Egal, was Pantone sagt: Die Farbe des Jahres war Grün. Es begann mit pistazienartiger Seide, Olivgrün und Salbei-Schattierungen im Frühjahr. Nach der Veröffentlichung des knallgrün gestalteten Albums der Sängerin Charlie XCX wandelte es sich zu einem Neon-Ton, der den "Brat"-Sommer begleitete. Später im Jahr wurde das Film-Musical "Wicked" mit einer gigantischen Pressetour beworben. Die Hauptdarstellerinnen absolvierten sie nach ihren Filmcharakteren gekleidet: Ariana Grande immer in Rosa und Cynthia Erivo in einer immer anderen Grün-Nuance.
Doch das ist nicht alles. Plötzlich gaben neue, junge Popsängerinnen Trends vor. Es war das Jahr von Sabrina Carpenter, Chappell Roan und Addison Rae, die Dank der richtigen Stylisten schnell zu Fashion-Vorbildern wurden. Laut des Mode-Index' "Lyst" gewannen Wildleder, Cowboy-Stiefel, Kleider mit Taschen, die Hosen von Jeremy Allen White und schmale Sneakers dieses Jahr besonders an Popularität. Laut der Mode-Daten-Analyse @databutmakeitfashion war Margiela die Marke des Jahres, der Burberry-Schal und der Gucci-Gürtel feierten ihr Comeback.
Und gleichzeitig hatte jeder Monat seinen eigenen besonderen Modemoment.
Januar
Der Monat, den man am liebsten im Bett verbringen würde, überrascht jedes Jahr aufs Neue mit der Haute-Couture-Woche. Exquisit und elegant, eine Erinnerung an das Leben fernab des Winterschlafs. In aller Munde, jeder Instagram-Story und wohl für immer unvergessen war und bleibt die "Artisanal 2024"-Show von Maison Margiela, erschaffen von John Galliano. Er habe die Magie zurück auf den Laufsteg gebracht, schrieben danach viele. Die Models wurden zu Gestalten der Nacht, die mit puppenhaft-geschminkten Gesichtern ihre Looks zum Leben erweckten. Es war viel mehr eine Showeinlage als eine Modenschau.
Schmale Taillen durch enge Korsetts, gepolsterte Hüftpartien und ausgestellte Röcke, um die Körper geschlungene Mäntel, transparente Lagen, die alles und nichts entblößten, da das Schamhaar auf hautfarbenen Unterhöschen künstlich aufgenäht war. Das Finale des Dramas bildete die Schauspielerin Gwendoline Christie. Und müsste man wählen, wäre es ihr Look 44, der die ganz Show zusammenfasste. Als würde sie nach einer durchfeierten Nacht den Club verlassen, torkelte sie blinzelnd durchs Publikum. Das blau-weiß gestreifte Korsett war durch den plastikähnlichen Stoff ihres Kleides zu erkennen, dazu weiße lange Handschuhe, die bis zu den Schultern reichten, ein weißes Täschchen in den abgespreizten Fingern. Die perfekte Fusion von Mode und Schauspiel.
Februar
Während der Pariser Modewoche im Februar wurde dann das Revival einer lange aus den Augen verlorenen Ästhetik offenbar. Und das aufgrund des meistgefeierten Debüts des Jahres. Chemena Kamali zeigte ihre erste Kollektion für das französische Modehaus Chloé mit ihrer Interpretation des Boho-Chic. Von der Keilabsatz tragenden ersten Reihe über den breiten Einsatz von erdig-pastellenen Volants, Capes und slouchy Stiefeln bis zu Statementketten, nietenbesetzten Ballerinaschuhen und Pilotenbrillen: Plötzlich waren alle wieder bereit für die essenziellen Zutaten der frühen 2000er-Boho-Phase.
Diese im Februar geschaffene Tendenz zog sich durch das ganze Jahr. Gerade die übergroßen Handtaschen, die aktuell über und über mit Anhängern beladen in der Armbeuge getragen werden, erinnern sehr an die Olsen-Zwillinge zu Beginn des Jahrtausends, die Königinnen des Bohemian-Looks. Chemena Kamalis Chloé überzeugte auch US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, die einen dunkelblauen Hosenanzug mit passender Schluppenbluse des Modehauses zu ihrer wohl wichtigsten Rede während der Democratic National Convention trug. Geholfen hat es, wie wir nun alle wissen, allerdings nicht.
März
Der Look des Monats März besteht aus einem roten, knielangen Baumwoll-Mantel mit umgeschlagenen Ärmeln, einem weißen Rock mit Bügelfalten und feinem Spitzensaum, einem senfgelben Strickpullover und einer breitgliedrigen Goldkette. Es ist ein Vintage-Ensemble aus Miuccia Pradas erster Herbstkollektion von 1988. Und getragen hat sie es selbst, auf dem März-Cover der US-amerikanischen "Vogue".
Dort steht sie auf dem Balkon eines Palazzo des 18. Jahrhunderts in Venedig, in dem die Fondazione Prada untergebracht ist, und schaut hinunter auf den Canal Grande. Es ist ein sehr schönes Foto, und die Mode an ihrer 75-jährigen Schöpferin hat noch einmal eine ganz andere Wirkung. Doch nicht nur durch ihre Titelstory prägte Miuccia Prada die Mode dieses Jahres. Dem Luxus-Mode-Einbruch zum Trotz hielten sich ihre beiden Labels Prada und Miu Miu ganz oben auf dem "Lyst"-Index, einem vierteljährlichen Ranking der weltweit gefragtesten Marken und Produkte. Die Prada-Gruppe verzeichnete durchweg ein starkes Wachstum mit einem Umsatzplus von 18 Prozent im dritten Quartal 2023 und den ersten neun Monaten 2024. Konkret kletterte der Umsatz von 3,4 Milliarden Euro auf 3,8 Milliarden Euro. Signora Pradas Gespür für Kleidung, die Frauen wollen, begehrenswerte Künstler-Kollaborationen, wie etwa die mit Miranda July, und die Wahl der richtigen Markenbotschafter macht ihr Imperium unsinkbar.
April
Im April kam Luca Guadagninos Film "Challengers" auf die Leinwand. Zendaya, Josh O’Connor und Mike Faust spielen darin ein im Tennis wie auch in der Liebe rivalisierendes Trio. Nach dem Kinobesuch wollte man am liebsten selbst sofort mit dem Sport beginnen, und Center-Court-Kleidung stand im Frühjahr hoch im Kurs.
Noch beeindruckender war jedoch die Pressetour, für die ihr Stylist Law Roach Zendaya bis ins kleinste Detail inszenierte. "Method Dressing" für Promo-Termine gehört spätestens seit Margot Robbies "Barbie"-Verkörperung zu der Bewerbung eines neuen Films. Und Roach ist ein Meister darin. So trug Zendaya ein Tennisball-gelbes Haute-Couture-Kleid von Celia Kritharioti, dessen Ausschnitt kurz unter dem Bauchnabel in einem tatsächlichen Tennisball mündete. Außerdem ein Polo-Oberteil als Haute-Couture-Version von Jacquemus, ein weißes Kapuzen-Kleid von Alaïa und eine maßgeschneiderte Robe von Thom Browne, die mit Schlägern verziert war.
Das Highlight aber war ein Look aus der Café-Society-Kollektion von Vivienne Westwood aus dem Jahr 1994, bestehend aus einer gestreiften Weste und dazu passendem Minirock. Dessen Rückseite war geschmückt von einer hellrosa Federquaste, die dem ganzen Ensemble etwas schön kostümiert Kaninchenhaftes verlieh.
Mai
Im Mai fand die alljährliche New Yorker Met-Gala statt, ein Mode-Großereignis, aber es war auch Zeit für die Filmfestspiele in Cannes. Und hier wurde in diesem Jahr ein Kleid präsentiert, das vermutlich mehr Aufsehen erregte als alle Premieren-Kostüme zusammen. Das Model Bella Hadid wurde in der französischen Küstenstadt mit einem Erdbeereis in der Hand gesichtet, das wunderbar zu ihren Gucci-Sandaletten passte. Und zu ihrem rot-weißen Kufiya-Kleid von Michael & Hushi, das aus der AW01-Kollektion des Designerduos stammte.
Das traditionell schwarz-weiß gemusterte Kufiya-Tuch ist zu einem globalen Symbol geworden und steht für Solidarität mit den Palästinensern. Ein Statement-Look, ein politischer Kommentar, mit dem Hadid an ihre eigenen palästinischen Wurzeln erinnert. Auch auf Instagram spricht sie sich regelmäßig für das Heimatland ihrer Familie aus, wodurch ihr immer wieder Verträge gekündigt werden und wichtige Verbindungen in der Modebranche wegbrechen. In einer Industrie, die so gern wegschaut und vieles ausblendet, was sie nicht unmittelbar betrifft, sind Bekenntnisse wie dieses außergewöhnlich.
Juni
Im Juni etablierte der Schauspieler Paul Mescal extrakurze Shorts an Männerbeinen, einen der wichtigsten Trends des Jahres. Viel wichtiger jedoch war ein rotes Miu Miu-Kostüm auf dem Cover der deutschen "Vogue", das Mitte Juni publik wurde. Darauf zu sehen: die heute 103-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Am Kragen des leuchtenden Jäckchens trug sie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse und den Verdienstorden des Landes Berlin.
"Love - Ein Plädoyer für das Miteinander" lautete der Titel des Sommerheftes, und vielen stellte sich die Frage: Mode und Holocaust, wie geht denn das zusammen? Es geht sehr gut, wie Friedländer zeigte. Mode war immer schon eines ihrer Interessen gewesen. Sie wollte selbst einmal Designerin werden, bevor in Berlin die Judenverfolgung der Nationalsozialisten begann und sie untertauchen musste. Heute sieht sie es als ihre Aufgabe, daran zu erinnern, was passieren kann, wenn man rechtes Gedankengut laut werden lässt und mehr Hass als Nächstenliebe praktiziert. Und wieso nicht in einem Magazin, das ihr noch einmal ein ganz anderes Publikum verschafft?
Mit dieser Ausgabe öffnete sich die Modewelt einem delikaten und politischen Sujet und brachte Margot Friedländers Geschichte einer Zielgruppe näher, die sie sonst vielleicht nie so intensiv kennengelernt hätte. Im Editorial sah man die Porträtierte außerdem in einem Ensemble von Loro Piana, einer Jacke von Emilia Wickstead und ihren eigenen Seidentüchern, von denen sie eine ganze Sammlung besitzt
Juli
Olympia füllte das Sommerloch und entpuppte sich als eine besonders modische Veranstaltung. Das Luxuskonglomerat LVHM war einer der Hauptsponsoren, es wurden verwirrend viele Kollaborationen zwischen High Fashion und Sport-Marken enthüllt. Auch "Vogue World: Paris", ein schwer zu definierendes Anna-Wintour-Mode-Event, fand Ende Juni als Vorbote in der französischen Hauptstadt statt.
Während der Spiele dann ging es natürlich um den Sport. Und doch blieben gerade die Wettkämpfer im Gedächtnis, die durch eine gewisse Ästhetik oder Präsenz herausstachen. Dazu gehört auch die südkoreanische Luftpistolenschützin Kim Yeji, 32, die am 28. Juli in Paris Silber in der 10-Meter-Distanz gewann. Ihre avantgardistisch anmutende Schießbrille, der nach hinten gedrehte Kappenschirm und die schwarze Sportjacke, vor allem aber ihre lässige, nonchalante Aura machten sie schnell zu einem Internet-Meme. Eine Hand an der Pistole, die andere in der Hosentasche.
Seitdem zierte sie die Winterausgabe von "Re-Edition", war im koreanischen "W"-Magazin und der "Elle" abgelichtet. Zuletzt konnte man sie in der aktuellen Balenciaga-Kampagne sehen. Fotografiert wurde Kim Yeji von Jürgen Teller, in einem schwarzen, skuplturalen Rock, einem hautengen Rollkragen-Pullover und Overknee-Stiefeln auf den Straßen von Paris. Das zementierte nur noch einmal den "Main Character"-Status, den das Internet ihr verpasste.
August
Im Juni erschien das Album "Brat" von Charlie XCX, und alles danach wurde neongrün. Der Trend hielt so lange an, dass auch die U.S. Open Ende August noch die Auswirkungen spürten. In einem maßgeschneiderten, knallgrün-weißen Nike-Outfit betrat Naomi Osaka den Tennisplatz. Entworfen worden war der Look von der US-amerikanischen Designerin Yoon Ahn. Eine kurze weiße Jacke mit einer riesigen grünen Schleife auf dem Rücken, ein grüner Mini, unter dem ein weißer Tüllrock hervorblitzte, und sogar ihre Kopfhörer waren mit weißer Spitze und zwei grünen Schleifen dekoriert.
Unter dem ersten Aufzug trug sie ein ebenfalls grünes Rüschenkleid mit weißer Schleife, an ihren weißen Turnschuhen wiederum waren zwei grüne Schleifen angebracht. "Die Inspiration für den Look ist für mich - und das ist vielleicht ein japanischer Begriff - das Gefühl, ein 'magisches Mädchen' auf dem Platz zu sein", sagte Osaka in einem Statement für Nike. "Es ist ein Moment der Verwandlung für mich, wenn ich den Platz betrete, und ich habe eine Menge Spaß beim Spielen, also ist es eine wirklich große Motivation für mich, dass jeder, der das Outfit sieht, sich mit diesem Gefühl verbindet." Und sie gewann das Spiel, im magischen Kleid.
September
Das Modejahr 2024 war geprägt von vielen Wechseln, abrupten Abschieden und gefeierten Neuanfängen der Kreativdirektoren. Wie schon in den vergangenen Jahren wurden die Designer von Luxus-Häusern angezogen und abgestoßen, je nachdem, wie der Umsatz so lief. Man kam kaum noch hinterher.
Doch ein Debüt war dick im Kalender markiert, denn darauf hatten viele lange gewartet: Alessandro Michele war zurück. 2022 bei Gucci verabschiedet, hatte der maximalistische, die Opulenz feiernde Designer bei Valentino seinen Platz gefunden und zeigte seine Premieren-Kollektion während der Pariser Modewoche Ende September. Das Archiv des französischen Couture-Hauses hatte Michele als seine eigene Version zum Leben erweckt. In dieser widersprach er dem stillen Luxus, der in seiner zweijährigen Abwesenheit dominiert hatte. Und das mit schleifenbesetzen Kleidern, bodenlangen, mehrlagigen Seidenroben, bunten Spitzenstrumpfhosen, Pelzsäumen und Stolen. Seine Nostalgie für vergangene Jahrzehnte verband Michele mit einer Hommage an Valentino Garavani, den Gründer der Marke. Extravagant und voller Zitate, eine Kollektion, die eine Freude an Mode widerspiegelte und in dem konsumgetriebenen Hin und Her sehr willkommen war.
Oktober
Spärlich bekleidet wagte die Victoria's-Secret-Modenschau im Oktober ein Comeback. Darauf gewartet hatte niemand. Wir erinnern uns: Mit Flügeln zu Engeln gekürte Supermodels, je breiter die Flügelspannweite, desto höher der Status. Eine Masse an Protagonistinnen, die in teils sexy, teils verspielter oder auch sportlicher Wäsche Luftküsse gebend über den Laufsteg schwebte. Dafür hatte das Unterwäschen-Spektakel einst gestanden.
Nach harscher Kritik an ihrem exklusiven und gestrigen Konzept hatte es das Unternehmen mit einer "woken" Markenumstellung versucht. Die war gescheitert. Nun sollte unter dem bekannten Geschäftsmodell das erotische Victoria’s Secret zurückkehren. Trotzdem versuchte die in Verruf geratene Firma eine gewisse Inklusivität zu demonstrieren, um nicht sofort wieder abgesägt zu werden: Zwei Transmodels, einige Plussize-Modelle und sogar ältere Mode-Veteraninnen wie Eva Herzegowina sah man auf dem breiten Laufsteg. Cher war da, Lisa von der südkoreanischen Girlgroup Blackpink, die Hadid-Schwestern Gigi und Bella eröffneten und schlossen die Show.
Unterwäsche in all ihren Formen und Farben wurde gezeigt, und direkt neben dem Livestream auf den Bildschirmen konnte man sie in Echtzeit erwerben. Alles in allem eine umsatzgetriebene Werbeveranstaltung, die gern wieder in Vergessenheit geraten darf.
November
Der französische Modedesigner Simon Porte Jacquemus hat seine ganz eigene Ästhetik erschaffen, die er detailverliebt bei Kampagnen, Store-Eröffnungen oder Modenschauen präsentiert. Sein Spiel mit Proportionen erschuf winzigste Handtaschen und enorme Strohhüte. Seine Kleider verbinden organische Strukturen mit artifiziellen Silhouetten, jedes Detail erzählt eine Geschichte, oft verwoben mit seiner eigenen und dem Aufwachsen an der Côte d’Azur.
Minimalismus und Surrealismus, verziert mit dem Flair einer französischen Küstenstadt. Im November eröffnete er seine erste Boutique in London. Im selben Monat erschien seine neue Weihnachts-Kampagne "Winter Retreat", in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Lisa Jahovic. Model Alex Consani liegt auf einem Massage-Stuhl, über und über bedeckt von Gurkenscheiben, die an ihrem Körper einen hellgrünen Jumpsuit ergeben. Ergänzt wurde der Look durch einen breiten beigen Jacquemus-Gürtel und eine in die Achsel geklemmte Clutch.
Cansoni wurde mit einer kreisrunden Schultertasche, wehendem rotem Jacquemus-Schal und gelben Pumps am Rudergerät abgelichtet. Mit kniehohen Fellstiefeln vor einer Sauna. Mit künstlichen Wassertropfen im Gesicht, das von einer weißen Schalmütze umrahmt wurde. Alltags-Objekte erhalten stets eine überraschende Hauptrolle in den Projekten des Designers: Wärmflaschen an aufeinander gestapelten Deckenventilatoren werden zu einem Weihnachtsbaum, Wasserkocher bekommen Mützen aufgesetzt. Und diesen Winter trägt man Gurke.
Dezember
Im Dezember wurde bei der Verleihung des Modepreises des British Fashion Council offiziell, was sich schon angekündigt hatte: Jonathan Anderson wurde zum Designer des Jahres gekürt, zum zweiten Mal in Folge. Seine Kollektionen für Loewe, wo er Kreativdirektor ist, wie auch für seine eigene Marke JW Anderson waren herausragend. Auf den roten Teppichen tummelten sich seine avantgardistischen, durchdachten Kleider. "Ich liebe Mode. Sie treibt mich jeden Morgen aus dem Bett", sagte Anderson in seiner Rede nach der Preisübergabe. Und das sieht man.
Vielleicht macht genau das seine Entwürfe so grandios. Zwischen all dem Verkaufsdruck und nie stillstehender Konkurrenz bleibt Jonathan Anderson bei sich selbst. Dieses Jahr feierte er sein zehnjähriges Jubiläum beim spanischen Modehaus Loewe. Eine Marke, die wenig bekannt war und seit seinem Amtsantritt schnell und stetig in den oberen Rängen der erfolgreichsten Marken mitspielte.
Andersons Designs verbinden Zeitgeist (eine Balance zwischen ausgefallenen Silhouetten und Materialien sowie klassischer anspruchsvoller Schneiderkunst) und eine Progressivität, an der sich andere ein Vorbild nehmen. Immer wieder nutzt er surreale Elemente. Er zeigte kopfgroße Strickmaschen, Kapuzenpullover aus Knete, modern interpretierte Reifröcke. Dazu flicht er popkulturelle Referenzen in seine Kollektionen ein. Eine von Michael Clark inspirierte Tesco-Tragetasche stolzierte über seinen Laufsteg, eine Handtasche im Look eines Spargelbundes und zu Schultertaschen werdende Ledermäntel. Jonathan Anderson ist ein Meister darin, künstlerisch Absurdes mit schöner und tragbarer Mode zu verbinden.