In den letzten zwei Wochen war Dubai, genauer das Expo2020-Gelände, Schauplatz des internationalen Klimagipfels in seiner 28. Ausgabe. Wie vielfach von kritischen Stimmen vorab vermutet, wurde es zur Schlacht zwischen den Beharrungskräften fossiler Energiemächte und Rebellentruppen, die lautstark und vielstimmig einen umfassenden Umbau hin zur Nutzung erneuerbarer Energien forderten. Nicht, dass sich diese Gegner erst seit neuestem gegenüberstehen. Selten aber ist der Kampf um die Zukunft des Planeten sinnbildlicher inszeniert worden als in der Wüstenstadt des Emirates Dubai.
Unter der Führung des Konferenzpräsidenten Sultan Ahmed Al-Jaber – der nicht nur Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch Vorstandschef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC ist – sollte nicht weniger als das Ende der dunklen Seite der Macht beschlossen werden. Auf dem öko-futuristischen Gelände der Expo können eine Reihe von Bauten eines möglichen nachhaltigen Wandels fast vergessen lassen, dass die weitere Umgebung eher als Spiegelbild des Wüstenplaneten Tatooine taugt.
Schon die Expo2020 vor zwei Jahren hat gezeigt: Dubai sieht sich als selbsternanntes Zukunftslabor, als regionales Zugpferd, wenn es darum geht, Gigantismus und Nachhaltigkeit miteinander zu denken. Neben den über 20 Millionen Gästen, die zur Zukunftsschau vor zwei Jahren in der Stadt der Zukunft begrüßt wurden, nehmen sich die angeblich knapp 80.000 COP28-Delegierten für die Weltrettung fast moderat aus.
Hier wird im Schatten eines riesigen Falkens, dem Wappentier der Emirate, verhandelt. Der Architekt Santiago Calatrava hat dieses Motiv für den Expo-Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate gewählt. Bewegliche Flügel bilden das Dach, dass sich innerhalb kürzester Zeit vollständig öffnen lässt und auf die Weise die Stromerzeugung über Photovoltaik-Panels ermöglicht. Im Fall von Sandstürmen bilden dieselben Flügel im geschlossenen Zustand einen wirksamen Schutz. Nachhaltige Energieerzeugung und Resilienz gegenüber Klimaauswirkungen bilden zwei symbolische Flanken der COP und scheinen zu zeigen: Wandel ist möglich.
Vielleicht ist es diesem überwältigenden Optimismus geschuldet, dass die Weltgemeinschaft zu Beginn des Gipfels noch neue Hoffnung schöpft. Entgegen der eingespielten dramatischen Kurve von Klimagipfeln verkündeten die vermeintlichen Gegenspieler im Klimaendspiel eine Erfolgsmeldung: eine Einigung auf einen Finanzierungsansatz, um nicht mehr zu verhindernde Verluste und Schäden versinkender Inseln und anderer besonders verwundbare Länder zu kompensieren.
Aber Achtung, der durch die Vereinigten Arabischen Emirate aufgebrachte Beitrag für den Fond von gut 100 Million Dollar stellt sich schon anders da, wenn man bedenkt, dass für die Schaffung künstlicher Inseln – in Palmenform – vor der eigenen Küste auch schon mal anderthalb Milliarden Dollar aufgewendet werden. Von Skihallen mitten in der Wüste ganz zu schweigen.
Sturmtruppen fossiler Energien
Die Verhandlungsdelegation aus Fidschi oder anderen bald im Meer versinkenden Inselstaaten werden kaum genug Zeit gefunden haben, diese neu erschaffenen Inselwelten zu besuchen. Zu sehr dürften sie mit dem Angriff der Sturmtruppen fossiler Energien auf die Abschlusserklärung des Gipfels beschäftigt gewesen sein. In der sollte eine Zukunft des Planeten ohne Fossile beschlossen werden. Doch es sollte anders kommen.
Taugt der Sultan Ahmed Al-Jaber also als schwarzer Lord? Und wer sind die Jedis, die auf der hellen Seite der Macht stehen und kämpfen? Zumindest die Emirate sind versiert in der Kunst, auch das Lichtschwert mit Erneuerbaren und digitalen Lösungen zu führen, wenn es darauf ankommt. Ihr Minister für Künstliche Intelligenz, Omar Sultan Al Olama, erklärt auf höchster Ebene während des Klimagipfels, wie sich digital die Potentiale der Erneuerbaren noch viel besser erschließen lassen und eine smarte Energieversorgung zu gestalten ist. Während sich so neue Allianzen mit nerdigen C-3POs als Energie-Manager am Horizont abzeichnen, versucht man sich erfolglos vorzustellen, wie denn ein deutsches Pendant so aussehen würde auf der großen Bühne digitaler Lösungen.
Und andere Quellen der Macht? Das jährlich von der NGO Germanwatch erstellte globale Klimaschutzranking unter allen Regierungen lässt konsequenter Weise das Podest der ersten drei Plätze frei. Es gibt keine Gewinner in einer Weltgemeinschaft, die durch die Bank weg so handelt, als könnten sie die Zeichen der Wissenschaft seit drei Jahrzehnten nicht lesen. Und einige von denen, die sich oben auf dem Podest verorten (USA), verkünden irritierender Weise zu Beginn der Konferenz eine neue Koalition für den Ausbau der Atomenergie als Klimaschutzlösung. Fragen nach dem Umgang der Risiken werden ausgeblendet - und auch die Antwort auf die Kostenfrage zur Versicherung möglicher Schäden findet man nicht in der blumigen Ankündigung.
Landschaft mit den dunklen wie hellen Seiten der Macht
Und sonst? Unzählige Beraterinnen und Berater schwirren umher, wie Horden von Jawa-Schrotthändlern versuchen sie aus den Trümmern der Verhandlungen noch nachhaltige Lösungen herauszulesen. Und die in Dubai versammelte NGO-Welt ist zu guten Teilen mit sich selbst beschäftigt und taugt derzeit nur bedingt, die Rolle der Jedis auszufüllen. Wenn sich die organisierte Zivilgesellschaft durch die gegenwärtigen geopolitischen Krisen derart spalten lässt, wird sie nicht in der Lage sein, die Klimakrise nachhaltig zu verhindern. Auf einen ihrer weisesten Klimakrieger, Saleemul Huq, Wissenschaftler und Institutsleiter aus Bangladesch, muss die Klimabewegungen nunmehr verzichten – er verstarb viel zu früh vor wenigen Wochen. Seine Stimme und Rat fehlen. Nun muss sich die Bewegung neu erfinden – viel Zeit bleibt ihr dazu nicht.
Denn in dieser Landschaft mit den dunklen wie hellen Seiten der Macht, drohen die Klimaverhandlungen zu scheitern. In ungewohnt offener Weise outen sich die Vorkämpfer fossiler Energieerzeugung (wie Saudi-Arabien) als Gegner jeglicher Einschränkung der fossilen Macht in der Abschlusserklärung. Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, bekannt als Verkünder unangenehmer Wahrheiten, schimpft über das OPEC-Diktat für die finale Konferenzentscheidung, und die zwölfjährige indische Klimaschützerin Licypriya Kangujam, stürmt in den letzten Stunden der Verhandlungen die Bühne und fordert lautstark "End fossil fuel, save our planet and our future", bevor sie abgeführt wird.
Am Ende trennen sich die dunkle und helle Seite der Macht mit einem schmalen Kompromiss – der Abkehr, nicht der Umkehr – von den fossilen Energien. Und dennoch werden alle Seiten nicht müde, denn Gipfel als historisch zu bezeichnen. Die neue Hoffnung ist eine alte: eine Rückkehr der Jedi-Ritter in Baku im November 2024 zum nächsten Klimagipfel auf Erdölgebiet. Am besten noch bevor die Erde in einen Todesstern mutiert ist – aber das ist dann vielleicht doch etwas zu viel der Analogie.