Jeppe Hein steht in der Rotunde der Frankfurter Kunsthalle Schirn und atmet tief ein. Und aus. Die Journalisten, die gekommen sind, um seine ortsspezifische Arbeit "Today I feel like ..." vorab zu besuchen, machen mit und schnauben verwundert in ihre Masken. Jeppe Hein erzählt davon, wie wichtig es ist, das Herz zu öffnen. Auf seiner Maske steht "A Smile for You", die Schriftlinie gebogen wie ein Lächeln. Ein alter Freund aus Frankfurter Tagen hat einen mobilen Kaffeestand und verschenkt sehr guten Cappuccino.
Von hier aus kann man hochschauen in den gläsernen runden Umlauf im ersten Stock der Schirn. Der Künstler hat dicht an dicht blaue Kreise an die Wand gemalt, manche sind mit Augen, Nase, Mund schon Gesichter, aber die meisten sind noch leer, die soll das Publikum füllen. Konform der Covid-19-Regeln bekommen Besucherinnen und Besucher einen kleinen Becher mit Farbe. Man möge bitte atmen und in sich hineinfühlen und nachdenken, wie es einem gerade gehe, und dann diesen Ausdruck an die Wand in einen der Jeppe-Kreise malen.
Herz öffnen, lächeln, atmen, Gefühle malen? Die Aktion "Today I feel like ..." von Kuratorin Martina Weinhart und Jeppe Hein hört sich vielleicht erst mal ein wenig harmlos an. Schließlich ist man hier cutting edge Gesellschaftskritik gewohnt. Aber hier genau jetzt eine solche Maßnahme zu ergreifen, ist nicht banal. Der Ausstellungsbetrieb ist von der Pandemie schwer verzögert, die Dinge gehen langsam voran, alles verschiebt sich. "Warum machen wir als Institution nicht einfach so etwas für die Leute", dachte sich Martina Weinhart.
Allen ist es peinlich
Herz öffnen, lächeln, malen. Hat man lange nicht mehr gemacht, und Jeppe Hein spricht mit seinen freundlichen Worten Journalisten genauso an wie jeden anderen auch. Er moderiert hier nicht seine Arbeit für die Presse, sondern spannt alle ein in seinen kleinen Workshop. Also müssen die Kunstkritiker jetzt ihre Gefühle malen. Allen ist es peinlich, alle haben wahrscheinlich in ihrer Kindheit gemalt, keiner macht es mehr, lieber schreibt man über Kunst, und jetzt das. Harmlos ist das nicht. Wer kann schon sagen, wie es ihm geht? Und malen? Mit beharrlicher Offenheit und Liebenswürdigkeit spricht Jeppe mit den Menschen, zieht die Schuhe aus, damit er den Boden besser spürt und freut sich aufrichtig über die Beiträge.
Der ehemalige Städelschüler Jeppe Hein hatte genau hier einen seiner ersten richtig großen Erfolge: Der Brunnen, dessen aus dem Boden hochschießende Wand aus Wasser erst dann zurückwich, wenn man sich traute, ihr ganz nah zu kommen. Ein technisch perfektes, schlaues, witziges, größenwahnsinniges Werk. Der 1974 geborene Däne wurde mit solchen Arbeiten sehr erfolgreich, in aller Welt, immer mit großem persönlichen Einsatz. Bis er vor zehn Jahren zusammenbrach und erst sehr langsam wieder auf die Beine kam. Geholfen hat ihm dabei, diese Gefühls-Gesichter zu malen, die nun die Schirn übersäen. Niedrigschwellig, einladend, freundlich stiften sie Gemeinsamkeit. Dass daran gar nichts banal ist, hat die Welt ja inzwischen gelernt.