Rembrandt geht immer. Beinahe stets gibt es irgendwo eine Ausstellung, und allein die derzeitige Restaurierung seiner "Nachtwache" mitten im Amsterdamer Rijksmuseum wird Tag für Tag dicht umlagert. Im selben Haus zog die Retrospektive des schmalen Œuvres von Jan Vermeer eine auf 665.000 begrenzte Besuchermenge an; Zeitfenstertickets wurden auf dem Schwarzmarkt hoch gehandelt.
Nur Frans Hals (1582/83–1666), der dritte in der Reihe der großen niederländischen Maler des 17. Jahrhunderts, findet gegenüber den beiden Zeitgenossen eher wenig Beachtung. Eine umfangreiche Retrospektive rückt ihn jetzt erneut in den Blick. Begonnen hat sie an der National Gallery in London, ab 16. Februar wird sie – wo sonst – im Rijksmuseum gezeigt, ehe sie zum Abschluss im Sommer in die Berliner Gemäldegalerie wandert.
Warum Berlin? Nächstliegende Antwort: Weil hier mit zehn Gemälden einer der größten Bestände an Werken von Frans Hals bewahrt wird, ohne den eine solche monografische Ausstellung kaum zu realisieren wäre. Die tiefer gehende Antwort allerdings ist die, dass Hals' Kunst gerade hier auf regelrechte Begeisterung getroffen ist; auch hier, wie man sagen muss, denn die Hals-Mode war um 1900 herum ein europäisches Phänomen. In Berlin haben sich Künstler wie Max Liebermann oder Lovis Corinth für Hals begeistert, die damals die Moderne verkörperten und gegen alle Anfeindungen durchsetzten.
"Hals hat seinen Ruf als Revolutionär verloren"
Warum gerade Hals? Es gibt zwei Elemente seiner Kunst, die damals besonders hervorstachen und die heute erneut der Beachtung wert sind. Zum einen waren es die Sujets. Frans Hals war vor allem Porträtmaler, wobei die Zahl seiner Porträtbildnisse bis heute unklar ist; 200 waren es mindestens, dazu gesicherte neun Gruppenporträts. Aber Hals malte alle: beileibe nicht nur die wohlhabenden Bürger der Handelsnation Holland, die sich mit teurer Kleidung und rosigen Wangen im Zenit ihres Erfolgs abbilden ließen. Sondern ebenso Kinder, Trinker, Musikanten und eine ganze Anzahl von Außenseitern, Ausgestoßenen, mental Geschädigten.
Berlin besitzt das berühmteste dieser Porträts, die Hals ohne Auftrag, aber mit größtem künstlerischen Einsatz gemalt hat, die "Malle Babbe" von 1640, eine in eine Anstalt eingewiesene, gleichwohl lebensfrohe Frau mit Bierkrug und Eule auf der Schulter. Ja, sie "hat einen Vogel".
Das andere Element des Hypes vor und um 1900 war die Malweise. Die allerdings muss heutzutage regelrecht erklärt werden. "Hals hat seinen Ruf als Revolutionär verloren", sagt Friso Lammertse, Ko-Kurator der Ausstellung, beim Vorab-Gespräch im Rijksmuseum: "Der vielleicht wichtigste Faktor ist der Verlust der Bewunderung für virtuose Malweise." Die aber war gerade das, was die Künstler um 1900 faszinierte – bis zur Nachahmung. Es gibt Anekdoten von Größen wie James McNeill Whistler, der eigens auf einen Stuhl kletterte, um (verbotenerweise) mit der Hand über die Oberfläche eines Gemäldes zu streichen, um die schiere Farbmaterie zu fühlen.
Unmittelbarkeit, Bewegung, Augenblick
Die Berliner "Malle Babbe" ist auch in dieser Hinsicht ein absolutes Meisterwerk. Der Kopf ist mit wenigen Pinselstrichen umrissen, die Kleidung aber ist mit Pinselhieben von links und rechts, oben und unten buchstäblich hingehauen. Die Pinselstriche vermitteln, was der Moderne so wichtig wurde: Unmittelbarkeit, Bewegung, Augenblick. Und sind im Augenblick zugleich zeitlos gültig.
Diese beiden Kernelemente der Kunst von Frans Hals, die Offenheit für Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und die spontane, von Regeln befreite Malweise, sollten heute erneut Bewunderung finden. Gerade auch von Künstlern. Von Frans Hals ist so viel zu lernen.