Sag mir, dass du in Düsseldorf bist, ohne zu sagen, dass du in Düsseldorf bist: Blinky Palermo. Tamina Amadyar. Es sind Künstler wie diese, die einen an den Reichtum an großen oder vielversprechenden Namen dieser Region erinnern. Beide, der 1977 verstorbene Beuys-Schüler und die 1989 geborene Malerin studierten an der Düsseldorfer Kunstakademie. Und beide lassen mit ihren Werken (Palermo bei Sies + Höke, Tamina Amadyar bei Meyer Riegger) die seit 2017 existierende Kunstmesse international aussehen, nicht lokal.
Das Areal Böhler liegt im Nordwesten der Stadt, man fährt durch Oberkassel, wo in den 1970er-Jahren Joseph Beuys wohnte und wo die Julia Stoschek Foundation seit den Nullerjahren ihren Stammsitz hat. Die Hallen haben Industriecharme und Tageslicht, sie sind großzügig aufgeteilt und bieten auch für eine kuratierte Skulpturenschau Platz. Andreas Schmittens großformatige Plastik ist nicht eben Mitnehm-Ware: aufgestellte Wannen auf pastellfarbenen Boudoir-Sockeln lassen kurz an eine luxuriöse Sanitärmesse denken, aber sie sind zu elegant und barbiehaft verträumt und machen ganz andere Räume auf als nur das Badezimmer.
Die Kunstgeschichte der Nachkriegszeit ist der Echoraum, auf den sich die Werke der aktuellen Messe beziehen. Jonas Weichsel – auch er studierte unter anderem in Düsseldorf – steht auf den Schultern von Josef Albers, doch seine farbigen geometrischen Malereien haben einen neueren, technoiden Unterton, wie eine Einzelschau bei Thomas Schulte zeigt. Teilweise wird es fast körperlich, wenn zahllose hartkantige schwarze Quadrate auf einer das Gesichtsfeld überragenden Leinwand den Sehnerv total aus dem Tritt bringen.
Raster, aber viel weicher und malerischer bringt der in Deutschland lebende Konzeptkünstler Mike Bouchet auf die Leinwand. Bei Parisa Kind zeigt er außerdem gerahmte metallisch glänzende Gelatineflächen, die er in einem besonderen Verfahren gemeinsam mit Chemiekonzernen aus der Rhein-Main-Region entwickelt hat. Bei derselben Galerie gibt es auch vollflächige Rasterpunkte von Joep van Liefland, die ihren Ursprung im VHS-Video haben.
Fiebach Minninger vertraten seit Mitte der Nullerjahre Harry Hachmeister (damals noch Grit), dessen Zeichnungen und Fotoarbeiten schon damals faszinierend waren mit ihrem dunklen Humor und einer sowohl ironischen als auch existenziellen Schonungslosigkeit, die man sonst aus Leipzig nicht kannte, wo Hachmeister 2005 bei Timm Rautert abschloss. Hachmeister interessiert sich für Transformation und Geschlecht, auch zu sehen in seinen Skulpturen wie den sehr schön ambivalenten Gewichten aus dem Fitnesscenter, die unperfekt aus Keramik und in Pastellfarben nachgebildet sind.
Dass im allzu perfekten auch ein Potenzial für Schreckliches steckt, behandeln zwei Maler auf unterschiedliche Weise: Bei Krobath aus Wien verkehrt Anna Meyer Idyllen in Bonbonfarben in durchprogrammierte Szenarien. Bei Office Impart zeigt Bob Bicknell-Knight (geboren 1996) leicht verfremdete, gedruckte und stellenweise übermalte Ansichten aus den Arbeitswelten der Tech-Konzerne wie Amazon: Roboter und Mensch nähern sich an, um die Waren noch effizienter zu ventilieren. Am selben Stand thematisiert Jonas Lund, ein Vordenker der Krypto-Kunst, die Wertschöpfungskette der Kunst: Hier kann man für 6500 Euro innerhalb eines festgelegten Zeitraums eine Option auf ein Werk kaufen. Kunst als Termingeschäft.
Ob die Saat aufgeht? Bei Reinisch Contemporary steht eine mannshohe Löwenzahnpflanze aus Keramik. Man kennt sie – größere Exemplare stehen seit Jahren unweit von Düsseldorf vor dem Kölner Dom (aktuell eingerüstet). Thomas Stimm macht sie seit den 1990er-Jahren, die Galerie bietet das anschlussfähige Gewächs auch als gerahmte Lackmalereien an. Was irgendwann abhebt, was am Boden bleibt, ist auf Messen immer auch ein bisschen Glück, Spekulation und Bauchgefühl.
Das ist auf der Art Düsseldorf nicht anders – alles ist möglich, der Nährboden ist ja traditionell ertragreich. Und manchmal muss man einfach ein bisschen pusten, damit was fliegt.