Letzten Sommer zog man hier die Schuhe aus, weil der Main in den Ausstellungsraum umgeleitet worden war und der Fluss durch den Portikus floss, als Installation von Asad Raza. Diesmal zieht man die Schuhe aus, weil der Boden so weich, flauschig und weiß ist wie ein einem erträumten Kinderzimmer, das es gar nicht gibt.
Der Ausstellungsraum ist eine einzige Projektionsfläche, einschließlich aller Wände und des Bodens. Immersiv entfaltet sich die Geschichte zweier Mädchen in einer Mischung aus traditionellem Schattenspiel und digitalen Überlagerungsmethoden. Diese haben den Ursprung in einem Archiv von 3D-Scans, das die 1990 geborene schwedische Künstlerin Lap-See Lam von chinesischen Restaurants angefertigt hat, die seit 2010 in ihrer Heimatstadt Stockholm von Schließung, Besitzerwechsel oder Insolvenz betroffen waren – einschließlich dem ihrer Eltern.
Heraus sticht die Geschichte des Sea Palace, einem schwimmenden Restaurant in Form eines Drachen, das in den 1990er-Jahren auf dem Seeweg von Shanghai nach Europa kam und das seit ihrer Kindheit in Lap-See Lams Imagination eine große Rolle spielt. In der hier gezeigten Geschichte ist es auf den Grund des Meeres gesunken. Die Zwillinge Dahlia und Julie machen sich unter Wasser auf den Weg nach Europa, um das Schiff zu finden. Auf ihrer Reise treffen sie eine Reihe von Charakteren aus der chinesischen Mythologie. Es gibt weinende Kaiser, einen Fischmenschen und Geister, es gibt Trennungen, Verluste und einen Angriff des Geistes namens Hunger.
Portikus als Ort des gemeinschaftlichen Erlebens
Magischer Realismus trifft hier auf aktuelle Fragestellungen nach Herkunft, Zugehörigkeit, Ökonomie und kulturellem Erbe. Die Ausstellung, die danach am Swiss Institute in New York gezeigt wird, erzählt, auch ohne dass man alle Details entschlüsselt, vom Erzählen selbst.
Es ist erstaunlich, wie die beiden Kuratorinnen Liberty Adrian und Carina Bukuts es immer wieder schaffen, den eigentlich seltsamen Bau des Portikus auf der Frankfurt Maininsel jedes Mal zu einem Ort des gemeinschaftlichen Erlebens und der Überraschungen zu machen. Auch, indem sie seinen seltsamen Zustand zwischen Wasser und Land in ihren Ausstellungen immer wieder neu thematisieren und aktivieren.