Seine Schriften haben die Kunstszene wachgerüttelt

Französischer Philosoph und Soziologe Bruno Latour gestorben 

Der französische Philosoph und Soziologe Bruno Latour ist tot. Seine Schrift "Das terrestrische Manifest" wird auch in der Kunstszene intensiv rezipiert

Wie sein Verlag Les Éditions La Découverte der Deutschen Presse-Agentur in Paris bestätigte, starb Latour in der Nacht auf Sonntag im Alter von 75 Jahren. Latour galt als einer der größten zeitgenössischen Intellektuellen Frankreichs und wurde unter anderem als "einer der großen Erneuerer der Sozialwissenschaften" geehrt. Er war Professor an der Elitehochschule Sciences Po in Paris. Seine Bücher sind in mehr als 20 Sprachen erschienen.

Der 1947 im zentralfranzösischen Beaune geborene Latour beschäftigte sich in seinen Werken mit der wissenschaftlichen Arbeit und damit, wie Gewissheiten entstehen. In den 1990er Jahren geriet er so in den "Krieg der Wissenschaften". Naturwissenschaftler empfanden es als Angriff auf ihren Anspruch objektiver Erkenntnis, dass Soziologen wie Latour ihre Mechanismen der Wahrheitsproduktion erkundeten. Latour betonte, er beschreibe nur die Fähigkeit wissenschaftlicher Netzwerke, Objektivität hervorzubringen.

Wegen seiner Feldstudien in Gerichten oder Labors, deren Ergebnisse er in umfassende Denkmodelle einordnete, bezeichnete sich Latour als "empirischen Philosophen". Seine oft sprachgewaltigen Theorien gelten als nicht leicht verständlich. 

Latour stand auch für eine neue Sicht auf Umwelt und Gesellschaft und galt als ökologischer Vordenker. Er war einer der Begründer der sogenannten Akteur-Netzwerk-Theorie. Sie geht über den Gedanken sozialer Konstruktion von Wirklichkeit hinaus. Nach ihr schreiben sich Natur und Gesellschaft vielmehr in ständig neuen Verbindungen Eigenschaften zu. Latour führte dies zur Idee eines "Parlaments der Dinge", in dem auch nicht-menschliche Akteure mitentscheiden sollen.

Seine Schrift "Das terrestrische Manifest" wird auch in der Kunstszene intensiv rezipiert. 2020 wirkte er an der Ausstellung "Down To Earth" im Berliner Gropius Bau mit, im selben Jahr kuratierte er mit Peter Weibel die Schau "Ciritical Zones" über den Umgang mit der Klimakrise am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron würdigte Latour als humanistischen und pluralistischen Geist und drückte die Anerkennung der französischen Nation für den Vordenker aus. "Seine Überlegungen und seine Schriften werden uns auch weiterhin zu neuen Verhältnissen zur Welt inspirieren." Premierministerin Élisabeth Borne schrieb, Latour hinterlasse Werke, die auch in Zukunft das Bewusstsein anregen.