Medienschau

"Ostdeutsche Kunst ist nichts Schlimmes"

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Ostdeutsche wollen DDR-Kunst sehen, Ausstellungshäuser vermieten Räume und Renommee, und Jens Balzer über die Fixierung auf den Begriff des Indigenen: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Museen

Museum zu vermieten: Die wie immer gut informierte Olga Kronsteiner berichtet im "Standard", wie das Wiener Bank-Austria-Kunstforum, das Wiener Künstlerhaus und offenbar sogar das von deutschen Steuergeldern für seine Unabhängigkeit bezahlte öffentliche Bayerische Nationalmuseum Ausstellungsfläche (und damit institutionelles Renommee) gegen Geld Externen überlässt: "Es ist eine Nische, die sich im Windschatten des regulären Museumsbetriebs entwickelte, der sich Personalen zuweilen ebenso von kommerziellen Galerien, etwa internationalen Größen wie Ropac oder Pace, kofinanzieren lässt. Und es ist ein Konzept, das effektiv zur Vermarktung von Kunstschaffenden beiträgt: um eine Anerkennung in professionellem Umfeld zu suggerieren, die ihnen in der akademischen Fachwelt verwehrt bliebe. Ein Zugewinn fürs Image, im Idealfall auch für den Marktwert." Im Kunstforum dabei wieder Künstler der umtriebigen Düsseldorfer Galerie Geuer & Geuer, die auch im Museum Osthaus im Hagen auffällig oft zu sehen sind, wie Monopol berichtete.

Kunst aus der DDR gehöre nicht in Depots, sondern in aktuelle Ausstellungen, findet in einer MDR-Umfrage die Mehrheit der potenziellen Besucher. "Dabei gehen die Meinungen der Experten weit auseinander, welche DDR-Kunst tatsächlich in Ausstellungen gewürdigt werden soll." Zu Wort kommen unter anderem Hilke Wagner als Direktorin des Albertinums Dresden und Annegret Laabs als Direktorin des Kunstmuseums Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg. "Ostdeutsche Kunst ist nichts Schlimmes, tut nicht weh und soll und darf auch zum Streit herausfordern, wichtig ist aber: Sie ist Teil unserer ostdeutschen Identität, und deswegen muss sie sichtbar sein", meint Thomas Bauer-Friedrich, Leiter des Kunstmuseums Moritzburg Halle.

Interview

Poptheoretiker Jens Balzer hat mit "After Woke" ein Buch über die Linke nach dem 7. Oktober geschrieben. Der Essay sollte auch die institutionelle Kunstwelt interessieren, zum Beispiel wenn es um den Hype indigener Kunst geht: "Ich glaube, mit dieser gegenwärtig grassierenden Fixierung auf den Begriff des Indigenen kommen wir nicht weiter", sagt der Autor im "Berliner Zeitung"-Interview mit Susanne Lenz. "Im Gegenteil: Wir müssen 'das Indigene' dekonstruieren. Seine Romantisierung führt dazu, dass Identitäten nur von der Vergangenheit her gedacht werden. Und das ist letztlich genau das gleiche Denkmuster, das die neuen Rechten und Rechtspopulisten pflegen. Bei ihnen ist kulturelle oder ethnische Identität auch etwas Homogenes und wird territorial, also von der Scholle her gedacht. Das war im Postkolonialismus mal anders, etwa bei Denkern wie Stuart Hall, bei Paul Gilroy oder Édouard Glissant. Bei ihnen sind Identitäten etwas Fließendes, und der Reichtum der postkolonialen Kultur besteht gerade in der Vermischung, der Hybridität."

Der Schweizer Jetset-Kurator Hans Ulrich Obrist darf schon wieder seinen Werdegang ausbreiten, diesmal in einem langen Interview mit Laura Weißmüller in der "SZ". Es geht erneut auch um sein Schlafregime: "Früher habe ich nur vier bis fünf Stunden pro Nacht geschlafen, aber vor zehn Jahren brauchte ich dann mehr Schlaf. Weil mir ein Assistent erzählt hatte, dass er tagsüber nicht arbeiten kann, da er das Tageslicht nicht aushält, kam mir die Idee, zwei Dinge gleichzeitig zu lösen. Einerseits konnte ich für diesen wunderbaren Assistenten eine Stelle schaffen, andererseits hatte ich dadurch einen Nachtassistenten. Für meine Bücher, Recherchen und Publikationen. Ich sehe ihn immer um elf Uhr abends, was auch bedeutet, dass ich nie lange bei irgendwelchen Eröffnungen und Partys rumhänge, sondern immer um 22.30 Uhr nach Hause gehe. Um 23 Uhr arbeiten wir eine Stunde zusammen, danach gehe ich schlafen. Am Morgen telefonieren wir wieder miteinander, dann ist alles gelöst und der Tag kann beginnen." Jeder Mensch sollte einen Nachtassistenten haben - vielleicht bald als KI? 

Restitution

Ein Ingenieur aus Illinois und eine Pastorin aus Connecticut haben in der vergangenen Woche eine Raubkunst-Zeichnung von Egon Schiele an die Nachkommen von Fritz Grünbaum zurückgegeben. Der jüdische Kabarettist und Sammler Grünbaum war 1938 von den Nazis in Haft genommen worden. Später hat seine Frau die Kunstsammlung an die Nationalsozialisten übergeben müssen. 1941 wurde Grünbaum im Konzentrationslager Dachau ermordet. "Nach dem Krieg handelte ein Schweizer mit Werken aus Grünbaums Besitz, und so landeten die Bilder auf unterschiedlichen Wegen in Galerien und Privathäusern in den USA, schreibt "FAZ" -Korrespondentin Frauke Steffen. "Den neuen Eigentümern war nicht klar, dass die 'Sitzende nackte Frau' Schieles einem Mann gehört hatte, der während des Holocaust ermordet worden war. Die beiden Ärzte Ernst und Helene Papanek waren selbst von den Nazis als Juden verfolgt worden, aber ihnen war die Flucht gelungen. Mit ihrem Sohn waren sie 1938 erst nach Frankreich, 1940 dann nach New York entkommen. Später kauften sie die Kohlezeichnung von Schiele dort für 4000 Dollar von Otto Kallir von der Galerie St-Etienne. Schiele fertigte mehrere Bilder mit demselben Titel an; der Wert dieses Werks soll bei mindestens einer Million Dollar liegen." Die Enkel des Ehepaars Papanek (also der Ingenieur und die Pastorin) sagten jetzt, sie wollten die "Sitzende nackte Frau" zurückgeben, weil sie damit das Richtige täten.