Angesichts verheerender Haushaltseinsparungen in den Bereichen Kunst und Soziales, wie sie gerade die Berliner Szene erschüttern, erscheint privates Mäzenatentum als notwendiges Privileg. Ein Name tritt zurzeit vermehrt in Erscheinung: Ulrike Crespo. Neben dem nach ihr benannten "After Nature"-Fotografie-Preis in Kooperation mit dem C/O Berlin eröffnete die gemeinnützige Crespo Foundation im Oktober ein eigenes Haus im Herzen von Frankfurt am Main und zeigt dort die Ergebnisse ihres "ArtNature/NatureArt"-Residenz-Programms in Glenkeen Garden im Südwesten Irlands.
Die nach ihrer Stifterin, der Psychologin, Fotografin, Philanthropin und Wella-Erbin Ulrike Crespo (1950-2019) benannte Stiftung legt ihren Fokus auf Kunst, Bildung und soziale Integration. Ein von Michel Müller entworfener "Open Space" mit begrüntem Dach steht als multifunktionaler Kunst- und Begegnungsort diversen Initiativen und Veranstaltungen offen.
Die Ausstellung "Glenkeen Variations" stellt nun die Stipendiaten des seit 2021 bestehenden Aufenthaltsprogramms vor, das sich an internationale Kollektive richtet und im Frühjahr und Herbst für je drei Monate ein Arbeiten in dem entlegenen Landschaftsgarten an der Küste von West Cork County ermöglicht. Im Fokus steht dabei die Beziehung von Kunst, Mensch und Natur an der Schwelle vom Anthropozän zum Techno- oder Novozän.
Der Garten, kultiviert und wild
Knapp zwei Stunden Autofahrt sind es von Cork ins Örtchen Ballydehob, wo sich in den 1960er-Jahren eine künstlerische Aussteigerszene niederließ – unter anderem, weil man sich hier am äußersten Rande Europas in Zeiten des Kalten Krieges möglichst weit weg von einem möglichen nuklearen Angriff fühlte. Von Levi‘s Corner House Pub, einem gewachsenen Schrein lokaler Subkultur und auch heute noch wichtigem Szenetreff, windet sich eine schmale, von Hecken gesäumte Straße hinab zur Roaringwater Bay. Dort erwarb Ulrike Crespo im Jahr 1991 ein etwa sechs Hektar umfassendes Stück wildes Land und gestaltete es in 20 Jahren zu einem beeindruckenden Landschaftsgarten um, in dem sich kultivierte und wild belassene Zonen durchdringen.
Inmitten der von vorzeitlichen Farnen und Flechten bewucherten Hügel, Bambuswälder, Hohlwege, Trockensteinmauern, Kräutergärten und einem Seerosenteich setzt die vom Star-Landschaftsarchitekten Piet Oudolf angelegte meadow aus Gräsern und Stauden auch im Spätherbst farbliche Akzente.
Blickt man vom Ufer des Glenkeen Garden über die dunkle Bucht mit ihren Muschelfarmen, erkennt man am gegenüberliegenden Ufer den phallischen Turm von Kilcoe Castle – der mittelalterlichen Festung, die 1998 von Jeremy Irons gekauft und restauriert wurde. Unweit von Glenkeen, was so viel wie "schönes Tal" bedeutet, befinden sich die sogenannten rough lands, eine wilde Moorlandschaft, die Ulrike Crespo ebenfalls erworben hatte, um sie in ihrem ursprünglichen Zustand zu erhalten.
Lernen von Algen, Moor, Steinen und Kryptogamen
Die Künstler und Kollektive, die zwischen 2021 und 2023 in Glenkeen gearbeitet haben, übersetzen die natürlich oder künstlich gewachsenen Strukturen des Gartens und seiner Umgebung mittels verschiedenster medialer Transfers in den Ausstellungsraum: gesammelte Erzählungen über das Moor und die Herstellung von bog butter als auditive Landschaft (Max Brück, Katerina Sidorova, Yulia Carolin Kothe), das belebte Ökoton zwischen Land und Meer als begehbaren Algenteppich (Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani, Francesca Verga), oder Struktur und Ökosystem der uralten Natursteinmauern in einem poetischen Videoessay (Konstanza Kapsali und Christiana Cheiranagnostaki). Das sich durchdringende Verhältnis von Mensch, Technik und Natur wird als komplexe Beziehung dargestellt – fragil, ambivalent, toxisch, aber auch gegenseitig stimulierend.
In dem speziesübergreifenden Organismus des Duos STRWÜÜ penetrieren Roboterarme die von Flechten bewohnte Oberfläche eines Findlings aus Glenkeen - und erstarren, sobald sie ins Blickfeld eines Satelliten geraten. Moritz Fehrs Videoarbeit "Plant Stress (SPF 50)" visualisiert die Belastung von Pflanzen, die durch äußere Einwirkungen wie UV-Strahlung ausgelöst wird. Den vermeintlich gut gemeinten Versuch, diesen durch Auftragen von Sonnenschutzmittel zu lindern, filmte der Künstler mit UV-Filter, was die Farbigkeit des Bildes umkehrt – ein technischer Kniff, mit dem auch Ulrike Crespo experimentierte.
Einige von Crespos eigenen Fotografien sind in die Ausstellung eingebettet. Die Serie "Unter der Haut des Wassers" entstand mittels einer Unterwasserkamera entlang der Oberfläche eines Gewässers – einem diffusen Zwischenreich, das wiederum die Klangkünstlerin und Biomusikforscherin Tania Rubio auf akustischer Ebene einzufangen versuchte. Die analog-elektronische Komposition "The Language of Water" wurde vom Ensemble Modern im Rahmen der Ausstellung uraufgeführt.
"With or Without You"
Ein Teil der Ausstellung, die auch im Goethe Institut Dublin gezeigt wird, befasst sich mit dem unliebsam gewordenen Plastik, das unseren Lebensraum bis in die Mikroebene durchdringt. Die Klopapiermarke "Nature Soft" animierte Carolin Liebl und Nikolaus Schmid-Pfähler zu einem Experiment über das Paradox von biologisch abbaubarem Plastik. In Petrischalen setzten sie das als biodegradable angepriesene Verpackungsmaterial in der Kompostanlage von Glenkeen Garden der Verwitterung aus – ironischerweise erwiesen sich gerade jene Elemente, die Natur etwa in Form von Blüten darstellten, als besonders widerständig.
In der Ausstellung schillern Bouquets aus zart-farbigen Gewächsen, die wie geblasenes Glas anmuten, jedoch aus abbaubaren Polymeren gezogen wurden. In mit Säurelösung gefüllten Behältern warten sie auf den Verfall – mit Ausstellungsende sollen sie verschwunden sein.
In ihrem "Royal Museum of Termitology und Plastic-Plastic" imaginieren Filippa Pettersson und Kristin Reiman eine ferne postorganische Zeit, in der Termiten gelernt haben, sich von Kunststoff zu ernähren und diesen zu verarbeiten. Da die nicht erneuerbare Ressource zu versiegen droht, werden Kakerlaken rekrutiert, um verborgene Plastikquellen zu erschließen. Den Künstlerinnen standen die Gemeinde von Ballydehob und Wissenschaftler des University College Cork zur Seite, um die posthumane Zivilisation, ihre Institutionen und technischen Errungenschaften wie "Bohrscanning" und "Exkrodruck" minutiös darzustellen.
Die Endlichkeit der Ressourcen ist Programm
Die Enkelin des Unternehmers und Großkunstsammlers Karl Ströher legte die Crespo Foundation als Verbrauchsstiftung an – innerhalb von circa 20 Jahren muss das Stiftungsvermögen in sozialen und kulturellen Projekten ausgegeben werden.
Das entspricht etwa der Entstehungszeit des Gartens, der nach ihrem Tod als Kulturort weiterexistieren sollte – ein begrenztes Zeitfenster, in dem dennoch Nachhaltigkeit entstehen kann. Im März 2025 gibt es einen nächsten Open Call, worauf sich Kunstkollektive für die nächste Saison in Glenkeen Garden bewerben können.