"Die Frisur ist dem Menschen, was dem Berg der Gipfel ist." Das klingt majestätisch, wie ein Schönheitsideal der Romantik. Dabei heißt es zugleich: Es gibt ihn, diesen Gipfel, egal wie er aussieht, und ob er als solcher überhaupt erkennbar ist. Genau wie die Frisur.
Und so wie es besonders fotogene Ideal-Berge gibt, ist auch die Friseurbranche an optimalen Ansichten interessiert. Peter Gaechter fotografierte von den 70er-Jahren an Frisuren für den Züricher Coiffeur Elsässer Pour Dames in der Poststraße. Elsässer gibt es seit 1929, die sogenannten Zeigebücher mit den Frisuren aus den vergangenen Jahrzehnten aber wären verschwunden, wenn die Edition Patrick Frey nicht den Fotoband "Fünf Finger Föhn Frisur" aus Gaechters Bildern gemacht hätte.
Lady-Di-Stützwelle mit getürmter Stirnpartie in den 80ern, mädchenhafte Locken mit wie zufällig entblößter Brust in den 70ern, androgyne Wasserwelle in den 90ern. Gaechter orientierte sich am Filmstar-Porträt in Schwarzweiß, manchmal in Farbe (Blond!) und mit Verlauf im Hintergrund. Jede Ära hat ihre deutlichen Trend-Bezugspunkte. Ein aufgerissener Mund mit asymmetrischer Sturmfrisur und großen Ohrclips: Hier gab die Produktwerbung von L’Oreal für "Studio Line"-Haarlack und Schaumfestiger die Ästhetik vor. Und wer sich heute fragt, wozu man glattes halblanges Haar in langwierigen Prozeduren trapezförmig aufwuscheln wollen sollte, so lautet die Antwort 1987 garantiert "Dirty Dancing".
So mäandert das Buch – nicht chronologisch – bis in die 90ern und erzählt über die Sehnsüchte im Wandel der Zeit. Unerfüllte Sehnsüchte zumeist, unerreichbar wie Berggipfel.