Herr Lipchik, Ihre Gemälde haben einen leichten 3D-Effekt, eine dicke Malschicht sitzt stellenweise auf der Leinwand etwa in Form von Blumen. Warum ist Ihnen die flache Leinwand zu wenig?
Ich benutze einen Airbrush und erzeuge so die Trompe-l'œil-Effekte. Für mich ist der Übersetzungsprozess von digitalen Kompositionen in die Malerei wichtig. Viele meine Bilder entstehen als digitale Collage, die dann mit unterschiedlichen malerischen Techniken auf die Leinwand gebracht werden. So entdecke ich die Möglichkeiten der Malerei und die Materialität der Farbe auf der Leinwand, die auch mal reliefartig aussehen kann. Ich betone die physischen Eigenschaften der Malerei und stelle gleichzeitig einen Dialog zur Flächigkeit des Digitalen her.
Warum überhaupt Malerei, wenn Sie Ihre Kompositionen digital entwerfen?
Ich könnte die Motive im Digitalen lassen, wo sie entstehen, das stimmt. Deshalb hebe ich hervor, dass es sich bei meiner Malerei um ein Objekt mit einer physischen Präsenz handelt. Ich überbrücke die Lücke zwischen dem digitalen Raum und dem Material. Es gibt so viele digitale Werkzeuge, die Künstler nutzen können, um damit ihre eigene künstlerische Position zu festigen – egal ob sie mit Malerei, Bildhauerei, Fotografie oder Virtueller Realität arbeiten.
Sie kombinieren Landschaft und Stillleben. Tennisbälle und ein Football beispielsweise schweben bei Ihnen im Raum, eine männliche Figur liegt an einem Pool, ein Designobjekt steht im Raum. Der Betrachter wird zum Voyeur, weil sie mit Zäunen und Pflanzen arbeiten, die eine Fenstersituation schaffen. Sie stapeln Objekte und Figuren im Raum, eine Hierarchie gibt es nicht, Räumlichkeit möchte auch nicht so recht entstehen.
Ich möchte einen Mix aus zeitgenössischen Konsumobjekten, Alltagsgegenständen, Symbolen der Freizeit und Americana auf der Leinwand zusammenbringen. Ich denke darüber nach, wie wir heutzutage Bilder betrachten, es gibt keine Hierarchie mehr. Wenn Sie auf Bildschirmen scrollen, lesen Sie mal einen sehr interessanten Artikel im "Artforum", dann scrollen Sie wieder und sehen mal ein Katzenvideo und mal eine Anzeige für Coca-Cola.
Wenn Sie an neuen Bildern arbeiten, haben Sie dann Instagram im Kopf?
Nein, überhaupt nicht. Ich mache keine quadratischen Gemälde, nur damit meine Arbeit auf Instagram gut aussieht. Das wäre albern. Wenn ich an einem neuen Bild arbeite, fange ich mit einer digitalen Zeichnung an. Ich übertrage also eine digitale Zeichnung auf eine Leinwand, die für Instagram fotografiert wird, um damit Leute an meiner Kunst teilhaben zu lassen, die sich sich wiederum in einer Galerie ansehen sollen.
Instagram ist wichtig für Ihre Arbeit?
Viele Anfragen, die ich in der letzten Zeit bekommen habe, kamen über Instagram, weil Menschen dort auf Bilder von meiner Kunst stoßen. Kuratoren, Galeristen und andere Künstler können sich auf Instagram einfach Arbeiten ansehen, ohne das Gefühl zu haben, ein Feedback geben zu müssen. Wenn ich jemandem mein Portfolio per Mail schicke, wäre es unhöflich, nicht zu antworten, das erzeugt Druck auf beiden Seiten. Ich mache mir eher Gedanken darüber, wie ein Künstler auf Instagram eine gute Mischung findet aus der Präsentation der künstlerischen Arbeit, der eigenen Person und dem Privatleben.
Sie waren einst Model in New York, Sie wissen also gut, wie man sich selbst im Medium der Fotografie inszeniert. Befürchten Sie, dass Ihre Modelvergangenheit nicht von Ihrer Karriere als Maler getrennt gesehen wird?
Als ich nach New York gezogen bin, habe ich noch etwas mehr gemodelt. Ich mache das immer noch manchmal. Glücklicherweise muss ich keine Geldjobs mehr annehmen, ich kann mich jetzt ganz auf die Kunst konzentrieren. Das mit dem Modeln kam zufällig. Ein Agent hat mich angesprochen, als ich in New York durch die Straßen gelaufen bin. Ich habe mit dem Modeln angefangen, um nach dem Studium an der Rhode Island School of Design an meiner Kunst arbeiten zu können. Und ja, am Anfang habe ich mir darüber Gedanken gemacht, wie das in der Kunstwelt aufgenommen wird. Jetzt denke ich mir: Mein Werk steht für sich.
Ihre Gemälde entstehen zuerst als digitale Zeichnungen oder zeichnen sie auch mit Stift auf Papier?
Ja, ich zeichne. Als ich in der Schule war, habe ich viel gezeichnet. Im Studium dann habe ich in meinem letzten Jahr gar nicht mehr gezeichnet und auch nicht mehr gemalt. Ich habe nur noch mit verschiedener Software virtuelle Lebenswelten entstehen lassen. Plötzlich hatte ich keinen Grund mehr zu malen. Irgendwann fragte ich mich, ob ich wieder auf der Leinwand malen möchte oder ob ich das ganz sein lassen soll. Ich konnte es nicht lassen. Also musste ich eine Lösung finden, wie ich den digitalen Raum mit dem physischen Raum verbinden kann.
Wie stehen Sie zum Label Post-Digital Pop, das Malern Ihrer Generation angeheftet wird, die Erfahrungen aus dem Digitalen auf die Leinwand bringen?
Ich habe die Befürchtung, dass ein Label die Integrität einer übergreifenden Ästhetik zu einem Trend reduziert. Pop interessiert mich. Die visuelle Sprache von Post-Digital Pop in der Malerei ist wichtig für mich. Ich bin damit aufgewachsen, immer Online zu sein, mit unterschiedlichsten Interfaces, Designsoftwares und Computerspielen zu spielen. Vielleicht vereinfacht das Label Post-Digital Pop zu stark, erzeugt Halbwahrheiten und lässt die Komplexität dieser Ästhetik außer Acht. Mir ist wichtig, dass meine Arbeit nicht vereinfacht wird, indem ich einem Label zugeordnet werde.
Mit welchem Begriff umschreiben Sie Ihr Werk?
Malerei. (lacht)
Brandon Lipchik wurde 1993 in Erie, Pennsylvania, geboren, studierte an der Rhode Island School of Design und lebt heute in Brooklyn. Seine erste Einzelausstellung in Deutschland, "Windows into Exile" ist noch bis zum 20. Oktober in der Berliner Miettinen Collection I Salon Dahlmann zu sehen, in Kooperation mit der Galerie Robert Grunenberg