Die Amsterdamer Version von "Bakunin's Barricade" (2015-22) besteht aus Alltagsobjekten wie Straßenschilder, einem Auto, einer Ampel und aus Kunstwerken aus der Sammlung des Museums, darunter Originalwerke von Nan Goldin, Marlene Dumas, Kasimir Malewitsch und Käte Kollwitz. Diese Gegenstände sind in der Arbeit zu einer Art Straßenblockade angeordnet. Das Museum hatte Öğüts Installation mit einem Vertrag erworben, der vorsieht, dass sie für Proteste oder Demonstrationen ausgeliehen werden kann. "Die Barrikade kann bei extremen wirtschaftlichen, sozialen, politischen, transformativen Momenten von sozialen Bewegungen angefordert und eingesetzt werden", bestätigt ein Sprecher des Stedelijk "The Art Newspaper".
Im Sommer wollte das Künstlerkollektiv Not Suprised das Werk für einen Protest gegen die Fortführung des Gaza-Kriegs ausleihen. Die Institution erklärte daraufhin, dass es der Bitte zwar nachkommen würde, aber aufgrund seiner Verantwortung für den Schutz seiner Bestände beabsichtigte, die enthaltenen Originalkunstwerke mit Kopien zu ersetzen. Dieser Vorschlag lehnte das Kollektiv ab. Es zeigte sich enttäuscht, dass das Museum "den Schutz des Erbes über den Schutz von Studierenden stellt, die daran arbeiten, das am besten dokumentierte Verbrechen gegen die Menschlichkeit in diesem Jahrhundert zu beenden".
Ahmet Öğüt schreibt nun, dass er in den letzten Wochen mit dem Stedelijk-Direktor Rein Wolfs, dem Rechtsberater und dem Juristenteam des Museums verhandelt habe, um den Vertrag zu aktualisieren und das Werk für Protestgruppen leichter ausleihbar zu machen. "Nach wochenlangen Verhandlungen versuchen das Museum und sein juristischer Apparat, die Verpflichtung des Museums, eine öffentliche Erklärung abzugeben, in der jede mit dem Ethikkodex begründete Ablehnung erläutert wird, weiter einzuschränken. Diese Haltung widerspricht dem Kerngedanken von Bakunin's Barricade so sehr, dass mir als Künstler nichts anderes übrig bleibt, als öffentlich die Entfernung meines Werks aus der Sammlung zu fordern. Obwohl das Museum rechtlich gesehen Eigentümer des Werks ist, erwarte ich, dass es sowohl die Integrität des Kunstwerks als auch meine Rolle als dessen Autor respektiert."
"Wir möchten das Werk nicht ohne stichhaltige Argumente entfernen"
Der Stedelijk-Sprecher sagte "The Art Newspaper": "Was uns betrifft, so sprechen wir immer noch über Anpassungen des bestehenden Vertrags. Um es klar zu sagen: Wir sind nicht bestrebt, unsere Verpflichtung zu einer öffentlichen Erklärung im Falle der Ablehnung eines Leihantrags einzuschränken." Vorerst werde das Werk so ausgestellt wie im Ankaufsjahr 2020. "Wir möchten das Werk nicht ohne stichhaltige Argumente entfernen. Es handelt sich um ein öffentliches Werk, das mit öffentlichen Mitteln erworben wurde, und wir haben in dieser Hinsicht eine Verantwortung."
"Bakunin's Barricade" vezieht sich auf ein historisches Ereignis: Als die preußischen Truppen 1849 versuchten, einen sozialistischen Aufstand in Dresden niederzuschlagen, schlug der russiche Revolutionär und Anarchist Michail Bakunin vor, Gemälde aus der Sammlung des Nationalmuseums vor den Barrikaden aufzustellen, in der Annahme, dass die preußischen Soldaten es nicht wagen würden, die Werke zu zerstören und somit die Barrikade zu passieren. Inspiriert von Bakunins nie realisiertem Vorschlag hat Öğüt 2015 eine erste Barrikade mit Werken aus der Van Abbe-Sammlung in Eidhoven geschaffen. Auch damals wurde in einem Vertrag mit dem Museum festgelegt, dass die Barrikade von Aktivisten bei künftigen sozialen Aufständen angefordert und eingesetzt werden kann.
Ahmet Öğüt, geboren 1981 in Diyarbakir, studierte Kunst und Design in Ankara, Istanbul und Amsterdam. Er lebt in Amsterdam, Istanbul und Berlin. In Berlin unterrichtet er an der Universität der Künste. 2009 repräsentierte Öğüt die Türkei auf der 53. Biennale von Venedig mit "Exploded City".