Debatte
Normalerweise würde man sich rund zwei Jahre vor einer Documenta eher in die Zukunft als in die Vergangenheit orientieren. Doch die letzte Ausgabe der Weltkunstschau hallt wegen des Antisemitismus-Skandals noch immer nach, Gegner und Verteidiger der Documenta Fifteen stehen sich dem Anschein nach unversöhnlicher gegenüber denn je. Nun ist der Band "Kunst im Streit" von den Herausgebern Meron Mendel und Heinz Bude erschienen, der sich noch einmal wissenschaftlich mit der Kontroverse auseinandersetzt und verschiedene Aspekte der Geschehnisse im Sommer 2022 untersucht. Im Gespräch mit dem WDR erklärt Heinz Bude, Soziologe und Gründungsdirektor des Documenta-Instituts, das Hauptinteresse des Bandes. Es gehe darum zu erforschen, was sich aus dem "perfekten Sturm" der Documenta über eine Zukunft in Deutschland, nicht nur im Kulturbetrieb, lernen lasse. In einer immer internationaler werdenden Gesellschaft würden laut Bude die "gefährlichen Begegnungen", wie sie die antisemitische Karikatur auf dem Banner des indonesischen Kollektivs Taring Padi verkörpere, eher noch zunehmen.
Museen
Nach den Unruhen in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen um die Rückgabe von Raubkunst tauscht Bayerns Kunstminister Markus Blume den Chef des Museumsverbundes aus. Jörg Häntzschel, der mit seinen Recherchen die Debatte gestartet hatte, kommentiert den Abgang von Bernhard Maaz in der "SZ": "Leiten wird die Staatsgemäldesammlungen nun interimsmäßig Anton Biebl, Münchens bisheriger Kulturreferent. Maaz wurde schon länger kritisiert. Und Biebl stand bereits als 'Change Manager' für Bayerns staatliche Museen fest: Er sollte die geplante 'Museumsoffensive' leiten, ein Programm, mit dem die Museumslandschaft in Bayern neu aufgestellt werden soll. Maaz war bei diesem Erneuerungsprogramm, einem von Blumes Großprojekten, eher hinderlich. Dennoch hatten viele nicht mehr mit einem so deutlichen Schritt Blumes gerechnet." Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen hatten eine große Geschichte, erinnert Patrick Guyton in der "FR". "Man war stolz und mit elitärem Selbstbewusstsein ausgestattet, da man Stätten von Weltrang bespielte wie die Alte und Neue Pinakothek sowie die Pinakothek der Moderne. Minister Blume bezeichnet sie nun aber als eine Art antiquierte 'Behörde', von deren Struktur und Arbeitsweise man wegkommen müsse. Bei deren labyrinthischen Unterabteilungen muss es über die Jahre zu gewaltigen Fehlentwicklungen gekommen sein, ist aus Blumes Sätzen herauszuhören. Er meint, es sei 'viel aufgelaufen', von dem er erst 'in den letzten Monaten erfahren' habe. Was ihm da bekannt wurde, 'das lässt mich schlecht schlafen'. Übersetzt heißt das in etwa, und so sieht es auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Sanne Kurz: interner Machtmissbrauch, Mobbing, Bedrohungen – 'sehr schlimme Missstände', sagt Kurz der FR."
Der Direktor des Washingtoner National Museum of African American History and Culture (NMAAHC), Kevin Young, ist seit dem 14. März für unbestimmte Zeit im Urlaub. Die "Washington Post" suggeriert in der Überschrift und im Text einen Zusammenhang mit dem kürzlich erlassenen Dekret von Donald Trump, der eine Umstrukturierung der bundesbehördlichen Smithsonian-Institutionen fordert, zu denen auch das NMAAHC gehört. Konkrete Hinweise dafür gebe es aber nicht, zumal die Beurlaubung vor dem Dekret erfolgte. "Mit Youngs unbefristeter Abwesenheit von einer der meistbesuchten Institutionen des Smithsonian bleiben jedoch zwei der drei von Trumps Anordnung betroffenen Museen ohne ständigen Leiter. Das eine, das Smithsonian American Art Museum, hat seinen Direktor im letzten Sommer entlassen. Das dritte, das künftige American Women's History Museum, hat letztes Jahr eine neue Leiterin ernannt." Young, der das Museum seit 2021 leitet, trat seine Position nach der Ernennung von Lonnie G. Bunch III zum Smithsonian-Präsidenten an. Shanita Brackett wurde als kommissarische Direktorin eingesetzt.
Architektur
Der britische Architekt David Chipperfield kritisiert den Hang zu Luxusbauten in der Architektur. "Eigentlich müssten wir anhalten, tief durchatmen und fragen: Was macht eine gute Gesellschaft aus?", sagte der 71-Jährige im Interview des "Zeitmagazins". Seine Antwort: "Bezahlbare Wohnungen, gute Schulen, öffentliche Plätze und eine soziale Infrastruktur." Was jedoch gebaut werde, seien teure Gebäude für reiche Leute: "Sorry", sagte Chipperfield, "ich baue sie ja auch. Ich baue Wohnungen in Miami. Ich baue Hotels in Hamburg." Er könne nicht einfach sagen: "Stopp, wir machen jetzt nur noch nachhaltige Projekte." Dafür fehlten die Kunden. "Als Architekturbüro befinden wir uns in einer heuchlerischen Position", führte er aus. "Eigentlich wissen wir, was zu tun ist, und doch tun wir es nicht." Je älter er werde, desto mehr frage er sich, wie er seine Position nutzen könne, sagte er im Interview. Derzeit verwende er den Großteil seiner Zeit darauf, den Straßenverkehr in galicischen Dörfern zu verlangsamen. In Santiago de Compostela eröffnete Chipperfield kürzlich den neuen Sitz seiner gemeinnützigen Stiftung Fundación RIA. Chipperfield hat 2023 den renommierten Pritzker-Architekturpreis gewonnen. In Deutschland ist er vor allem für die Sanierung der Neuen Nationalgalerie und den Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin bekannt. Sein Büro hat auch den unvollendeten Elbtower in Hamburg entworfen.
Ausstellung
Der Berliner Winter ist schlimmer als der in der finnischen Arktis. Diese vielleicht etwas überraschende Aussage der Künstlerin Emilia Tikka wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass der hohe Norden Schnee und klirrende, klare Kälte bereithält, während in der Hauptstadt halbwarmes Grau dominiert. Gut also für Tikka, dass sie in letzter Zeit oft in der Arktis war, wie Robert Klages im "Tagesspiegel" berichtet. Für eine Ausstellung in der Schering Stiftung Berlin hat die Künstlerin zusammen mit einem samischen Hirten die Migrationsrouten von Rentieren erforscht. Diese ließen laut Emilia Tikka auch Rückschlüsse auf die Relevanz indigenen Wissens in Zeiten des Klimawandels zu. "Die Künstlerin wagt auch einen Blick in die Zukunft: Ein Kollaps des Golfstroms wird visualisiert. Ein Szenario, wie es laut Klimaprognosen weite Teile Nordeuropas treffen und ganze Regionen unbewohnbar machen könnte. Einzig die Erinnerungen der Sami und der Rentiere wären noch da und könnten diese zurück auf ihre angestammten Pfade bringen. Tikkas Film, eine Art Utopie, spielt im Jahre 2102 und beschäftigt sich mit biowissenschaftlichen Methoden. Können Erinnerungen an vergangene Lebensweisen zurückgeholt werden?"
Film
Der italienische Starregisseur Nanni Moretti ist Medienberichten zufolge mit einem schweren Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden. Wie mehrere Zeitungen berichteten, wurde der 71 Jahre alte Filmemacher danach in einer Klinik in Rom operiert. Eine Bestätigung von Morettis Management gab es noch nicht. Moretti hatte bereits im Oktober vergangenen Jahres einen Herzinfarkt erlitten und musste im Krankenhaus behandelt werden. Am Mittwochabend hätte er in Rom eigentlich an der Eröffnung einer französischen Filmwoche teilnehmen sollen. Die Veranstalter teilten jedoch kurz vor Beginn des Films mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein könne. Die Filmwoche findet im Kino "Nuovo Sacher" statt, das Morettis Produktionsfirma "Sacher Film" gehört. Moretti wurde 1953 in Bruneck in Südtirol geboren. Er gehört zu den wichtigsten Filmemachern Italiens. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören "Liebes Tagebuch" (1993), "Der Italiener" (2006) und "Habemus Papam - Ein Papst büxt aus" (2011). Mit "Goldene Träume" (1981) gewann er den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig. Nächster Karrierehöhepunkt war die Verleihung des Silbernen Bären bei der Berlinale 1985 für "Die Messe ist aus".