Medienschau

"Nicht lustig, sondern abscheulich"

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Der britische Innenminister regt sich über Banksys Flüchtlingsboot auf, Künstler lieben das soziale Netzwerk Cara und das neue Bergson-Kunstkraftwerk in München: Das ist unsere Presseschau am Dienstag

Malerei

Anne Reimers porträtiert in der "FAZ" drei Künstlerinnen, die "zu den gefragtesten Malerinnen ihrer Generation" gehören: "Flora Yukhnovich in London, Ewa Juszkiewicz in Warschau und Jesse Mockrin in Los Angeles eignen sich auf je eigene Weise die europäische Kunstgeschichte von der Renaissance bis ins frühe 19. Jahrhundert an – und verbinden sie mit heutigen Sensibilitäten." Bei allen Unterschieden sieht Anne Reimes doch Parallelen in der Arbeit der drei Malerinnen: "Gemeinsam ist ihnen  die umfassende kunsthistorische Recherche. Sie hinterfragen geschlechtsspezifische Stereotype, Ideale sowie Machtstrukturen in den Beziehungen zwischen Subjekt, Maler und Betrachter."

Street-Art

Banksys Flüchtlingsboot auf dem Glastonbury-Festival am Wochenende (siehe Medienschau von gestern) ist nun eine Staatsangelegenheit: Der britische Innenminister James Cleverly hat das Schlauchboot mit lebensgroßen Puppen in Schwimmwesten, das über den Köpfen des Publikums getragen wurde, bei Sky News als "nicht lustig, sondern abscheulich" bezeichnet. Nach dem Einwurf des Moderators, dass das Kunstwerk wahrscheinlich nicht komisch gemeint ist, sondern ein Kommentar zu der Unfähigkeit des Innenministers, Lösungen für die Situation der Migranten zu finden, sagte Cleverly, er sei dazu entschlossen, Schleuser zu stoppen. Banksy-Werk aber laufe darauf hinaus, "Witze zu machen und das Problem zu feiern".

Social Media

Nachdem der Facebook-Konzern Meta angekündigt hatte, Daten seiner Nutzer für das Training der hauseigenen KI zu nutzen, sind Hunderttausende Künstler von Instagram geflohen – und zu der alternativen Social-Media-Plattform Cara abgewandert. "Cara ist Teil einer Anti-KI-Bewegung, die der Industrialisierung der Kulturproduktion etwas entgegensetzen will", schreibt Adrian Lobe im "Tagesspiegel". "In New York gibt es mit dem 'Luddite Club' – benannt nach dem Weber Ned Ludd, der 1811 im englischen Nottingham aus Protest Webstühle zerstört haben soll – eine Gruppe junger Menschen, die digitalen Medien abgeschworen haben und sich regelmäßig zu Offline-Aktivitäten in Parks treffen: lesen, diskutieren, musizieren. Auf Instagram trenden Hashtags wie '#antiai' und '#noai' Es gibt aber noch weitaus subversivere Formen des Protests. So bearbeiten Künstler ihre Bilder mit Werkzeugen wie 'Glaze' oder 'Nightshade', um sich gegen den Raubbau an ihrem geistigen Eigentum zu schützen. Dabei wird durch eine – für das menschliche Auge nicht sichtbare – Veränderung der Pixelstruktur eine Art Schleier über das Bild gelegt, damit dieser für die Maschine unlernbar wird. Das hat den Vorteil, dass man nicht seinen ganzen Account löschen muss und weiter sichtbar für die Öffentlichkeit bleibt."

Kunst im öffentlichen Raum

Nachdem der Künstler Roman Signer vor vier Jahren ein Auto im Schlossteich Chemnitz halb versenkt hat (was Aufregung und Vandalismus provozierte), steht nun ein gefluteter BMW in der Chemnitzer Innenstadt: "Der abgedichtete, mit 1600 Litern Wasser gefüllte und in Intervallen die Frontscheibe wischende BMW ist eine Installation des Künstlerinnenduos Haubitz + ­Zoche, Teil der Ausstellung 'New ­Ecologies. Gegenwarten II'", weiß Paul Linke in der "Berliner Zeitung". Die Chemnitzer scheinen wenig gnädig, was Gegenwartskunst angeht: "Mit Autos macht man keine Scherze in Chemnitz, auch keine Kunst. Und am besten sollte gleich darauf verzichtet werden, Kunst zu machen, die Autofahrern noch mehr als nur Steuergelder rauben. Wie dieser 14 Meter lange und damit originalgroße Abguss eines Walkadavers, der seit ein paar Tagen in einer Tiefgarage liegt, so wie er an der Küste Südafrikas angespült worden war. Noch so eine Folge des Klimawandels. Nun ist Südafrika ziemlich weit weg von Chemnitz. Eine sächsische Tiefgarage ist kein natürlicher Lebensraum für Wale, vor allem nicht für tote. Groß war jedenfalls die Aufregung, weil der Kadaver gleich mehrere Parkplätze blockierte." 

Städtebau

Adrian Kreye berichtet in der "SZ" über das neue Bergson-Kunstkraftwerk in Aubing weit im Westen von München, in dem unter anderen auch die König Galerie aus Berlin Räume eröffnen wird: "Privat finanziert (von den Brüdern Michael und Christian Amberger, die die Allguth-Tankstellen betreiben). Ein architektonisches Meisterwerk. An vielen Tagen auch schon voll." Für Architekt Markus Stenger ist die periphere Lage etwas sehr Zeitgenössisches. "London, Paris und Lissabon haben sich schon lange von der Idee frei gemacht, dass es einen einzelnen Mittelpunkt gibt. Das theoretische Stadtgebiet von New York erstreckt sich in der 'Tri-State Area' über drei Bundesstaaten. In Tokio weiß man ohnehin nicht, wo die eine Stadt aufhört und die andere anfängt. Shanghai, São Paulo, Mexiko, Mumbai – Zentrum oder 'Downtown' sind da romantische Begriffe aus einer Zeit, als noch keine acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten lebten, die eigentlich alle in der Stadt wohnen wollen."

Debatte

Das Künstlerkollektiv Not Surprised kritisiert das Amsterdamer Stedelijk-Museum, weil es ein Kunstwerk von Ahmet Öğüt - eine Straßenbarrikade - nicht für einen Pro-Gaza-Protest auszuleihen will, berichtet "Artnet": "Das Museum hatte Öğüt's Installation 'Bakunin's Barricade' (2015-22) mit einem Vertrag erworben, der vorsieht, dass sie für Proteste oder Demonstrationen ausgeliehen werden kann. Die Skulptur hat die Form einer Blockade und wurde aus gefundenen Objekten und Gemälden aus der Sammlung des Museums, darunter Originalwerke von Nan Goldin, Kasimir Malewitsch, Käte Kollwitz u. a., geschaffen. Letzte Woche erklärte das Stedelijk Museum, dass es der Bitte nachkommen würde, aber aufgrund seiner Verantwortung für den Schutz seiner Bestände beabsichtigte, statt der Originale Kopien der Werke in seiner Sammlung zur Verfügung zu stellen. Dieser Vorschlag wurde von dem Kollektiv abgelehnt. In einem Statement erklärte das Kollektiv nun, es sei 'enttäuscht, aber nicht überrascht von der Entscheidung des Stedelijk Museums' und betonte, dass die Erklärung der Institution 'den Schutz des Erbes über den Schutz von Studierenden stellt, die daran arbeiten, das am besten dokumentierte Verbrechen gegen die Menschlichkeit in diesem Jahrhundert zu beenden'."