Ellen Berkenblit in Berlin

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Seit 40 Jahren bevölkern grimmig dreinblickende Frauengestalten und "Grufti-Mädchen" die Gemälde der US-Künstlerin Ellen Berkenblit. Bis heute entziehen sie sich jeglicher Narration, zeugen aber von der absoluten Präzision ihrer Schöpferin

Dieser Tiger wirkt nicht bedrohlich. Auch das "Grufti-Mädchen" mit dem schwarzen Hut scheint von ihm nicht abgeschreckt zu sein: Zutraulich reckt sie ihm ihre spitze Nase entgegen, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen wollen. Im Hintergrund lugt ein Vollmond hinter ein paar Wolken hervor. "Moon Garden" (2024) heißt die Arbeit der 1958 im US-Bundesstaat New Jersey geborenen Künstlerin Ellen Berkenblit. Dann taucht das Mädchen wieder auf, diesmal in einer anderen Szenerie, an der Seite einer finster dreinblickenden Frau: Die Gesichtszüge sind fast identisch, aber sie ist jünger. Der Blick, mit dem sie eine Blume am linken Bildrand betrachtet, verrät kindliche Neugier; die liebliche Haarspange ist noch nicht der Gothic-Tracht aus dunkler Kopfbedeckung und Spitzenhalsbändern gewichen.

Berkenblit, der die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts gerade ihre erste deutsche Einzelausstellung widmet, kehrt seit 40 Jahren mit unerschütterlicher Hingabe zu diesen charakteristischen Figuren zurück. Mal tauchen die grimmigen Frauengestalten einzeln auf, wie im Gemälde "Gramosound" (2023), wo ein Grammofon und eine Glühbirne vage einen Wohnraum andeuten. Mal sind sie zu zweit, stehen nebeneinander, das Profil ungerührt nach rechts gewandt, wie in den beiden 2024 entstandenen Arbeiten "Tincture of Daisy" und "Tincture of Lily". Dann wird ihre Ähnlichkeit besonders deutlich: die spitze Nase, die hellbraunen Spaghetti-Haare, die schwarz geschminkten Augen mit ihrem starren, meist missmutigen Blick.

Oft stellt Berkenblit ihre Protagonistinnen auch – wie das Mädchen in "Moon Garden" – mit tierischen Begleitern dar. In "Tigerton" von 2023 sind es zwei Raubkatzen, die sich mehr verängstigt als bedrohlich im Hintergrund des Gemäldes drängen, während eine Figur in Abendgarderobe schon wieder im Begriff ist, die Szene zu verlassen. In "Cave Shine" (2024) und einer fünfteiligen Serie von schwarz-weißen Gouache-Arbeiten auf Papier (zum Beispiel "Ink Flower" von 2024) haben sich Vögel auf der Schulter einer Frau niedergelassen und blicken mit zurückhaltender Neugierde aus großen Kulleraugen, während die menschliche Begleiterin wieder einmal die Lippen verzieht.

Gesamtes Repertoire von Affekten

Oft sind es nur minimale Variablen in der Linienführung der Künstlerin, die uns das Gefühlsleben ihrer Figuren verraten: Ein langgezogener Strich wird zu einer skeptisch zusammengekniffenen Augenbraue, ein Punkt zu einem erstaunt geöffneten Mund, ein Kräuseln zu ärgerlich geschürzten Lippen. In der Linie offenbart sich Berkenblits künstlerisches Können, ihr gesamtes Repertoire von Affekten: Neugierde, Skepsis, Belustigung, Angst, Scham, Verwunderung, Ärger.

Dass wir diese Gefühlsebenen so deutlich wahrnehmen, liegt auch an den großformatigen Leinwänden, auf denen die US-Amerikanerin Gesichter in so starker Nahaufnahme zeigt, dass kaum noch Platz für anderes bleibt. In den Räumlichkeiten von Contemporary Fine Arts wirken die Arbeiten mit den cartoonhaften Charakteren wie überdimensionale isolierte Panels eines Comic Strips à la Charlie Brown. Mit dem Unterschied, dass sie sich einfach nicht zu einer schlüssigen Erzählfolge zusammensetzen wollen.

"Meine Figuren sind nicht symbolisch", erklärt Berkenblit. "Sie haben einen Zweck: Sie tragen die Linie, die ich zeichnen möchte. Sie sind der perfekte Vorwand, um die erste Linie in Gang zu setzen." In der cartoonhafter Welt der Künstlerin, die aus abstrakten, geschickt komponierten Formen besteht, gibt es keinen Platz für Sprechblasen oder andere Elemente von Narration. Und scheinbar auch nicht für ein Lächeln.