Karsten Botts Sammlung in Frankfurt

Wimmelbilder mit historischem Wert

Was der Konzeptkünstler Karsten Bott sammelt, spiegelt nicht nur Zeitgenossenschaft. Die 1.507 Objekte der Alltagskultur wirken in ihrer Fülle auch als künstlerisches Gesamtbild

Karsten Bott sammelt seit mehreren Jahrzehnten Dinge, und zwar alle. Von der Armbanduhr bis zum Ytong-Baustein. Dabei trifft der Künstler keine qualitative Auswahl, höchstens fragt er sich, ob er ein bereits in seiner Sammlung vorhandenes Ding durch eins ersetzen kann, das noch prototypischer ist. "Von Jedem Eins" ist ein Lebenswerk, ein nie vollendetes Oeuvre der Konzeptkunst, und zugleich ein historisches Archiv der Gegenstände, die uns umgeben und prägen.

Dass seine kontinuierliche Arbeit nicht nur ein großes künstlerisches Projekt ist, sondern der Umgang mit der Welt der beiläufigen Dinge auch einen hohen anschaulichen historischen Wert hat, erkannte auch das Frankfurter Historische Museum. 2017 installierte Karsten Bott dort einen große exemplarischen Auszug aus seinem Archiv. An einer Wand des Museums sind 45 Dioramen unter jeweiligen Oberbegriffen angeordnet. Angefangen bei "Hausbau, Eingang" und endend mit "Zeit, Wetter, Steine, Raumfahrt" durchkreuzen sich die persönlichen und gesellschaftlichen Themen.

Je näher man den einzelnen Dingen in ihren Fächern kommt, desto klarer wird Karsten Botts Präzision im Detail, und seine Gabe, das Erzählerische aus den Dingen herauszulocken. Zugleich ist immer das unfassbare Konvolut als Wimmelbild vorhanden. Doch wer sich die Zeit nimmt, herauszufinden, auf welches Thema Matrjoschka-Puppen, eine Kodak-Instamatik-Kamera oder eine genietete Zimmernummer 417 hinauslaufen ("Reisen, Länder"), der bekommt immer mehr Lust, die Zusammenhänge zu erkunden.

Alltags-Beifang unter streng archivarischen Gesichtspunkten

Das Besondere ist dabei, die Dinge geben nicht nur Auskunft über eine bestimmte Zeit oder ein bestimmtes Konsumverhalten, sondern natürlich vor allem über alle Einzelnen, die persönlichen Bezüge und Erinnerungen der Menschen, die Botts Sammlung betrachten. Das Faszinierende ist, wie Karsten Bott es schafft, nicht zu werten, sondern auch den absoluten Alltags-Beifang unter seinen streng archivarischen Gesichtspunkten zu behandeln.

So hat er eine nach heutigen Gesichtspunkten historische, aber damals entwertete Eintrittskarte für das Fahrgeschäft Teufelsrad auf dem Frankfurter Wäldchestag von 1958, auf der jemand vermerkt hat, dass er dabei war, aber auch ein Aldi-Prospekt, in dem der Youtuber Julian Bam Kleidung präsentiert, in seiner Sammlung.

Das Heranzoomen an die Dinge war bislang nur begrenzt möglich, doch das Museum hat jetzt alle in den Vitrinen befindlichen 1507 Dinge einzeln fotografieren lassen und online gestellt. Jetzt können sie noch besser erkundet, eingeordnet und erläutert werden. "Nicht nur durch das Museum", sagt der Künstler, "sondern auch durch uns alle."