Ausstellung in Berlin

Künstlerin Nan Goldin löst mit Israel-Aussagen Empörung aus

Zum Auftakt einer Ausstellung mit ihren Werken übt die Fotografin Nan Goldin Kritik an Israel und an Deutschland. Lautstarke Aktivisten stimmen ihr zu - und brüllen eine Gegenrede nieder

Die US-amerikanische Fotokünstlerin Nan Goldin hat eine Ausstellung ihres Werks in Berlin mit Kritik am israelischen Vorgehen im Gaza-Krieg eröffnet und damit ihrerseits scharfe Reaktionen ausgelöst. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) nannten Goldins Äußerungen unerträglich einseitig. Empört zeigten sich beide darüber, dass propalästinensische Aktivisten eine Gegenrede des Direktors der Neuen Nationalgalerie, Klaus Biesenbach, zeitweise niederbrüllten.

Die 71-jährige US-Amerikanerin Nan Goldin zählt zu den renommiertesten Künstlerinnen der zeitgenössischen Fotografie. Die Neue Nationalgalerie widmet ihr eine Retrospektive. Die Ausstellung selbst hat mit dem Nahost-Konflikt nichts zu tun.

Goldin begann ihre knapp 14-minütige Rede mit einer vierminütigen Schweigepause, um an die Todesopfer in den palästinensischen Gebieten, im Libanon und auch in Israel zu erinnern. In der Rede sagte sie: "Ich habe beschlossen, diese Ausstellung als Plattform zu nutzen, um meiner moralischen Empörung über den Völkermord in Gaza und im Libanon Ausdruck zu verleihen." Deutschland sei die Heimat der größten palästinensischen Diaspora Europas. "Dennoch werden Proteste mit Polizeihunden bekämpft", sagte sie.

Bezug auf jüdische Vorfahren

"Haben Sie Angst, das zu hören, Deutschland? Dies ist ein Krieg gegen Kinder", sagte Goldin. Sie stammt selbst aus einer jüdischen Familie. "Meine Großeltern entkamen den Pogromen in Russland. Ich bin mit dem Wissen über den Nazi-Holocaust aufgewachsen. Was ich in Gaza sehe, erinnert mich an die Pogrome, denen meine Großeltern entkommen sind."

Außerdem sagte Goldin: "Die gesamte Infrastruktur Palästinas ist zerstört worden. Die Krankenhäuser, die Schulen, die Universitäten, die Bibliotheken. Es ist auch ein kultureller Völkermord. Warum kannst du das nicht sehen, Deutschland?"
 


Goldins Rede wurde von Teilen des Publikums bejubelt. Museumsdirektor Biesenbach wollte entgegnen, war aber wegen der skandierenden Aktivisten kaum zu hören. Diese forderten in Sprechchören unter anderem die "Freiheit Palästinas". Als sich die Lage beruhigt hatte, las Biesenbach die Rede noch einmal vor.

"Unsere Arbeit stützt sich auf grundlegende Werte, die nicht zu negieren sind", sagte er. "Das Existenzrecht Israels steht für uns außer Frage. Der Angriff der Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober 2023 war ein grausamer Terrorakt, der durch nichts zu rechtfertigen ist." Er ergänzte: "Gleichzeitig fühlen wir mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und im Libanon mit, deren Leid nicht übersehen werden darf."

"Unerträglich einseitige Ansichten"

Kulturstaatsministerin Roth erklärte: "Ich bin entsetzt, wie der Direktor der Neuen Nationalgalerie niedergebrüllt wurde." Das sei absolut inakzeptabel. Goldins künstlerische Arbeit sei verdienstvoll. Doch "die unerträglich einseitigen Ansichten der politischen Aktivistin auch zu Israel" lehne sie ab, betonte die Grünen-Politikerin.

Berlins Kultursenator Chialo meinte ebenfalls: "Ich teile die Position von Nan Goldin nicht und empfinde ihre Statements als kaum hinnehmbar. In unserer Stadt Berlin, in der der Holocaust geplant wurde, und die nun für Freiheit steht, ist eine derart geschichtsvergessene Einseitigkeit inakzeptabel." Das aggressive Publikum habe mangelnde Bereitschaft zum friedlichen Dialog gezeigt. "Vor diesen radikalen Äußerungen werden wir nicht weichen", erklärte Chialo.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der die Nationalgalerie gehört, verurteilte die Äußerungen von Goldin und den Protest gegen die Gegenrede ebenfalls scharf. "Das ist nicht unser Verständnis von Meinungsfreiheit." Biesenbach äußerte sich im Anschluss an die Eröffnung noch einmal: "Die Neue Nationalgalerie distanziert sich klar von den Aussagen der Protestierenden und stellt klar, dass sie für Meinungsfreiheit und einen respektvollen Dialog und Umgang miteinander steht."

Goldins große Retrospektive mit dem Titel "This Will Not End Well" ist noch bis zum 6. April 2025 in der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen. Die Ausstellung zeigt Goldins Lebenswerk mit Diashows und Filmen, unterlegt mit Musikstücken und Tonspuren. Für Sonntag ist ein begleitendes Symposium geplant. Roth betonte, Boykottaufrufe gegen diese Veranstaltung lehne sie ab. Sie hoffe auf eine offene und zivilisierte Debatte.