Wie es sich wohl anfühlt, wenn Menschen sofort an eine verboten teure Handtasche denken, sobald man sich ihnen vorstellt? Gewusst haben wird das die am Sonntag gestorbene Jane Birkin, deren Namen das nach ihr benannte Hermès-Accessoure letztlich in die Unsterblichkeit überführt hat. Während der Herbstshow des Labels 2012 sagte Birkin: "Wenn ich jetzt nach Amerika gehe, um zu singen, sagen sie 'Birkin? Like the bag?', und ich sage 'Ja, in der Tat: und die Tasche wird jetzt singen'". Der Luxusartikel, aus einer zufälligen Begegnung heraus entstanden, hing ihr nach und wurde zu einem gesellschaftlichen Statussymbol, mit dem sich Birkin selbst kaum identifizieren konnte.
Die britisch-französische Sängerin und Schauspielerin galt bis zuletzt als eine der nie vergehenden Mode-Ikonen. Gerade die 1960er- bis 1980er-Jahre hatte sie mit ihren Schlaghosen und Miniröcken geprägt. Den modischen Rhythmen entsprechend inspirierte Birkin immer wieder aufs Neue junge Frauen dazu, Häkelkleider zu tragen, sich einen Pony zu schneiden oder eine kleine Korbtasche zuzulegen. Das helle, runde Geflecht mit passendem Deckel galt lange als Birkins Lieblingshandtasche. Er wurde zu einer Art Markenzeichen, das immer einen nostalgischen, ländlichen, französische Riviera-Vibe versprühte und schließlich auch einen kleinen Part zur Erfindung der Birkin-Bag beitragen sollte.
1981, wenige Tage bevor Jane Birkin einen Langstreckenflug boardete, der die Modewelt verändern sollte, war ihr damaliger Ehemann Jacques Doillon mit seinem Auto über den treuen Korb gerollt. Birkin selbst erinnerte gar nicht mehr, welche Art Tasche sie letztlich auf dem Air-France-Flug bei sich trug, bloß, dass alles aus ihr herausfiel. Sie war in die erste Klasse befördert worden, und neben ihr saß der Hermès-Inhaber Jean-Louis Dumas, der ihr zu einem Modell mit Innentaschen riet.
"Ich mache die für dich"
Birkin wünschte sich in der Tat eine Tasche, größer als die ebenfalls legendäre Hermès-Kelly-Bag, aber kleiner als ein Koffer, in der sie alles mitnehmen könnte, was sie brauchte. Schließlich zeichnete sie ein Modell auf einen Spuckbeutel aus Papier. Und Dumas versicherte: "Ich mache die für dich".
Als Jane Birkin schließlich die Ateliers des französischen Luxushauses besuchte, bot Dumas ihr ein Tauschgeschäft an: Sie bekam ihre speziell angefertigte Tasche, er durfte das Modell produzieren und nach ihr benennen. Jährlich bekam sie von dem Modeunternehmen dafür eine gewisse Summe überwiesen, ein Dankeschön an ihren Namen, der dazu beigetragen hatte, der Birkin-Bag ihren bis heute anhaltenden Kultstatus zu verpassen. Die Modeikone war wohl glücklich mit ihrem edlen Korbersatz, hätte sich den bald folgenden Hype jedoch sicher nicht vorstellen können - und vermutlich auch nicht gewünscht.
Das Design war wie gewünscht klassisch und praktisch entwickelt worden. Geräumig, inklusive kleiner "Füße", sodass die Tasche unversehrt auf dem Boden abgestellt werden konnte. Doch rasch änderte sich das Image der Birkin-Bag und sie entwickelte sich zu einem Luxusgut mit exorbitantem Preis. Feinste Handwerkskunst, bestes Leder und stundenlange Handarbeit machten ihn laut des Modehauses aus.
Die alles überdauernde It-Bag
Doch gerade limitierte Kollaborationen, exotische Materialien und Edelsteinbesatz lassen Versionen von Jane Birkins Namenszwilling zu Sammlerstücken mit Eigentumswohnungs-Preisen werden. Wenn man sich überlegt, dass die Muse der Tasche jahrelang mit einem simplen Einkaufskorb zufrieden war, wird die Absurdität noch deutlicher. Die teuerste Birkin-Bag, genannt Sac Bijous Birkin, bestehend aus Roségold, ist mit 2712 Diamanten besetzt und kostet um die zwei Millionen Dollar. Sie kann auch als Armband genutzt werden.
Für 500.000 Dollar hatte David Oancea 2019 die Himalaya Birkin erworben. Doch auch die klassischen Modelle, etwa die schwarze, 40 Zentimeter breite Version aus Kalbsleder, die Jane Birkin selbst ausführte, scheinen unmöglich zu bekommen. Nicht nur des Preises wegen – sie kosten 10.000 bis 30.000 Euro – sondern auch, weil ein Normalsterblicher, der keine Kundengeschichte mit dem Hause Hermès hat, sie dort gar nicht einkaufen kann. Exklusivität ist das Stichwort, wenn es um die Birkin-Bag geht.
Während die Tasche kurz nach ihrem Launch noch keine große Hysterie schürte, wurde sie in den späten 1990er-Jahren zu einem wahren Statussymbol und löste die Ära der "It-Bags", aus. Taschen, die ganze Saisons bestimmten. Ohne sie war ein Outfit nichts, ohne sie gehörte man ganz offensichtlich nicht dazu. Die Louis Vuitton Speedy hatte ihre Zeit, die Balenciaga Motorcycle oder auch Alexander Wangs Rockie. Doch die ungeschlagene, alles überdauernde It-Bag bleibt ganz klar die Hermés-Kreation.
Jeder nur eine Birkin
"Das ist keine Tasche! Das ist eine Birkin!" Mit diesem Satz startete Samantha Jones in "Sex and the City" kurzerhand eine überaus erfolgreiche Marketingkampagne für die Marke und verlängerte so die Warteliste für das Accessoire um das Dreifache. In der Folge, die 2001 ausgestrahlt wurde, überspringt Jones mit der Hilfe einer berühmten Kundin die fünfjährige Warteliste für eine Birkin-Bag und krönt die Tasche, Pardon, Birkin, endgültig zu einem Objekt der Begierde.
Und Hermès versteht es, ihre Exklusivität aufrecht zu halten, die das Lederaccessoire zu einem kaum zu bekommenem Produkt werden lässt. Streng überwacht das Haus die Anzahl der jährlich hergestellten Exemplare und welche Geschäfte wie viele vertreiben dürfen. Nur die elitärste Verbrauchergruppe hat Zugang zu den Kapitalanlagen aus Leder und ihre Mitglieder dürfen nicht mehr als eine im Jahr kaufen. Der limitierte Zugang erhöht die Nachfrage enorm. Eine Studie des Jahres 2017 ergab, dass der Wert der Birkin-Bags in den letzten 35 Jahren um 500 Prozent gestiegen ist. Und auch die Preise steigen ständig an. 5 bis 10 Prozent mehr kostet eine Birkin-Bag dieses Jahr als noch im letzten.
So wurde die Tasche zu einem exklusiven Investment, eine Anlage, die manche Sammlerinnen sogar Gold vorziehen. Victoria Beckham soll etwa 100 besitzen, Kim Kardashian schenkt sie ihren engsten Freundinnen, Kate Moss nutze sie als Wickeltasche, als ihre Tochter Lila Moss zur Welt kam. Rapperinnen und Realitystars paaren sie farblich abgestimmt zu ihren Outfits. Dabei ist sie oft leer, was gegen die ursprüngliche Idee spricht. Jeder, der etwas auf sich hält und die richtigen Kontakte pflegt, hat mindestens eine Birkin-Bag im Schrank. Vermutlich aber mehrere.
Als hätte die Katze drauf gesessen
Jane Birkin aber betonte, dass sie stets nur eine der Taschen besaß. Dieser jedoch verlieh sie so viel Stil, Leben und Nutzen, wie keine andere Trägerin es wohl je könnte. Lässigkeit bedarf es, um eine Birkin-Bag im Sinne der verstorbenen Legende zu tragen. Wird eine Luxustasche zum täglichen Begleiter, zu einem praktischen Alltagsgegenstand, dessen Wert nur für das geschulte Auge sichtbar ist, dann erst geht das Konzept auf. Dann entsteht eine richtige und wichtige Balance, die das Understatement seiner Trägerin offenbart.
"Eine Tasche macht keinen Spaß, wenn sie nicht umhergeworfen wird, so dass es aussieht, als ob die Katze darauf gesessen hätte - und das hat sie meistens auch. Vielleicht ist die Katze sogar drin!", lautet eines von Jane Birkins meist zitierten Statements über die Tasche ihres Lebens. Sie wünschte sie sich sogar aus Plastik oder Kork, um sie leichter und noch praktischer zu machen, verzierte sie mit Anhängern und Bändern, machte sie sich zu eigen. Sie trug die Tasche, nicht andersherum. Und das schaffen viele neue Birkin-Besitzer nicht. Eines ist sicher: Jane Birkin, eine runde Korb-Tasche und die Hermès Birkin-Bag kommen nie aus der Mode.