Intelligenz ist das Wort der Stunde. "Jeder spricht über Intelligenz", begann Carlo Ratti als Generalkommissar seine Vorschau auf die kommende Architekturbiennale von Venedig. Sie wird vom 10. Mai bis zum 23. November 2025 zu sehen sein. Und so hat Ratti denn auch "Intelligenz" zum Titel seiner, der 19. Biennale gewählt, unterteilt in "natürliche, künstliche, kollektive Intelligenz". Mit einem kleinen Trick, denn "Intelligens" schreibt er lateinisch mit s, um so auch das Wort gens zu fassen, verstanden als menschliche Spezies. Denn um die geht es schließlich.
Die Situation sei "nicht mehr die gleiche wie noch vor ein oder zwei Jahren", nahm Ratti die Dringlichkeit des Klimawandels in den Blick. Er sprach bei der aus dem Biennale-Hauptquartier nahe San Marco online übertragenen Pressekonferenz am Dienstagmittag von der "Klimakrise" als der "bestimmenden Herausforderung unserer Zeit". Und Venedig sei "vielleicht die am stärksten gefährdete Stadt der Welt". Was an diesem Ort ungefähr hieß, Eulen nach Athen zu tragen. Schließlich weiß jeder, der in Venedig lebt oder regelmäßig hierher kommt, um die Fragilität dieser auf und ins Wasser gebauten Stadt.
Aber Ratti ist nicht umsonst (auch) studierter Ingenieur, und als solchem liegt ihm Weltuntergangsstimmung fern. "Wie können wir der Herausforderung des Klimawandels begegnen?", lautet seine rhetorische Frage. Kaum Konkretes wollte und durfte er über seine Pläne verraten; nur so viel, dass er die Stadt Venedig zum Reallabor der Untersuchungen zur Intelligenz machen will. In drei Kapitel ist folglich die Hauptausstellung unterteilt. Sie allein hat Ratti als Kurator der Biennale zu verantworten.
Zwischen temporär und dauerhaft
Das Kapitel "Natürliche Intelligenz" ist der Formung unserer Lebenswelt über Millionen von Jahren hinweg gewidmet. Ihr zur Seite tritt zweitens die "Künstliche Intelligenz" des Denkens, und nicht minder bedeutend, drittens die Kollektive Intelligenz" menschlicher Gemeinschaften, bevor Architekten als solche in Erscheinung treten. Um aber keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ratti will "die Architektur wieder ins Zentrum der Biennale zurückbringen". Das war, durfte man sich als Zuhörer ergänzen, mindestens bei der zurückliegenden 18. Ausgabe im vergangenen Jahr nicht mehr der Fall.
Der Zentralpavillon, der einstige Padiglione Italia in den Giardini, wird im kommenden Jahr wegen Grundsanierung nicht zur Verfügung stehen. Ratti will daher mit einzelnen Projekten als "Living Lab" in die Stadt Venedig gehen; welche und wohin, darauf mochte er noch keinen Hinweis geben. "Venedig kann der Ort sein, der Lösungen für uns bereitstellt", meinte er nur: "Einiges wird temporär sein, einiges kann dauerhaft werden."
Auf jeden Fall soll das, was gebaut oder konstruiert wird, "zirkulär" sein, nichts soll verschwendet, alles wiederverwendbar werden. Unmittelbare positive Auswirkungen für die Bewohner Venedigs werden erhofft, insbesondere in Bereichen wie Energie und Mobilität.
Architektur wird nicht mehr als Teil der Lösung gesehen
Naturgemäß betonte Ratti die Autonomie der nationalen Beiträge. Gleichwohl möchte er sie gerne "koordinieren" und denkt zurück an die von Rem Koolhaas geleitete Biennale des Jahres 2014, wo dies gelungen sei. Die trug übrigens den Titel "Fundamentals" und war der Selbstvergewisserung der Architektur gewidmet. Eben darauf dürfte auch der nahe Boston am MIT lehrende Ratti zielen. Aus den Ideen der nationalen Beiträge hofft er, eine Art "Werkzeugkasten" zur Lösung der anstehenden Probleme kombinieren zu können. Ausdrücklich wandte er sich an die Öffentlichkeit mit dem Versprechen, dass es einen "offenen Raum für Ideen" geben und "jede Stimme gehört werden" solle.
"Architektur steht im Mittelpunkt", so Ratti, "aber nicht allein. Sie ist Teil einer weit gespannten Sphäre, die Kunst, Ingenieurwesen, Biologie, Computerwissenschaften, Sozialwissenschaften und andere Bereiche einbezieht und sie mit der Materialität des städtischen Raumes verbindet." Und nochmals kam er auf den Klimawandel als alles überwölbende Problemstellung zurück: "Es geht nicht darum, ob Veränderung etwas Gutes oder Schlechtes ist – sie ist dringend." Sorge macht Ratti der Pessimismus, der die junge Generation an den Universitäten erfasst habe: Architektur werde von ihr "nicht mehr als Teil der Lösung angesehen".
Kein Zweifel – Carlo Ratti sieht demgegenüber in der Architektur auch in Zukunft das Potenzial, sich der Krisenproblematik zu stellen. Mit aller Intelligenz, die dieser Disziplin zur Verfügung steht.