Medienschau

Eine Hierarchie der Taten

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Debatte über Gedenkkultur, die König Galerie in München und ein geplantes Leonardo-da-Vinci-Biopic hat einen Regisseur: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Debatte

Zum Tag der Arbeit schaut Simone Dede Ayivi  in ihrer "taz"-Kolumne auf die Situation freier Künstlerinnen und Künstler: "In der Kunst verdienen sehr wenige Kol­le­g*in­nen sehr viel Geld, während die meisten am Existenz­minimum leben. Dagegen etwas zu sagen hieße sich einzugestehen, dass man zur ersten Gruppe wohl nie gehören wird. In einem besorgniserregenden Interview auf dem Portal "Nachtkritik" verwies Berlins Kultursenator Joe Chialo darauf, dass Mozart arm gestorben sei und dass 'Künstler in Afrika' ja auch nicht staatlich gefördert werden, jedoch vor 'Blechhütten' tanzen und damit auf Tiktok viral gehen. Aha. Mozart starb 1791, und Chialo ist Kultursenator von Berlin. Trotzdem waren das seine Referenzpunkte, als er im Dezember darauf angesprochen wurde, dass der Rat für die Künste vor einem drohenden kulturellen Kahlschlag in Berlin warnt."

Etwas versteckt vor der Öffentlichkeit brodelt eine Debatte zur deutschen Gedenkkultur: Auf der einen Seite Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die eine neue Vision zur Erinnerungskultur vorgelegt hat, auf der anderen Seiten die Gedenkstätten, die sich dagegen auflehnen. Ulrike Knöfel fasst im "Spiegel" die Debatte zusammen. "Was die Fachleute störte? Die Kulturstaatsministerin wollte in ihrem Entwurf das erinnerungspolitische Sortiment diversifizieren. Das heißt: In der Konzeption für die Gedenkstätten sollten zum Beispiel die Morde der NSU einen Platz finden – und Verbrechen, die im Namen des Kolonialismus verübt würden." Strittig sei vor allem die Forderung nach einer Hierarchie der Taten: "So nennen die Leitlinien eine Bedingung: Die Anerkennung der kolonialen Verbrechen solle 'unter der Voraussetzung geschehen, dass die NS-Verbrechen damit nicht relativiert werden und das SED-Unrecht nicht bagatellisiert wird'. Mehr noch: Die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Regimeverbrechen müsse eine 'gegenüber anderen Epochen und Verbrechenskomplexen eine herausgehobene Stellung einnehmen'. Für viele Historiker ist diese Sicht eine Selbstverständlichkeit, aber nicht für alle. Wie werden jene kontern, die finden, dass koloniale Verbrechen mit Verweis auf den Holocaust heruntergespielt werden? Die denken, dass im weiteren Zusammenhang auch der heutige Nahostkonflikt mit Naziverbrechen gleichgesetzt oder zumindest verglichen werden sollte?"

Kunstmarkt

Aurélie Tanaqui ergreift im "Handelsblatt" Partei für einen weiter deregulierten Kunst- und Antiquitätenmarkt und findet gar nicht genug drastische Worte, um die Auswirkungen einer neuen EU-Richtlinie zur Einfuhr von Kulturgütern zu beschreiben: "von neuen Vorschriften drangsaliert", "mit dramatischen Auswirkungen", "die erste Schlacht gewonnen", "alamierter Kunsthandel". Die schier untragbare Last: Nach der neuen Verordnung müssten bei der Einfuhr von Kulturgütern Import- und Exportdokumente vorgelegt werden. Klingt doch erstmal vernünftig, was ist das Problem? "In den 1990er-Jahren hatten einige Länder ihre Ausfuhrbestimmungen verschärft und fordern immer häufiger die Rückgabe ihres unrechtmäßig ausgeführten Erbes. Dessen Legitimität zu ermitteln kann allerdings kafkaesk anmuten. Mitunter sind keine Informationen ermittelbar, die die Legalität der ursprünglichen Ausfuhr beweisen." Pierre Valentin, Vorstandsvorsitzender des World Monuments Fund Britain, meint: "Nur weil ein Gegenstand eine Ausfuhrgenehmigung hat, bedeutet das nicht, dass er nicht gestohlen wurde. Und umgekehrt gilt: Wenn man keine Ausfuhrlizenz hat, ist die Herkunft deswegen nicht schlecht." Aber einen Versuch wäre es vielleicht wert, no?

Evelyn Vogel berichtet in der "SZ" über neue Räume der König Galerie im Bergson Kunstkraftwerk in München: "Um das Bergson überhaupt und mit ihm die neue Galerie attraktiv zu machen, braucht es zugkräftige Namen. Und die hat - trotz der Abgänge nach den MeToo-Vorwürfen - Johann König noch immer. Der Österreicher Erwin Wurm beispielsweise, mehrfacher Biennale-Teilnehmer, der mit seinen hintergründigen Skulpturen gerade St. Agnes von König Berlin bespielt. Oder die junge italienische Performance- und Installationskünstlerin Agnes Questionmark, die auf der aktuellen Biennale vertreten ist, und der König am Standort Berlin-Telegraphenamt derzeit eine Solo-Ausstellung ausrichtet. Man kann wohl erwarten, dass Arbeiten der beiden und vieler anderer aus dem König-Portfolio demnächst auch in München zu sehen sein werden."

Seine 23 Lieblingsstände auf der Kunstmesse Frieze New York listet Kritiker Holland Cotter in der "New York Times" auf.

Film

Andrew Haigh, der Regisseur von "All of Us Strangers", dreht einen Film über das Leben von Leonardo da Vinci, berichtet "Variety". Es basiert auf Walter Isaacsons viel gelobter Biografie des Renaissance-Künstler. Nachdem das Buch 2017 auf den Markt kam, habe Paramount das Projekt jahrelang mit Leonardo DiCaprio entwickelt, bevor es auf Eis gelegt wurde. "Universal hat es im letzten Jahr still und leise aufgegriffen." 

Schauspielerin Kristen Stewart  und ihr Kollege Oscar Isaac sollen in dem geplanten Horrorfilm "Flesh of the Gods" ein Ehepaar spielen, das sich allabendlich in die 1980er-Jahre Nachtclubszene von Los Angeles begibt. Über eine mysteriöse Bekanntschaft geraten sie in eine Unterwelt von Glamour, Genuss und Gewalt, wie die Produzenten laut "Hollywood Reporter" mitteilten. Regie führt der Kanadier Panos Cosmatos, der zuvor Nicolas Cage für den Horror-Film "Mandy" vor die Kamera holte. "Flesh of the Gods" werde die Zuschauer auf eine Spritztour "in das glitzernde Herz der Hölle" mitnehmen, sagte Cosmatos. Die Dreharbeiten sollen noch in diesem Jahr anlaufen. Das Skript stammt von Andrew Kevin Walker, der die Drehbücher für brutale Thriller wie "Sieben" (1995) oder "Der Killer" (2023) lieferte.