In Dörfern und Metropolen, auf Parkplätzen und Marktflächen, auf Feldern und in Wäldern – solange Leute des Weges kommen, lohnt es sich, künstlerische Fragezeichen in den Raum zu stellen. Seit Anfang der 80er-Jahre greift Christian Hasucha mal mehr mal weniger dezent in den öffentlichen Raum ein, um Reaktionen bei Passanten, Behörden und Medien zu provozieren. Welcher Art die Reaktionen sind, ist ihm eigentlich egal. Der Berliner Künstler will lediglich den Anstoß geben, einen Gesprächsbeitrag abliefern. Der soll ein bisschen ärgern, ein wenig erheitern.
Jetzt steht sein Projekt "Die Insel" als Teil des Festivals "Unter Beobachtung" neben dem Rathaus Ditzingen. Eine grasbewachsene Plattform, über dem Pflaster – die Wiese. Ausgeschnitten, eingefügt. Von hier oben wird die Umgebung zur Bühne, werden normale Straßenszenen zur Inszenierung, und das eigentliche fremdartige Gestell ist schnell vergessen. Nicht nur der 65-jährige Künstler selbst hält sich auf der "Insel" auf, auch Ditzinger sind dazu eingeladen, sich auf der Plattform aufzuhalten.
Wenn der Künstler Dinge und Menschen in neue Zusammenhänge stellt, gewinnt die Umwelt eine neue Bedeutung, erscheint plötzlich als gestaltet und nicht als gottgegebenes Verhängnis. Nicht umsonst steht "Die Insel" wie schon frühere Versionen neben einem Rathaus. Hasucha lässt sich in seiner Arbeit immer auf die Sprache der Bezirksverordnetenversammlungen, der Stadtplanungs-, Bau- und Ordnungsämter ein. So kommt er den Strukturen auf die Spur. Er unterwandert Baurechtsvorschriften, indem er sie parodiert und pervertiert, und diese eulenspiegelhaften Anstrengungen, den Vorschriften zu genügen, sind ein Teil seiner Kunst.
Die Stadt ist unberechenbarer als Leinwand und Öl
In Galerien hingegen hat man schon lange nichts mehr gesehen von dem ehemaligen Maler, der in London Kunst studiert hat. Solche "Interventionen in Privaträumen, die nur Kenner besuchen", wie er die Galerien-Szene nennt, hat er Anfang der 1980er-Jahre hinter sich gelassen. Damals ist er nach Budapest eingeladen worden, wo er Raketenflügel an Masten, Pfeiler und Pfähle lehnte, so dass diese sich in Flugkörper verwandelten. Er liebte schon als Maler den Widerstand des Materials, aber die Erfahrung mit dieser Intervention Nr. 1 ging weiter, war radikaler: Die Stadt ist unberechenbarer als Leinwand oder Öl und überrascht auch den Künstler.
Hasucha beschloss, fortan im öffentlichen Raum auszustellen und statt mit Galeristen mit Kuratoren und Kulturämtern zusammenzuarbeiten. Und seine Kunst sollte temporär sein, weil ein Gesprächsangebot nicht von Dauer sein kann, sondern stets erneuert werden muss.
Seither reist er umher, interveniert in der ostdeutschen Provinz genauso wie in der westdeutschen, in Polen und in Estland wie in Italien und Spanien. Er baut mit viel handwerklichem Geschick Podeste, Brücken und wundersame Geräte gegen die Eintönigkeit einer verwalteten Welt aus Fußgängerzonen, Malls und Werbeflächen.