Der Blick so frei wie auf das Eismeer der Ostsee! Keine bunten Figürchen, die Trost spenden wollen, wo keiner zu haben ist, kein geraubtes Blattgold, kein Leidensfetisch. Mir dem radikalen Umbau der einst von Friedrich dem Großen initiierten Sankt-Hedwigs-Kathedrale durch das Büro Sichau & Walter und den Künstler Leo Zogmayer hat das Erzbistum Berlin nun eine Bischofskirche, die zu ihr passt: klar, leuchtend, minimalistisch, geprägt von der Weite der Ebenen, in denen Katholizismus nur in versprengten Gemeinden praktiziert wird, kein Auftriumphieren einer Institution, sondern bescheidene Beharrlichkeit, auch während der DDR-Zeit. Der Einzelne kann in dem Bau am Bebelplatz ungestört sein Verhältnis zu Gott überprüfen, die Kirche ist hier unaufdringliche Helferin. Ein Halbkugel-Altar in der Mitte des Raums, zwei Skulpturen, ein Kreuzstab, ein Ewiges Licht, ein kleiner Tabernakel wie ein Schmuckkästchen – und über allem eine weiße Kuppel mit einem Penrose-Muster, bei dem sich nie ein Grundschema wiederholt. Das Licht strahlt durch eine Öffnung in der Kuppelspitze. Der Besuch der Kathedrale ist eine irritierende Erfahrung: Hat die durch die Missbrauchsskandale erneut zerrüttete katholische Kirche doch noch eine Zukunft? Immer noch und immer wieder?