Medienschau

"Berlin macht dem Rest der Republik gerade vor, wie es auf gar keinen Fall geht"

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Käufer von "Comedian" will 100.000 weitere Bananen erstehen, Reaktionen auf Nan Goldins Zensurvorwurf und ein Loblied auf das Bauhaus: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Nan Goldin behauptet, die Neue Nationalgalerie hätte ein Werk ihrer Ausstellung dort zensiert. Sie hatte ihrer Arbeit "Ballade der sexuellen Abhängigkeit" ein neues Dia hinzugefügt, auf dem die Künstlerin ihre Solidarität mit den Menschen in Gaza, im Westjordanland und im Libanon erkläre. Das sei vom Museum entfernt worden. Richtig so, kommentiert Andreas Kilb in der "FAZ", denn das sei "keine künstlerische Intervention, sondern ein Stück Agitation. Diese Agitation hat Goldin in ihrer Eröffnungsrede betrieben, in der Ausstellung, die ihr Lebenswerk würdigt, hatte sie nichts zu suchen." So werde immer wieder "die Cancel-Karte" hervorgezogen, "wenn der antiisraelische Aktivismus irgendeinen Widerspruch erfährt. Vielleicht sollte jemand Nan Goldin erklären, dass die Privatmeinung einer berühmten Künstlerin noch keine Politik ist und der 'Raum für Trauer', den sie einfordert, allen Opfern des Nahostkonflikts gebührt." Nicola Kuhn schaut im "Tagesspiegel" anlässlich der Vorwürfe von Nan Goldin auf die Beziehung der Künstlerin zu Nationalgaleriedirektor Klaus Biesenbach: "Rückblickend nennt die Künstlerin die Replik des Nationalgalerie-Direktors abfällig 'seine Litanei (…) - um die Machthaber zu beschwichtigen'. Der Bruch mit ihm als einstigem Mitglied ihrer 'chosen family', als das sich Biesenbach in seiner Eröffnungsrede noch nostalgisch wähnte, ist damit endgültig vollzogen. Die Ausstellung sei für sie ohnehin zweitrangig gewesen, so Goldin. Nur wegen der Rede habe sie nicht abgesagt, diese diente ihr als 'Test'."

Dirk Knipphals tadelt in der "taz" den Berliner Senat für die Art und Weise, wie er in der Kulturszene seine Sparpläne durchsetzt: "an allen Institutionen vorbei, ohne fachliche Expertise, von oben herab. Zynisch gesagt: Berlin macht dem Rest der Republik gerade vor, wie es auf gar keinen Fall geht. Man stelle sich vor: Eine Institution fragt vorsorglich bei der für sie zuständigen Behörde an, ob sie eine freie Stelle besetzen kann. Sie bekommt grünes Licht, besetzt die Stelle und erfährt am nächsten Tag aus der Zeitung, dass die ganze Institution abgewickelt werden soll. Anderes Beispiel: Eine Jury soll zusammenkommen, um über kulturelle Stipendien für 2025 zu entscheiden. 2025 ist bald. Doch die Jury weiß noch nicht einmal, wieviel Geld sie verteilen soll." Ronya Othmann fragt sich in der "FAS", "warum für gewisse Dinge dann doch Geld da ist. Warum beispielsweise skurrile Pilotprojekte wie die Wassertaxis in Spandau – immerhin zwei Millionen Euro pro Jahr – oder die 1,56 Millionen teure Umzäunung des Görlitzer Parks von Kürzungen verschont bleiben. Zum Vergleich: Das Haus für Poesie hatte vor den Kürzungen einen Jahresetat von circa 1,8 Millionen Euro." 

Kunstmarkt

Ein Obststand in der Upper East Side von Manhattan ist zu einem unwahrscheinlichen Kreuzungspunkt von millionenschwerer Kunst und Einzelhandel geworden: Die "New York Times" hatte herausgefunden, woher die Banane stammt, die bei der Sotheby's-Auktion als Maurizio Cattelans Kunstwerk "Comedian" für 6,2 Millionen Dollar versteigert worden ist: von einem Obststand vor dem New Yorker Hauptsitz des Auktionshauses. Justin Sun, der chinesische Käufer der Banane, kündigte jetzt auf X an, er wolle 100.000 Bananen - oder Produkte im Wert von 25.000 Dollar - von dem Stand kaufen. Doch vor Ort an der Ecke East 72nd Street und York Avenue, prallt dieses Angebot auf die Lebenswirklichkeit eines Straßenverkäufers in New York City, schreibt die "New York Times" in einem weiteren Artikel: "Es würde Tausende von Dollar kosten, so viele Bananen auf einem Großmarkt in der Bronx zu beschaffen, sagte Shah Alam, der 74-jährige Angestellte aus Bangladesch, der die Originalbanane verkaufte" Außerdem wäre es nicht einfach, so viele Bananen zu transportieren, die in Kisten mit etwa 100 Stück geliefert werden. Shah Alam selbst hätte übrigens gar nichts von der Aktion, weil jeglicher Gewinn dem Besitzer des Standes zustehe, nicht ihm. Der Besitzer wiederum sagte der Zeitung, dass er den Gewinn zwischen sich, Alam und den sechs weiteren Mitarbeitern aufteilen würde.

Design

Während in Deutschland, der Heimat des Bauhaus, über das Erbe der legendären Schule gestritten wird, weiß man anderenorts die Errungenschaften der Institution zu schätzen. "Als ich in den späten 1970er-Jahren nach New York kam, wurden Nachbauten von Bauhaus-Möbeln manchmal auf die Straße geworfen", erinnert sich Hal Foster in der "London Review of Books", "aber heute sind sie teure Artikel auf eBay und entfernte Nachfahren können billig bei Ikea gekauft werden. Das turbulente Leben eines fiktiven Bauhauslers im amerikanischen Exil ist sogar das Thema eines neuen dreieinhalbstündigen Films mit dem Titel The Brutalist. Aber vielleicht ist das nur eine vorhersehbare Geschmacksveränderung. Viel wichtiger ist, dass angesichts der Klima- und Wohnungskrise eine Rückbesinnung auf die Bauhaus-Prinzipien des minimalen Wohnens und der sozialistischen Typisierung dringend notwendig ist." 

Museen

Das Wiener Belvedere hat das Interesse seiner Besucher vermessen: Eye-Tracking-Brillen geben Aufschluss über den Fokus ihrer Aufmerksamkeit beim Betrachten von Kunst. "So mag erst einmal überraschen, dass die Betrachter ein Bild von Friedrich Alois Schönn elfmal länger ins Visier nahmen als eins von dem ungleich berühmteren Vincent van Gogh, dabei sind beide Werke fast zur selben Zeit, nämlich 1883 und 1884 entstanden", fasst Ulrich Seidler in der "Berliner Zeitung" zusammen. "Hat es etwas mit dem Motiv zu tun? Bei dem Van Gogh’schen Bild handelt es sich um ein 'Stillleben mit fünf Flaschen', das möglicherweise auf weniger Interesse stößt als die historischen Szenen, die sich bei Schönns 'An der lateinischen Brücke von Sarajewo' abspielen."