Als Urheber des offenen Briefes, der inzwischen mehrere tausende Unterschriften zählt, wird ein Zusammenschluss namens Art Not Genocide Alliance genannt - nach eigenen Angaben eine "internationale Gruppe aus Künstlern, Kuratoren, Autoren und anderen Kulturschaffenden". Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fordern, Israel wegen der Angriffe auf den Gaza-Streifen mit nach palästinensischen Angaben mittlerweile 30.000 Toten von der Kunstbiennale in Venedig auszuschließen.
Sie werfen Israel, das sie als "Apartheidsstaat" bezeichnen, einen Genozid an den Palästinensern vor. Jede offizielle Repräsentation des Landes auf der internationalen kuturellen Bühne sei eine Billigung seiner Politik und des Völkermordes. Das Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023, das den Krieg ausgelöst hatte, oder die noch immer festgehaltenen israelischen Geiseln werden nicht erwähnt.
Vielmehr wird der Biennale Doppelmoral vorgeworfen, da diese sich nicht zu "Israels Gräueltaten" geäußert habe. Dagegen habe es mehrere Statements zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine gegeben. Der russische Pavillon in den Giardini bleibt auch in diesem Jahr leer.
"Nische für Kunst, freien Ausdruck und Kreativität"
Zu den prominentesten Namen auf der Unterzeichner-Liste des Briefes gehören die US-Fotografin Nan Goldin, Turner-Preis-Gewinner:in Charlie Prodger, der Filmemacher Ben Russell, der gerade auch wegen Äußerungen zum Nahost-Krieg auf der Berlinale-Gala in der Kritik steht, melanie bonajo (bespielte den niederländische Pavillon bei der Biennale 2022), der Videokünstler Mark Leckey, die Kuratorin Gabi Ngcobo oder die Kunstgeschichtsprofessorin Claire Bishop.
Der israelische Pavillon soll bei der Biennale 2024 von der Künstlerin Ruth Patir bespielt werden. Das kuratorische Duo für den Beitrag besteht aus Mira Lapidot und Tamar Margalit. In einem Statement gegenüber "Artnews" hatte das Team bekannt gegeben, an ihren Plänen für den Pavillon festzuhalten. Man hoffe auf eine "Nische für Kunst, freien Ausdruck und Kreativität". Weiter heißt es, man erkenne die humanitäre Krise in Gaza an und sorge sich vor der Gewalt, die noch kommen werde. Trotzdem könne ein künstlerisches Projekt Hoffnung auf Dialog geben. "Es sind auch genau die humanistischen Werte, für die wir kämpfen, sonst könnten wir genauso gut anerkennen, dass die Extremisten gewonnen haben."
Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano reagierte empört auf den Aufruf und bezeichnete ihn als inakzeptabel und beschämend. Er sprach dem Staat Israel und seinen Künstlern seine Solidarität aus. "Die Kunstbiennale wird immer ein Ort der Freiheit, der Begegnung und des Dialogs sein und nicht ein Ort der Zensur und Intoleranz", sagte Sangiuliano laut Mitteilung. Kultur sei eine Brücke zwischen Menschen und Nationen, keine Mauer der Trennung.