Auf einmal diese Eile! Nachdem Fritz Schramma, ehemaliger Oberbürgermeister von Köln, vor zweieinhalb Wochen die Idee eines eigenen Gerhard-Richter-Museums in der Rheinmetropole aufbrachte, folgt Stellungnahme auf Stellungnahme. Zunächst musste seine Amtsnachfolgerin Henriette Reker aus ihrem Urlaub heraus klarstellen, dass man mit Richter schon länger im Gespräch über ein eigenes Museum sei. Dann meldete sich Richter selbst zu Wort: Er wolle kein eigenes Museum. Aber drei Säle im geplanten Berliner Museum der Moderne des 20. Jahrhunderts wären fein. Dafür würde er auch Werke in die Sammlung der Nationalgalerie geben, zu der das neue Museum gehören wird.
Schließlich schaltete sich die Kulturstaatsministerin Monika Grütters ein und traf sich diese Woche mit dem 87-jährigen Künstler. Das Ergebnis: Gerhard Richter wird ein Konvolut mit seinen Arbeiten in den Berliner Museumsneubau geben, der 2023/24 am Kulturforum eröffnen soll. Richters Werke sollen einem eigenen "prominenten Raum" in dem von Herzog & de Meuron entworfenen Haus bekommen, heißt es. Weitere Verhandlungen sollen diskret geführt werden.
Wer braucht schon Geniekult?
Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass Richter kein eigenes Museum will, auch wenn das für Köln, wo Richter seit langer Zeit wohnt, bitter ist. Künstler wirken in Museen, die nur ihnen allein gewidmet sind, häufig wie singuläre Gestalten, die aus dem Kontext gefallen sind – was wiederum schnell wie unzeitgemäßer Geniekult anmutet.
Dass ein Künstler wie Richter, der sich mit seinem Werk so facettenreich mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt, in die Sammlung der Nationalgalerie gehört, ist hingegen keine Frage. Die Nationalgalerie hat bislang nur fünf, das Berliner Kupferstichkabinett sechs seiner Arbeiten in der Sammlung. Es könnten also gerne mehr sein. Zumal Udo Kittelmann dem Künstler zum 80. Geburtstag 2012 eine großartige Retrospektive in der Neuen Nationalgalerie geschenkt hat. Der Nationalgalerie-Direktor bemühe sich "seit längerem um Werke von Gerhard Richter und hat dazu viele Gespräche mit dem Künstler geführt", heißt es am heutigen Freitag von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK).
Warum musste dann erst Monika Grütters, Vorsitzende des Stiftungsrates der SPK, eingeschaltet werden, um einen Verhandlungserfolg erzielen? Es könnte um die Schenkungssteuer gehen, mutmaßte vor einigen Tagen der "Tagesspiegel". Diese Steuer muss ein Künstler zahlen, wenn er einem Museum eine Schenkung macht. "Die einzige Möglichkeit, damit anders umzugehen, ist die Gründung einer Stiftung", schreibt Redakteurin Nicola Kuhn. "Gut möglich, dass genau da Monika Grütters ins Spiel kommt, denn für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellt die Zusammenarbeit mit einer privaten Stiftung rechtlich ein kompliziertes Konstrukt dar."
Der Vorgang hinterlässt keinen guten Eindruck
Dass eine Regierungsvertreterin beim Steuersparen hilft, wäre seltsam genug. Doch auch wenn gar nicht um steuerrechtliche Fragen geht, hinterlässt der Vorgang keinen guten Eindruck, weil hier eine Ministerin massiv in die Arbeit der Museumsleitung eingreift: Ob und in welchem Umfang Gerhard Richter gezeigt wird, muss doch allein die Entscheidung der Kuratorinnen und Kuratoren des Hauses sein!
So wirkt dieser vermeintliche Verhandlungserfolg wie ein Profiliierungsversuch Monika Grütters. Schon kommen die ersten Reaktionen aus der Opposition: Das Museum der Moderne werde immer mehr zum "Museum der Monika", schreibt Erhard Grundl, Sprecher für Kulturpolitik der Grünen im Bundestag. "Diese voreilige Entscheidung wird wahrscheinlich zu Folge haben, dass die Sammlung der staatlichen Museen zu Berlin nicht wie vorgesehen gezeigt werden kann, da nun dafür weniger Raum zu Verfügung stehen wird."
Es wird eng in dem Museumsneubau werden, da dort nicht nur die Teile des Bestands der Nationalgalerie unterkommen sollen, sondern auch der Sammlungen Marx, Pietzsch und Marzona. Umso wichtiger ist, dass der knappe Raum durch kompetentes Personal verteilt wird.