Sogar die aufgeklärte Kunstwelt hatte den Ausnahmekünstler Gustav Metzger, der in Denken und Werk unbestechlich und konsequent frei war, nicht ganz verkraften können. Ob die Gesellschaft es jetzt kann, lässt sich nun in seiner ersten Retrospektive in Deutschland, im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, erproben.
Metzger wird meist durch alles, was er ablehnte, beschrieben. Seinen Status "staatenlos" behielt er absichtlich bei. 1939 konnte er als Zwölfjähriger mit einem der letzten jüdischen Kindertransporte von Nürnberg nach London fliehen, seine Eltern wurden von den Nazis ermordet. Bereits in den 1960er-Jahren positionierte er sich öffentlich gegen die lebenszersetzenden Auswirkungen des Kapitalismus. Schon den Begriff "Umwelt" hielt er für eine Täuschung, um ungestört weiter Profit auf Kosten aller zu machen. Die Billigflieger Anzeigen – mit Ryanair für 5,99 Pfund von London nach Bremen! –, die er ab Mitte der 2000er sammelte, zielen immer noch hochaktuell auf die menschliche Unvernunft, die Metzger lebenslang quälte.
Für die Documenta 5 1972 schlug er einen transparenten Pavillon mit vier Autos vor, die sich mit laufenden Motoren selbst mit Abgasen vergiften. Bilder aus dem Nationalsozialismus installierte er verdeckt, die Rampe von Auschwitz überlebensgroß in einem beengten Korridor oder unter Tuch verborgen, dessen Gelb dem der Zwangskennzeichnung "Judenstern" entsprach.
Metzger als Umweltethiker
In den 1960er-Jahren proklamierte er die sich selbst zerstörende Kunst als Reaktion auf die nukleare Bedrohung und zersetzte öffentlich Nylonwände mit Salzsäure – Aktionen, die nur als filmische Aufnahmen erhalten sind. Nachgebildet werden konnte die Mehrfachprojektion "Liquid Crystal Environment" von 1965. In den sich neu findenden Formen der flimmernden Bilder stecken Aufbruch und Anfang.
Trotz der schmalen Werklage macht die Schau vieles erstmals greifbar. Metzgers zarte Kinderporträts von 1949 zeigen ernste, traurige, vielleicht traumatisierte junge Menschen. Studien eines Tischs, der immer ein wenig anders erscheint, lassen an Bertrand Russells "Probleme der Philosophie" denken, in denen der britische Philosoph und Pazifist den Unterschied zwischen Erscheinung und Wirklichkeit anhand eines Tischs darlegte. Alle frühen Arbeiten Metzgers zeugen von dieser eingehenden Selbstbefragung, bevor er sich später in Manifesten und Symposien, teils auch zusammen mit Russell, seiner Sache ganz sicher war.
Sein konsequenter Widerstand lässt oft vergessen, wofür er war. Diese Ausstellung zeigt den Künstler Gustav Metzger als Umweltethiker, einen Menschen für heute.