Flughafen Berlin-Brandenburg "Willy Brandt"
14 Jahre zu spät und sieben Milliarden Euro teurer als geplant steht er da: Der Flughafen BER, Berlin-Brandenburg. Viele Werke sind aus Tegel hierhin gezogen oder – wie im Falle von "L'Albatros" von Rolf Lieberknecht – für die neue Flughafenumgebung angepasst. Bezeichnend, dass Besucher des Flughafens unaufgefordert und laut Flughafensprecher "überraschenderweise" Geld zu der Bronze "Der Fall des Daidalos und Ikaros" von Rolf Scholz werfen. Als würden sie dieser symbolträchtigen Skulptur, dieser Verkörperung des Bauprojektes BER, Privatzuschüsse liefern, um die entstandenen Kosten wieder einzusammeln. Das kann kein Zufall sein.
Es gibt auch durchaus glanzvolle Momente, kritische Interventionen, die diesem Ort gerecht werden: Olaf Nicolais "Gadget" oder Matt Mullicans "Untitled" beziehen sich auf den Ort, heben gewitzt tägliche Routinen hervor und brechen subtil mit ihnen.
"Quasi das Markenzeichen des Flughafens" und "eine märchenhafte Verbindung zum Fliegen" sei die rote Decke von Pae White, "The Magic Carpet", schreibt eine Sprecherin des Flughafens auf Monopol-Anfrage. Nur keine konkreten Aussagen mehr in Bezug auf den BER, man hat aus den Vorerfahrungen also quasi gelernt.
Flughafen Düsseldorf
Dass Kunst am Flughafen nicht nur Beiwerk ist, zeigt die noch bis zum 9. September laufende Ausstellung "Art Walk" in Düsseldorf. Nicht falsch verstehen: Mit Heinz Macks "Helios" und Max Kratz "Pylon" sind auch durchaus gefällige Werke vor Ort. Aber die Verbundenheit von Zero zur Stadt am Rhein und "Pylons" ursprüngliche Symbolkraft im Zusammenhang mit der alten Messe von Düsseldorf legitimieren auch deren nahtlose Eingliederung in das Flughafenambiente.
Wohingegen die Positionen des "Art Walk" mit Gereon Krebber, Anne Berlit, Matthias Schamp und Paul Schwer alles andere als leicht konsumierbar sind - ganz im Gegenteil. Mit dem "Titanic"-Bildkolumnisten Schamp und dem derzeitigen Professor an der Düsseldorfer Akademie Krebber sind zwei explizite Systemkritiker involviert. Alle vier ausgewählten Positionen sind aus der Region und mit ihr auf besondere Weise verbunden. Der "Art Walk" belebt temporär leerstehende Ladenflächen und nutzt sie sinnstiftend und reflektierend. Der Wert dieser Ausstellung besteht darin, dass sie sich visuell nicht anbiedert, sondern kritische Sichtweisen auf und um den Flughafen und das Fliegen eröffnet.
Flughafen Frankfurt/Main
Die letzten Passagiere bitte zu Gate 1, 2 und 3 – alles gleichzeitig! Frankfurt am Main liefert gleich drei Antworten auf die Frage, welche Kunst Reisende hier kurz vor Abflug sehen. Da ist zum einen die Sammlung der "Kunst im Terminal", unaufgeregte Werke von Wanda Pratschke, Erich Hauser und Martin Liebscher. Bettina Baers "Moods" ist hiervon noch die selbstbewussteste aller Positionen. Zum anderen ist da Andreas Schmittens Skulptur "Immaterielles", die Anfang Juni am Fernbahnhof Frankfurt-Flughafen eingeweiht wurde. Da der Fernbahnhof direkt an das Terminal angeschlossen ist, kann man die Skulptur mit einem zugedrückten Auge auch dem Flughafen zurechnen. Ermöglicht wurde Schmittens repräsentative Großskulptur durch das Programm "Station to Station" des umstrittenen Kulturmanagers Walter Smerling – also immer noch mehr DB als Flugverkehr.
Als letzter Lichtblick am Ende des Flugbrückentunnels steht zum Glück nicht mehr die skulpturgewordene Sinnlosigkeit von Leon Löwentraut, der dem Flughafen der Bankenmetropole ein eigenes Wahrzeichen – einen mit hässlichen Graffitis bemaltes Brandenburger Tor – schenken wollte. Nein, bis 2026 soll Julius von Bismarck für die Eröffnung des dritten Terminals ein neues Kunstwerk beisteuern, das dort die Check-In-Halle "schmücken soll", wie die "Frankfurter Rundschau" verkündet.
Hamburg Airport
Nordisch unaufgeregt kommt die Kunst am Hamburger Flughafen daher. Offenbart sich nicht einmal sofort als Kunst. Wie bei "Arts & Science", der aktuellen Ausstellung im Rahmen des seit 2016 laufenden Programms "Kunst am Gate", das Kunstschaffenden und -initiativen aus der Region einlädt.
In Hamburg liegt der Fokus auf der Förderung der eigenen Szene, kein Chichi, kein unnötiges Geschnacke. Die derzeitige Explosion von Farben und Formen geht auf eine Initiative des Exzellenzclusters "CUI: Advanced Imaging of Matter" der Universität Hamburg zurück, bei der die Mitglieder gebeten wurden, ästhetisch ansprechende Bilder einzureichen – unabhängig von ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft oder Aktualität. Mittlerweile ist die Initiative zu einem Vorzeigeprojekt der Wissenschaftskommunikation avanciert und beweist: Kunst am Flughafen kann auch angenehm belehrend sein.
Flughafen München
Hier könnte Ihre Werbung für Kunst stehen, nur hat sich der Münchner Flughafen 2023 entschieden, die bereits kommissionierten neuen Kunstprojekte zu canceln - "aus wirtschaftlichen Gründen", wie es heißt. Stattdessen verweist der Münchner Airport auf seine schon jahrelang bestehenden Werke im und um den Terminalbereich. Hierzu gehören Keith Sonniers berühmter "Lightway", den man komplett unironisch als ein Meisterwerk der Flughafenkunst bezeichnen muss, sowie Stephan Hubers "Alpen-Brunnen" – Werke, die beide aus Energie- und Spargründen während Corona abgeschalten wurden und für die Dauer des Anhaltens der Energiekrise off bleiben sollen. Nur, wie lange soll das sein? Bis wir gelernt haben, aus Plastikmüll erneuerbare Energien zu machen?
Temporär ist zurzeit noch die Ausstellung "Beyond Boundaries" am Terminal 2 zu sehen. Eine Schau, der zwar wichtige gesellschaftliche Bewegungen vorausgegangen sind, deren Aussagekraft heute an diesem Transit-Ort namens Flughafen aber komplett verglimmt.
Keflavik Airport Reykjavik
Es ist das Land aus Feuer und Eis, das Land der Nordlichter, das Land der Mitternachtssonne. Kaum ein Fleckchen dieser Erde – und es ist wirklich ein Fleckchen – balanciert den Tanz zwischen Natur und Kultivierung so grazil und eindrucksvoll wie Island. Mit dem internationalen Flughafen in Reykjavik ist damit auch der national wichtigste Verkehrsknotenpunkt eindeutig besetzt.
Und die Kunst? Es wäre naheliegend, den landeseigenen Kultur-Star Olafur Eliasson, der schon die Fassade der Harpa-Konzerthalle zum Leuchten gebracht hat und für seine klima- und gesellschaftssensiblen Projekte berühmt ist, einzubeziehen. Aber genau in der Verweigerung großer Namen liegt der Charme des tiefgefrorenen Inselstaates: Am Keflavik Airport sammeln sich Künstler der hiesigen Szene wie Steinunn Þórarinsdóttir, Kristján Guðmundsson, Rúrí, Magnús Tómasson und Leifur Breiðfjörð.
Skulpturen stehen eindeutig im Vordergrund, mit Ausnahme der Glasarbeiten von Breiðfjörð. Wenn sich auch manche Werke, wie "The Jet Nest" von Tómasson oder "Directions" von Þórarinsdóttir, plattitüder Sprache bedienen, ist die Symbolik und implizierte Folklore so gefühlvoll mit der Heimat verbunden, dass man nicht anders kann, als mit einem lauten "Ooooochh" und einem erwärmten Herzen anzukommen – oder im traurigen Fall wieder abzureisen.
Flughafen Oslo Gardemoen
Skandinavische Ausgewogenheit nimmt am Osloer Flughafen Gardermoen eine mäandernde Form an: Einerseits erinnern die textlastigen Werke von Kai Gjelseth an Kalenderblattsprüche und Cappuccino-Wandtattoos, andererseits muten die Miniatur-Troll-Inszenierungen von Sofie Persvik wie die Kollektion einer stolzen Sammlerin des Innenlebens von Überraschungseiern an. Mit Eva Rothschilds "Gladiator" und Anne Katrine Dolvens "Bed" sind seit 2017 zwar monumentale, aber erwartbare Flughafenwerke hinzugekommen; Per Inge Bjørlo steuert mit seiner sechsteiligen Skulpturenserie den wohl präsentesten Beitrag seines künstlerischen Schaffens bei. Mal kunterbunt, mal spitz und zackig, mal Stein, auf jeden Fall abwechslungsreich.
Ein bisschen fühlt sich der Besuch der Kunst am Osloer Flughafen wie ein Besuch in einem rustikalen DIY-Spieleparadies in einem der am weitesten entfernten Baumärkte an: Nix passt zusammen, man kann sich daran verletzen, gleichzeitig ist die authentische Verbundenheit zu dem Ort, wo es gezeigt wird, herzerwärmend. Und seit einiger Zeit kann man auch dem größten Kunststar des Landes in Gardemoen begegnen. In Kooperation mit dem Osloer Munch-Museum sind am Flughafen im Wechsel verschiedene Werke des weltbekannten Malers zu sehen. Und dessen expressive Bildsprache kann sich sogar gegen das globale Einerlei der Airport-Architektur behaupten.
Schiphol Airport Amsterdam
Manchmal ist es sinnvoll, das zu bewerben, was man ohnehin am besten kann und das sind in den Niederlanden: niederländische Meister vergangener Jahrhunderte. In Kooperation mit dem Rijksmuseum präsentiert der Flughafen Schiphol in Amsterdam eine fortwährend wechselnde Auswahl der Museumssammlung. Fluggäste brauchen das Ökosystem Flughafen gar nicht mehr verlassen. In diesem Konsumtempel kann gegessen, getrunken, geshoppt, Kunst angeschaut und geschlafen werden.
Einerseits ein charmanter Gedanke, dass Reisenden eine letzte kontemplative Rast auf 162 Quadratmetern geboten wird. Andererseits fühlt es sich falsch an, gegen die durchschnittliche Verweildauer vor einem Bild von 4 Sekunden (Statistiken schwanken zwischen 2-7 Sekunden) im Museum vorzugehen, indem dieselbe Kunst an einen buchstäblichen Transitort verfrachtet wird. Es mag sein, dass Cornelis Dusart, Pieter Gallis und Gabriel Metsu hinter einer Flughafenvitrine immer noch besser aufgehoben sind als im Depot. Aber es trägt auch dazu bei, dass Kunst zunehmend zum Snack verkommt.
Flughafen Rom Fiumicino
Antike trifft Airport: am Flughafen Fiumicino stoßen Reisende auf Giotto zugerechnete Fenster aus dem 14. Jahrhundert, Berninis Skulptur "Salvator Mundi", Nymphen, Apoll und Sabine als Ceres, ja, gleich sieben Skulpturen und Freskenmalereien aus der Zeit des Römischen Reiches. Zumindest in der Verbindungshalle Pier A.
Die wiederaufgenommene Zusammenarbeit mit dem archäologischen Park Ostia Antica hat zudem das Terminal 3 des römischen Flughafens zum 50. Jubiläum der Flughafenvereinigung Roms (Aeroporti di Roma) ganz schön rausgeputzt: Unter dem Titel "L'arte romana e il fluire delle stagioni" (frei übersetzt: Die Kunst Roms und der Fluss der Jahreszeiten) versammelt die Ausstellung auf zwei Ebenen Werke, die sich mit Zeit auseinandersetzen. Wenn der Ausgangspunkt auch nicht bahnbrechend sein mag, so gelingt dem Flughafen zumindest die Einladung zu dieser kleinen Reise. Ergänzt um einzelne Positionen zeitgenössischer Kunst von Marco Lodola, Marcantonio Raimondi Malerba und Manuel Felisi verkürzt sich zumindest die gefühlte Verweildauer im Angesicht der präsentierten Werke in der Ausstellung am römischen Flughafen. Grazie!