Wer "Gott" sagt, denkt an alles Mögliche. Der Theologe Rudolf Otto (1869–1937) führte den Begriff "Numen" in die Religionswissenschaft
ein, um den vielen Assoziationen zu entgehen und ein gestaltloses Göttliches zu umschreiben. Ist es Hybris oder Ironie, wenn ein Künstlerkollektiv sich heute Das Numen nennt? Keines von beiden. Julian Charrière, Andreas Greiner, Markus Hoffmann und Felix Kiessling sind dem Erschauern und der Anziehung auf der Spur, die Otto mit dem Numinosen verband. Eine Publikation stellt nun ihr Werk vor.
In ihrer Arbeit findet man vieles, was auch andere Absolventen des Instituts für Raumexperimente, das Künstler Olafur Eliasson an der Berliner Universität der Künste leitete, auszeichnet: Sie beziehen sich spielerisch auf Wissenschaft und Technik, Stadt und Natur und problematisieren diese Sujets mit einer Kunst, die körperlich, sinnlich und politisch ist. 2013 baute Das Numen im Deutschen Architekturzentrum Berlin ein Mini-Universum auf: eine Lichtinstallation, die Daten aus dem Weltall in Echtzeit verarbeitete. Den Schinkel Pavillon in Berlin verwandelten die vier im selben Jahr in eine Klangskulptur, indem sie Soundsignale auf die Fensterscheiben sendeten und sie so zum Vibrieren brachten – Ottos "mysterium tremendum" ganz wörtlich genommen. Hier kamen die Daten von in der Stadt verteilten Seismografen.
Immer wieder geht es den vier Numen-Künstlern, die auch solo erfolgreich arbeiten, um die Abbildung der Welt in Wissenschaft und Kunst. Bei diesem Lauschen in die Tiefen der Erde, des Alls oder des Lebens der Mikroorganismen entsteht erhabene Schönheit. Das Numen hat die Würdigung durch ein Buch so früh in der Karriere voll verdient. Leider sind die meisten der begleitenden Texte nicht sonderlich hilfreich: Warum abgehoben über eine Kunst schreiben, die zwar komplex aber gerade nicht verschwurbelt ist?