kunsthalle nicht bewahren, wie ein Museum, sondern Gelegenheiten schaffen für Dinge, die man in Wien sonst nicht sehen würde", sagt Michelle Cotton, die neue Leiterin der Kunsthalle Wien. Ein Leben in ihrem Tag hat das österreichische Montagsmagazin "Datum" aufgeschrieben. "Den Erfolg einer Ausstellung messe ich nicht nur an Besucherzahlen, auch wenn die eine Rolle spielen. Entscheidend ist aber etwas anderes. Einerseits die Rückmeldungen von Kritikern und Kollegen, vor allem aber die Erfahrung, die unsere Besucher hier machen. Neulich sah ich, wie Menschen im Untergeschoß völlig vertieft einen unserer Filme schauten – das sind die Momente, in denen mir klar wird, dass es nicht auf die Anzahl der Besucher ankommt, sondern auf ihr Erlebnis bei uns."
Die neue Direktorin der Overbeck-Gesellschaft in Lübeck Paula Kommoss erzählt in der "Weltkunst" von ihrer Leidenschaft für Ausstellungsbooklets, ihrer Bewunderung für Hanne Darboven und Anita Rée, und sie verrät ihre Pläne fürs kommende Jahr.
Wie können Menschen mit Sehbehinderung bildende Kunst erfahren? Die Berlinische Galerie hat auf diese Frage viele Antworten gefunden. Das Museum ist mit seinen inklusiven Angeboten deutschlandweit Vorbild. Radio3 vom RBB spricht darüber mit Andreas Krüger, Referent für Barrierefreiheit und Inklusion an dem Haus.