Die Drohung von US-Präsident Donald Trump, im Falle iranischer Angriffe auf US-Ziele auch bedeutende Kulturstätten im Iran zu attackieren, ist nach Ansicht von Experten ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Allein die Ankündigung, die territoriale Souveränität eines Landes zu verletzten, sei eine Bedrohung des Friedens. "Und das ist nach der UN-Charta der Vereinten Nationen verboten", sagte der Leipziger Völkerrechtler Alexander Schwarz der Deutschen Presse-Agentur am Montag.
Trump hatte am Samstag mit Angriffen auf Dutzende iranische Ziele gedroht, darunter auch kulturell bedeutende Orte. Die Drohung des Republikaners sorgte im In- und Ausland für Entrüstung. Er reagierte damit auf Vergeltungsdrohungen aus Teheran wegen der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani bei einem US-Angriff im Irak in der Nacht zum Freitag. Am Sonntagabend (Ortszeit) bekräftigte Trump seine Drohung. Der Iran töte Amerikaner, foltere sie und sprenge sie mit Bomben in die Luft - "und wir sollen ihre Kulturstätten nicht anrühren dürfen? So funktioniert das nicht", sagte Trump nach Angaben von Journalisten.
Die UN-Kulturorganisation Unesco wies Washington darauf hin, dass sich die USA verpflichtet haben, keine kulturellen Stätten vorsätzlich anzugreifen. Die internationale Gemeinschaft habe eine Pflicht, das Kultur- und Naturerbe für die kommenden Generationen zu bewahren, sagte Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay am Montag in Paris.
Kritik vom Metropolitan Museum of Art
Das Metropolitan Museum of Art in New York schloss sich der Kritik an. Direktor Max Hollein und Geschäftsführer Daniel H. Weiss veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Drohung "abscheulich für die kollektiven Werte unserer Gesellschaft" nannten. "In dieser herausfordernden Zeit müssen wir uns an die globale Bedeutung des Schutzes von Kulturstätten erinnern - Objekte und Orte, durch die Individuen, Gemeinschaften und Nationen mit ihrer Geschichte und ihrem Erbe verbunden sind."
Der Völkerrechtler Schwarz sagt, sollte Trump seine Drohungen wahr werden lassen und tatsächlich Angriffe auf Kulturgüter wie das Unesco-Welterbe befehlen, würden die USA Kriegsverbrechen begehen. Die Zerstörung klassischer Kulturgüter sei ein Musterbeispiel von Kriegsverbrechen.
In den sozialen Netzwerken reagierten viele Nutzer auf die Drohungen Trumps entsetzt. Unter dem Hashtag #IranianCulturalSites posteten sie Fotos der kulturellen Sehenswürdigkeiten des Irans, von denen viele zum Unesco-Welterbe gehören.
"Diese Orte spielen für die iranische Identität, sowohl von religiösen Menschen als auch Intellektuellen eine große Rolle", erklärt Kianoosh Rezania, Professor an der Ruhr-Universität Bochum.
Für den Experten altiranischer Kultur und Religion ist alleine die Aussprache einer solchen Drohung ein Zeichen dafür, dass es tatsächlich geschehen könnte. Wichtige kulturelle Orte im Iran sieht er beispielsweise in den jahrtausendalten Ruinen der Perserstadt Persepolis. Kaum ein Ort repräsentiert die Kulturgeschichte Irans so symbolisch wie dieser. Aber auch die religiöse Stadt Isfahan mit seinen Moscheen und dem berühmten Platz "Naghsch-e Dschahan" stünden symbolisch für iranische Kulturgeschichte.
22 Unesco-Kulturstätten im Iran
Der Iran besitzt 22 Kulturstätten und zwei Naturgebiete, die zum Unesco-Welterbe zählen und an die kulturelle Blüte der Perserreiche erinnern. Ebenso die Bauten aus den verschiedenen Epochen nach der Islamisierung im siebten Jahrhundert. Sie alle zählen heute zum nationalen Stolz Irans. Eine Zerstörung hätte hohen symbolischen Charakter.
Nach dieser Drohung rücken viele Iraner zusammen. "Sogar mit dem Mord an Soleimani haben sich diejenigen, die eigentlich gegen die Regierung sind, mit der Regierung gegenüber ausländischen Kräften, insbesondere den USA, solidarisiert", so Rezania. Gleichzeitig hätte die erneute Drohung Trumps dazu geführt, dass sich nun auch religiöse Schichten mit nichtreligiösen Iranern solidarisieren, sollten Kulturstätten aus vorislamischer Zeit angegriffen werden.
Zerstörung kultureller Orte im Mittleren Osten? Das erinnert eher an die Buddha-Statuen von Bamian in Afghanistan, die im März 2001 von Kämpfern der Taliban gesprengt wurden. Auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte in den vergangenen Jahren Kulturdenkmäler von unschätzbarem Wert zerstört - unter anderem im syrischen Unesco-Weltkulturerbe Palmyra und in Ninive sowie Nimrud im Irak.