Medienschau

"Die Magie des entscheidenden Augenblicks"

artikelbild_monopol-medienschau

NBK-Leiter Marius Babias über die politische Instrumentalisierung von Kunstorten, Nachruf auf den Fotografen Ulrich Mack und eine MoMA-Ausstellung zur lateinamerikanischen Moderne: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Die Künstlerinnen Banu Cennetoğlu und Pilvi Takala hatten im Februar ihre jeweiligen Einzelausstellungen im Neuen Berliner Kunstverein abgesagt. In der Erklärung hieß es, sie hätten versucht, mit dem Ausstellungshaus in einen Dialog zu treten, um "Bedenken und Forderungen in Bezug auf den anhaltenden Völkermord in Palästina zu erörtern" - was aber gescheitert sei. Weiter hieß es: "Trotz unserer Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit zeigten unsere Gespräche, dass der n.b.k. nicht gewillt ist, seine derzeitige interne Politik zu ändern, um zu zeigen, dass er mit der repressiven Politik des deutschen Staates nicht einverstanden ist. Darüber hinaus lehnte der n.b.k. eine von uns vorgeschlagene künstlerische Geste ab, die sich an der kollektiven Solidarität mit Palästina orientieren sollte." Jetzt äußert sich der NBK-Leiter Marius Babias in der "Berliner Zeitung" zu dem Boykott: "Wir verstehen uns als ein autonomer Ort, in dem ein offener Dialog ermöglicht wird und an dem sich alle Teilnehmer:innen und Künstler:innen sicher fühlen können. Wir wollen nicht die Logik von Gegnerschaft und Ausgrenzung hineinlassen. Die Entscheidung der Künstlerinnen, ihre Projekte zurückzuziehen, bedauern wir sehr. Aber es gibt ausgewiesene Orte und kompetentere Entscheidungsträger:innen als Museumsdirektor:innen für die Austragung von hochkomplexen, historisch und gegenwärtig verwickelten Auseinandersetzungen." Nämlich: "Staatliche und zivilgesellschaftliche Vertretungen, Parlamente, globale Gerichtshöfe, Organisationen wie die Vereinten Nationen oder der UN-Sicherheitsrat." Auf die Frage von Interviewer Timo Feldhaus, ob denn der Nahostkrieg nicht in Kunsthäusern vorkommen sollte, antwortet der Kurator: "Wir räumen sehr viel Sprechmacht ein. Aber als Institution möchte sich der n.b.k. politisch nicht instrumentalisieren lassen. Wir wollen die Integrität, den Schutzraum, die Autonomie und die Unabhängigkeit der Institution weiter aufrechterhalten."

Am Ostermontag wurde die Kapelle im wiederaufgebauten Turm der Potsdamer Garnisonkirche mit einem Gottesdienst eingeweiht. Schon im Voraus hatte es viel Kritik an den Plänen der Rekonstruktion gegeben – die Gründe dafür nennt Peter Richter in der "Süddeutschen Zeitung": "Es war nun einmal die Militärkirche Preußens, Kulisse für den Handschlag Hindenburgs mit Hitler am 'Tag von Potsdam', Weltkriegsruine, Gegenstand von Abrissbrigaden der DDR, dann von Wiederaufbauinitiativen mit Beteiligung militärischer Traditionsbünde aus Westdeutschland. Das Konfliktpotenzial liegt auf der Hand." Seit Ende 2017 wurde an dem Turm der Garnisonkirche gebaut, mehr als die Hälfte der über 40 Millionen Baukosten wurden vom Bund finanziert. Auf der Website der Garnisonkirche heißt es, dass in der neuen Kapelle "künftig in vielfältiger Form Friedens- und Demokratiearbeit stattfinden wird". Das hielt über hundert Menschen nicht davon ab, am Ostermontag lautstark gegen die Einweihung zu protestieren. "Sprengen den Scheiß!" habe auf einem Transparent gestanden. "Und das ist keine selten zu hörende Forderung", schreibt Richter.

Nachruf

Mit 89 Jahren ist der preisgekrönte Fotograf Ulrich Mack gestorben. Seine "Bilder strahlen die Magie des entscheidenden Augenblicks aus", schreibt der "Spiegel" in einem Artikel zu Macks Tod. Darin lässt das Magazin Ulrich Macks Leben im Schnelldurchlauf Revue passieren, berichtet von seinen fotografischen Anfängen und seinem ersten großen Auftrag, bei dem er John F. Kennedy während einer Deutschlandreise ablichtete. Ein für das Magazin "Twen" veröffentlichter Bild-Essay war es, der ihm zu internationalem Ruhm verhalf: "1964 war er auf einer Reportagereise nach Sansibar im heutigen Tansania in einen Militäraufstand geraten. Mit dem italienischen Filmemacher Gualtieri Jacopetti wurde er an die Wand gestellt. Dass sie keine Briten waren, rettete ihnen das Leben. Nach den dramatischen Ereignissen lud Jacopetti Mack ein, am Mount Kenya wilde Mustangpferde zu fotografieren." Für diese Bilder wurde der Fotograf 1964 bei den World Press Photo Awards ausgezeichnet, weitere Preise sollten folgen. Gestorben ist Ulrich Mack am Ostermontag in Hamburg – dort, wo seine fotografische Karriere an der Hochschule für bildende Künste begann. 

Ausstellung

Vor der Venedig-Biennale, wo Kurator Adriano Pedrosa einen Fokus auf die lateinamerikanische Moderne legt, lohnt vielleicht ein Blich auf die gerade eröffnete Ausstellung "Crafting Modernity" im New Yorker Museum of Modern Art. "Die Schau ist ein Juwel", schreibt Michael Kimmelman in der "New York Times". "Sie konzentriert sich auf Wohndesign aus sechs Ländern (Kolumbien, Argentinien, Brasilien, Mexiko, Chile und Venezuela), das zwischen 1940 und 1980 entstand. Lateinamerika befand sich damals in einer Phase der Transformation, der industriellen Expansion und der Kreativität. Überall in der Region wurde Design als Beruf institutionalisiert und eröffnete neue Möglichkeiten, insbesondere für Frauen. Der Modernismus war die ästhetische Leitlinie." Kimmelman kann sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine solche beeindruckende Auswahl an schönen Sitzmöbeln gesehen hat. Doch schaue man heute auch nostalgisch auf dieses Design: "In den späteren Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts legten wirtschaftlicher Niedergang und Repression einen Großteil der Region lahm, zum Teil auf Betreiben der C.I.A. Handelsabkommen wie NAFTA dezimierten viele kleine, ländliche Unternehmen, und die Globalisierung richtete weitere Verwüstungen an. Das Wissen um das, was kommen wird, verleiht den gezeigten Arbeiten eine gewisse Melancholie."

Podcast

Der mutmaßlich schlechteste Künstler der Staaten gilt heute als berühmtester Vertreter der Pop-Art nach Andy Warhol: Zum 100. Geburtstag von Roy Lichtenstein denken Florian Illies und Giovanni di Lorenzo in ihrem "Zeit"-Podcast mit dem verwirrenden Titel "Augen zu" darüber nach, was den US-Maler ausmacht.

Film

Morten Freidel hat sich für die "NZZ" die neue TV-Dokumentation "Außer Dienst? Die Gerhard-Schröder-Story", die am kommenden Montag in der ARD zu sehen sein wird, angeschaut und findet, dass darin die falschen Fragen gestellt werden. In dem filmischen Porträt begleitet Regisseur Lucas Stratmann den Altkanzler über mehrere Monate. "Er fragt Schröder immer wieder, ob er Entscheidungen seiner politischen Laufbahn heute anders bewerte, vor allem sein enges Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Altkanzler tut es nicht. Keine Einsicht, nirgends. Nicht einmal der russische Überfall auf die Ukraine brachte Schröder davon ab, sein Engagement für den russischen Energiekonzern Gazprom zu beenden." Mit der SPD und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock gehe er hart ins Gericht. Dabei wirke Gerhard Schröder in dem Film keineswegs unsympathisch, so Freidel: "Er ist erfrischend schlagfertig und ehrlich." Ihn störe allerdings die moralische Fragerei, Freidel bilanziert: "Relevanter wäre es gewesen, Schröder nach seinen entscheidenden innen- und außenpolitischen Weichenstellungen zu fragen. Zum Beispiel: War es richtig, Deutschland in der Energiepolitik auf Jahre hinaus abhängig zu machen von billigem russischem Erdgas? War es richtig, auf eine Pendeldiplomatie zwischen Russland und den USA zu setzen, statt sich eindeutig auf die Seite des transatlantischen Bündnisses zu stellen? All diese Fragen stellen sich für Deutschland auch heute noch, und insbesondere für die SPD. Stratmann wirft sie aber nicht auf. Und so ist sein Film nicht allein eine Parabel über die Stärken und Schwächen eines Altkanzlers. Sondern auch darüber, wie nachlässig Deutschland insgesamt mit entscheidenden Zukunftsfragen umgeht."

In einem Auftritt in der US-"Late Show" hat Schauspielerin Hannah Waddingham Anfang der Woche von verstörenden Erlebnissen am Set von "Game of Thrones" erzählt, wie der "Spiegel" berichtet. "In der Serie spielte sie die Septa Unella, eine Geistliche, deren erster großer Auftritt in der fünften Staffel kommt, als sie Cersei Lannister nackt durch die Straßen führt und immer wieder 'Schande' ruft. Doch Cersei bekommt ihre Rache: Am Ende von Staffel sechs lässt sie Unella gefangen nehmen und foltert sie, indem sie die auf ein Brett Gefesselte immer wieder mit Wein übergießt." Es sei diese Szene gewesen, die ihr so schlimm in Erinnerung geblieben sei. In der "Late Show" sagte Waddingham zu Talkmaster Stephen Colbert, dass es sich um "echtes Waterboarding" gehandelt habe. "Zehn Stunden lang hätten die Dreharbeiten gedauert. Seither leide sie an chronischer Klaustrophobie, so Waddingham." Bereits in früheren Interviews hatte Waddingham die Folter thematisiert. Der Website "Collider" erzählte sie 2021: "Abgesehen von der Geburt meines Kindes, war das der schlimmste Tag in meinem Leben."