Designerin Iris von Arnim wird 80

Die Masche zieht

Kaschmir ist wie Champagner, nur von außen: Mit luxuriösen Strickwaren hat sich die deutsche Designerin Iris von Arnim eine Marke aufgebaut, die einfach nie aus der Mode kommt. Nun wird sie 80 Jahre alt

Quiet luxury ist nicht mehr angesagt, heißt es. Also schlichte, neutrale Farben, teure Materialien und exklusive Marken, deren Preis nur eine bestimmte Klientel erkennt. Gerade Kaschmir gehörte zu den Hauptmerkmalen des Mode-Trends, der durch die Serie "Succession" groß geworden war. Eine auf dem Bildschirm getragene Wollkappe für mehrere hundert Euro wurde als das Symbol der Bewegung auserkoren – ein leicht zu übersehenes Luxusobjekt, das den endlosen Reichtum des TV-Charakters auf die Spitze trieb. 

Das Gute an hochwertigen Stoffen ist jedoch, dass sie nie aus der Mode kommen. Die Monats-Mieten-Mütze braucht man vielleicht nicht, aber ein reiner Kaschmirpullover macht einen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang glücklich und wertet jede Garderobe auf. Nichts fühlt sich so gut an, so stabil und soft zugleich. "Kaschmir ist wie Champagner, nur von außen!", weiß die sogenannte "Kaschmir-Königin" Iris von Arnim, die am 25. Januar 80 Jahre alt wird. 

Ein großer, warmer, gemütlicher Titel, den sie letztlich einem Krankenhaus-Aufenthalt zu verdanken hat, und ihrer Beharrlichkeit. Zum Kriegsende in Schlesien geboren, erreichte von Arnim mit nur wenigen Tagen das Gut Brandenstein nahe Magdeburg, wohin ihre Mutter mit ihr geflohen war. Ihr Eltern starben jung, schon früh war sie auf sich allein gestellt. Als Erwachsene lebte sie wie ein Hippie, wie es die Designerin selbst beschreibt. Sie arbeitete in der PR, im Journalismus und auf dem Oktoberfest. Mit 23 Jahren überlebte Iris von Arnim einen schweren Autounfall, und es dauerte drei Jahre, bis sie wieder voll genesen war.

Geschäftsidee aus dem Krankenbett 

Bis zu fünf Monate am Stück verbrachte sie zu der Zeit im Krankenhausbett. Um sich die Zeit zu vertreiben, begann sie zu stricken: Wollpullover aus vielen bunten Farben, die wie ein Regenbogen ineinanderflossen und die ihre Freunde liebten. Ihre Bettnachbarin soll ihr gleich mehrere abgekauft haben. Mit einer Geschäftsidee im Gepäck zog von Arnim von München nach Hamburg und eröffnete dort ihre erste eigene Boutique mit ihren selbstgemachten Pullovern. 

Der wahre Erfolg jedoch kam erst, als sie einen Sommer lang auf der Insel Sylt ein Ladengeschäft betreute und dort ihre Mode anbieten durfte. An einem einzigen Tag verkaufte sie so viel, wie in Hamburg in einem ganzen Monat. Vor allem ihr regenbogenfarbener Angora-Pullover war beim Sylter Jet-Set beliebt, auch Gunter Sachs soll zu ihren Fans gehört haben. Bekannt wurde die Marke Iris von Arnim weiterhin für Pullover mit Motiven aus Malereien von Henri Matisse und Pablo Picasso, sowie Strickwaren mit Rennfahrern, Reitern, Golfern und Tennisspielern.

Ende der 1970er-Jahre zeigte die Designerin ihre handgefertigte Kollektion zum ersten Mal auf einer Modemesse in Düsseldorf und auch bei der Modewoche in München. Die Nachfrage war groß und wuchs stetig, sodass die bis dahin von Heimstrickerinnen gefertigten Stücke bald zur Produktion nach Italien verlagert wurden. Mode aus Deutschland war lange Zeit undenkbar gewesen. Karl Lagerfeld etwa war nach Paris gegangen, um seinem Talent und seiner Leidenschaft zu folgen - Couture kam aus Frankreich oder Italien!


Jil Sander gehörte dann zu den Designern, die das Bild des mode-muffeligen Landes wandelten und auch Marken wie Iris von Arnim den Weg ebneten. Als günstigere Imitationen ihres Stils die Geschäfte erreichten, schaute sich von Arnim nach etwas Neuem um und fand es in Italien. Die Designerin entdeckte als eine der Ersten teure Kaschmir-Wolle für sich, integrierte sie in ihre Entwürfe und etablierte sie so auf dem deutschen Markt. Seither ist das feine Ziegenhaar zu ihrem Markenzeichen geworden. Damals wurde das wertvolle Garn unter anderem von Brunello Cucinelli produziert, dem italienischen Kaschmir-König aus Solomeo. Heute kommt von Arnims Ressource von Ziegen an den Rändern der Wüste Gobi. 

Die Produktion findet noch immer zu einem großen Teil in Italien statt, handgestrickte Ware wird in Polen hergestellt. "Ich glaube, guter Geschmack altert nicht", sagte Iris von Arnim in einem Interview mit der "Zeit". Ähnlich ist es mit gutem Kaschmir. Ein Material, das immer getragen werden kann und jede Person gut kleidet, das Funktionalität und Ästhetik vereint. Ein Klassiker, den Iris von Arnim perfektionierte. Sie mache zeitlose Mode, die man lange trage, sagte sie in dem Gespräch mit der Wochenzeitung. Damit habe sie ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit in ihrer Firmenphilosophie verankert, bevor der Begriff es in den alltäglichen Sprachgebrauch und in diverse Marketing-Strategien schaffte. 

Drei Boutiquen besitzt Iris von Arnim heute, in München, Wien und Kampen auf Sylt. Gleichzeitig ist ihre Mode auch in einigen Department-Stores und ihrem Onlineshop erhältlich. 2006 trat van Arnims Sohn Valentin in die Firma ein und ist seit 2009 Geschäftsführer. Er führte auch die Herrenlinie ein, die bis heute ein fester Bestandteil des Sortiments ist. Iris von Arnim gehört zu den wenigen deutschen Modeunternehmen, die noch familiengeführt sind. Es ist ganz klar eine Luxusmarke, ein Pullover kann leicht über 1000 Euro kosten, jedoch ist es eine Brand, die eine Nische bedient. Sie hat nicht, wie die großen Konzerne LVMH oder Kering, ein schier endloses Marketing-Budget zur Verfügung, sondern konzentriert sich auf wenige Produkte, die mit ihrer Qualität und Langlebigkeit überzeugen. 

Mode zum Wohlfühlen, die man tatsächlich gerne tragen möchte und die sich anfühlt wie eine Umarmung. Egal, ob man selbst oder der Kaschmirpullover 80 Jahre alt ist.