Es ist Winter - wie geht es Ihrer Gesellschaft, die sich doch ganz dem Lesen an der frischen Luft verschrieben hat?
Wir halten Winterschlaf, sammeln Energie und Ideen für die Zeit, in der das warme Wetter wiederkehrt. Aber wer tut das nicht?
Betrachten Sie Ihre Aktivitäten eigentlich als Kunst?
Wir gehen nicht in den Park, um ein Schautableau für den Betrachter herzustellen, sondern für unser eigenes Vergnügen. Damit klären wir allerdings auch auf über Frauenrechte und den Fakt, dass die weibliche Brust ihrer Natur nach heute nicht mehr provokativer ist als Ellbogen oder Knie und nicht versteckt werden muss. Man könnte sagen, dass wir durch visuelle Darstellung eine Botschaft vermitteln, und das hat etwas von Kunst, ja.
Wie haben diese Treffen angefangen?
Vor 20 Jahren hat ein Richter in New York entscheiden, dass Gleichbehandlung vor dem Gesetz bedeuten muss, dass Frauen sich überall dort mit freiem Oberkörper aufhalten dürfen, wo Männer das auch können. Aber in diesen 20 Jahren haben nur wenige Frauen von ihrem Recht Gebrauch gemacht, aus Angst oder weil sie sich unwohl oder unsicher fühlen. Aber das, wovor sich eine einzelne Frau fürchtet, kann eine Gruppe von Frauen mit Stärke und Solidarität ausüben. Also träumten wir von einem Buchklub, der sich draußen trifft, lustige Bücher liest, und das alles halb entkleidet, so wie es Männern seit langem erlaubt ist.
Worin liegt der Unterschied zwischen dem Lesen eines guten Schundromans angezogenen und dem Lesen halbnackt?
Wenn es draußen heiß ist, ist es bequemer, wenn man halbnackt ist, ganz unabhängig davon, was man liest. Aber wenn es gute pulp fiction ist - die Sorte, die deinen Puls rasend macht und deine Atmung schneller - dann ist es besonders hübsch. Und natürlich ist pulp fiction häufig sexy, rasant, provokativ, so dass es großen Spaß macht, unbekleidet zu sein, ein Zustand, den auch die Heldinnen der Romane zu schätzen wissen.
Lesen ist eine private Angelegenheit, Nacktheit eher auch - warum das in die Öffentlichkeit tragen?
Auch draußen bleibt Lesen eine private Tätigkeit zwischen dir und den Worten auf der Seite. Wir stellen uns ja nicht mit Megafonen hin und interagieren mit einem Publikum. Wir sitzen still da unter einem Baum, auf einem Hügel oder auf einer Wiese und lesen, ohne jemanden zu stören. Das gleiche gilt für unsere Nacktheit. Dass wir barbusig sind, fällt doch kaum auf, es sei denn du trittst näher zu uns heran. Einige Leute machen das, und das ist okay - aber in diesem Fall stören die unsere Privatsphäre und nicht umgekehrt.
Wie reagieren denn die New Yorker?
Die meisten gehen damit locker um. In den zwei Jahren unseres Bestehens hat sich nur einmal jemand beschwert. Wir bekommen häufig Komplimente und Zuspruch, besonders von Frauen, die sich wünschen, sich auch so frei fühlen zu können. Manchmal ziehen wir auch die Aufmerksamkeit von unheimlichen Männern auf uns, die gaffen oder sich in anderer Weise unhöflich aufführen. Einmal hat ein Mann vor uns masturbiert, aber es ist ja nicht so, dass Männer das nicht auch vor vollständig bekleideten Frauen tun.
Wie wichtig ist die fotografische Dokumentation der Sessions?
Das Shooting der Events ist ein Spaß, aber nicht unser vorrangiges Ziel. Die Fotos dienen dem Zweck, unsere Botschaft von Freiheit und Gleichberechtigung an ein breiteres Publikum zu bringen. Unsere Website wurde bislang 2,5 Millionen Mal besucht.
Ist Ihr öffentliches Lesen also ein politischer Akt?
Nicht explizit - wir besitzen ja schon die Freiheit, die wir nutzen. Wir protestieren nicht, damit das Gesetz geändert wird. Gewissermaßen protestieren wir aber dafür, dass Frauen die gleichen Rechte die Männer haben und dafür, dass der Frauenkörper nicht als etwas rein Sexualisiertes oder Exotisches angesehen werden sollte, nicht als etwas, das verbannt oder versteckt gehört.
In pulp fiction werden weibliche Figuren häufig als Opfer und hilflose Sexobjekte dargestellt. Die Lektüreliste auf Ihrem Blog empfiehlt nur ein Buch, das von einer Frau geschrieben wurde. Warum sollte man sich als Frau überhaupt für dieser Art Literatur interessieren?
Gute Geschichten sind für alle interessant, egal, welches Geschlecht der Autor oder der Leser hat. Glauben Sie, ich könne Steinbeck nicht genießen, weil er ein Mann ist? Oder James Joyce, Michael Crichton, Raymond Chandler? Das ist lächerlich! Wenn ein Buch gut ist, genieße ich es genauso wie Sie. Und es stimmt nicht, dass pulp fiction stärker als andere Literatur Frauen als Opfer und hilflose Objekte darstellt. Pulp fiction kennt sehr wohl den Archetypus Femme Fatale: eine starke Frau, die Männer ihrem Willen unterwirft und sie als Leichen oder Gefangene zurücklässt. In pulp fiction sind die verschiedensten Frauenfiguren zu finden, genauso wie in der Welt. Und wenn die Leute von Frauen nicht erwarten, dass sie pulp fiction lesen, dann ist das für uns umso mehr Ansporn, es gerade zu tun. Wenn sie nicht erwarten, dass Frauen sich barbusig in die Öffentlichkeit zeigen, dann inspiriert uns das, ihnen zu beweisen, dass sie sich irren.
Wie kam der Kontakt mit dem Maler Richard Prince zustande, wie die Session in seiner Buchladen-Galerie Fulton Ryder?
Richard ist seit langem Fan von uns, der uns auf Twitter folgt und unserem Blog. Irgendwann fingen wir an, E-Mails auszutauschen, und als es zu kalt draußen für unsere Treffen wurde, bot er freundlicherweise seine gut geheizten und gut ausgestatteten Räume als Alternative an. Er ist ein brillanter Künstler und leidenschaftlicher Buchliebhaber und ein sehr netter Mann, und so haben wir hocherfreut sein Angebot angenommen.
Prince reflektiert die visuelle Seite der Pulp-Kultur mit den Mitteln der Malerei, Sie machen etwas Ähnliches mit Performance und Fotografie. Was mögen Sie an den Covern und Illustrationen von Pulp-Büchern und -Magazinen?
Die Qualität dieser Kunst ist auf einem hohen technischen Level. Einige der besten Illustratoren des 20. Jahrhunderts schufteten auf dem Feld der Pulp-Cover-Art, mit sehr schönen Ergebnissen. Davon abgesehen sind die Gemälde lustig, weil sie krass und dreist und grell und hemmungslos sind - so wie wir auch sein wollen.
Das Interview wurde per E-Mail geführt. Die Mitglieder der "Outdoor Co-ed Topless Pulp Fiction Appreciation Society" möchten anonym bleiben