Malerei von HanGyol Kim

In Form bleiben

Durch die Malerei gelingt der Künstlerin HanGyol Kim der Zugang zu komplexen Innenwelten. Ihre Motive findet sie auch im Alltäglichen, im Restaurant, im Fitnessstudio. Nun ist sie für den Young Generation Art Award nominiert


Egal wie begabt man ist, der Einstieg in die Künstlerkarriere ist kein Selbstläufer. Mit dem New Generation Art Award wollen wir jetzt Nachwuchskünstlerinnen und -künstler ins Scheinwerferlicht stellen. Der Preis, den das Unternehmen Degussa Goldhandel in Kooperation mit dem Monopol-Magazin auslobt, startete zur Berlin Art Week mit der Verkündung der ersten Shortlist. Mit HanGyol Kim, Lara Koch, Thuy Tien Nguyen, Boris Saccone und Allistair Walter wurden fünf Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die kürzlich ihren Abschluss an einer Kunsthochschule in Deutschland gemacht haben oder das in Kürze vorhaben und jetzt ihren Weg in die Kunstwelt finden müssen. Hier stellen wir nacheinander ihre Arbeit vor. Die Preisverleihung findet am 25. Februar 2025 statt.
 

Begibt man sich in die Plank-Position, also verharrt in einer Liegestützhaltung mit aufgesetzten Unterarmen, dann trägt man gewissermaßen das eigene Gewicht auf den Schultern. Je länger man aushält, desto zuverlässiger kommt der Schmerz. Es ist eine von diesen Handlungen, bei denen man sich nie fragen sollte: "Was mache ich hier eigentlich?", weil man dann sofort abbrechen müsste. Für die Malerin HanGyol Kim wird es da erst interessant.

HanGyol Kim, die in diesem Jahr ihren Abschluss in der Klasse Sophie von Hellermann an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe gemacht hat, folgt immer intuitiv bestimmten Interessen, denen sie dann künstlerisch nachspürt.

In ihrer jüngsten Serie war es das körperliche Training mit all den Erwartungen und Enttäuschungen, die damit einhergehen können. Die Figur in der Plank-Position zum Beispiel, die stur auf den Boden schaut. Sie ist mit einfachem Pinselstrich schnell gemalt, und doch wird in den wenigen Linien ein enormer Widerstreit zwischen innerer Empfindung und äußerer Körperhülle spürbar. Das Fehlen des Mundes und das leichte Hervortreten der Schulterkugel machen die Anstrengung deutlich auch die Platzierung am untersten Bildrand ist nicht zufällig.

Leichtigkeit, Transparenz und Offenheit

HanGyol Kim, 1991 in Seoul geboren, hatte bereits einen Abschluss in Kunst und Design von der Korea University, als sie sich in Karlsruhe einschrieb. Doch ihre Geschichte mit Deutschland reicht weiter zurück: Bevor sie ein Jahr alt wurde, zog ihre Familie mit ihr nach Bad Soden am Taunus und blieb fünf Jahre. 

"Diese Erfahrung hat auch dazu geführt, dass ich mich für ein Studium in Deutschland entschieden habe. Das Leben in Deutschland ist für mich jetzt also nicht nur die Gegenwart, sondern auch eine Verbindung zu Erinnerungen und meiner Familie aus der Vergangenheit", sagt sie. Ihre Eltern arbeiteten als Dramaturgin und Regisseur am Theater, sie zeichnete Comicmagazine, sogar mit fiktiven Werbeanzeigen.

Ihre Gemälde plant sie stets auf einem kleinen Block, mit Bleistift. Wenn eine Zeichnung sie überzeugt, wird ein bis zu zwei oder drei Meter großes Gemälde daraus. In einer strahlenden und zugleich pudrigen Farbigkeit überlagern sich flächige und figurative Elemente und wechseln so ab, dass jedes Bild in sich stimmig durchkomponiert ist, aber Leichtigkeit, Transparenz und Offenheit erhalten bleiben.

Ein ständiges Verlieren und Wiedererlangen der Kontrolle

Im Fitnessstudio, wo HanGyol Kim ihren Rücken stärkt, sei sie fasziniert von den durchtrainierten Körpern, zu denen sie sich nicht zugehörig fühle, sagt sie. Und nimmt zugleich das Demütigende wahr, das diese monotonen Verrichtungen an Geräten und auf Matten am Boden haben können. "Kurz gesagt, ich entdecke in dieser extremen Form des Trainings das Frausein", sagt die Malerin. "Es ist ein ständiges Verlieren und Wiedererlangen der Kontrolle über sich selbst – ein unaufhörlicher Kampf, die Kontrolle zurückzugewinnen, sich selbst ständig zu kritisieren, sich durch die Augen anderer zu beobachten und eine innere Distanz zu sich selbst zu schaffen."

Es ist dieser Zugang zu komplexen Innenwelten, der HanGyol Kim durch Malerei gelingt. Ihr Alltag findet Eingang in ihre Motive, wie zum Beispiel die vielen Jobs zum Geldverdienen. Aktuell arbeitet sie in einem vietnamesischen Restaurant, aber sie war auch schon als Lehrerin tätig.

Würde jemand sie fragen, warum sie die Dinge, die sie in der Realität vorfindet, in fiktive, illusionäre Bilder übersetzt, würde sie sagen: um zu malen. Sie vergleicht das Betrachten eines Gemäldes mit dem Blick in ein Loch in der Wand. "Man könnte einfach daran vorbeigehen", sagt sie. "Es ist eine Welt, die allein durch die Empfindungen des Betrachters geschaffen wird."