Die Nase gerümpft haben so manche Besucher aus der Architekten- und Immobilienszene, als der deutsche Beitrag zur diesjährigen 18. Architekturbiennale von Venedig vorgestellt wurde. Keine Architektur zu sehen, keine Entwürfe, nicht einmal Fotos von Gebautem! Stattdessen ein Materiallager von lauter Secondhand-Objekten, zusammengeklaubt aus den Pavillons der Kunstbiennale des Vorjahres, dazu rechts eine blitzsauber aufgeräumte Werkstatt. Das Ganze unter dem Doppel-Titel "Open for Maintenance. Wegen Umbau geöffnet", was nicht exakt dasselbe bedeutet, aber Ähnliches meint – nur eben nicht den Neubau, auf den doch alles Interesse gerichtet ist.
Stattdessen zog das Team um die Zeitschrift "Arch+" einen Schlussstrich unter die nimmer endende Neubauwut. Mit dem Materiallager, sorgfältig seit über einem Jahr gesammelt, inventarisiert und katalogisiert, sollten Initiativen in und um Venedig angeregt und unterstützt werden, die damit Reparaturen oder kleinere Anbauten bewerkstelligen wollten.
Und es hat geklappt, wie das Team zum Ende der Biennale am kommenden Sonntag mitteilt. Hier wurde einer der letzten verbliebenen Bootswerften der Lagunenstadt eine neue Rampe installiert, da einem Sportklub ein Kassenhäuschen, drittens ein Café in ein Gebäude integriert. Nichts Großes, sondern Nützliches; Vorhaben, für die man wohl keine Ausschreibung startet, die aber ungemein alltagswichtig sind. Eben wie Reparaturen am eigenen Haus, der eigenen Wohnung.
Venedig braucht ein kommunales Materiallager
Voraussetzung war die Zusammenarbeit mit Studierenden der lokalen Architekturfakultät, denn es ging auch um den Lerneffekt: darum, den Bauunterhalt und die Arbeit mit Recyclingmaterial als gleichermaßen wichtig zu erkennen, neben dem Neubau, den es im gewohnten Umfang künftig nicht mehr geben wird.
So eine richtige Maintenance-Bewegung hat das deutsche Team in Venedig noch nicht ausgelöst. Auch klingt in der Abschlussbilanz die Klage über mangelnde Gewährleistung und fehlenden Versicherungsschutz an, die einer professionellen Tätigkeit bislang im Wege stehen. Aber dass der Ankündigung zu Beginn der Biennale Mitte Mai Taten in den sechs Monaten seither gefolgt sind, die die Ernsthaftigkeit des Teams um Anh-Linh Ngo von "Arch+" sowie den beiden Architekturbüros Juliane Greb und Summacumfemmer bezeugen, hat bei Politik und Medien Anerkennung gefunden.
Lange bekannt ist der Spruch,"Think global, act local". Der deutsche Beitrag für Venedig ist dafür geradezu ein Musterbeispiel: Die globale Energiebilanz im Kopf, hat man vor Ort etwas Nützliches geleistet. Und nie, nie wieder soll es eine Biennale geben, die wie alle ihre Vorgängerinnen Tonnen von Bauschutt hinterlässt. Sondern nur noch sinnvoll nutzbares Recycling-Material. Was Venedig braucht, ist ein kommunales Materiallager nach dem Vorbild des deutschen Biennale-Beitrags.