Um die Künstliche Intelligenz (KI) ist es in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden. Woran liegt’s? Weil wir inzwischen wissen, dass der Mensch es an Abgründigkeit mit dem Algorithmus aufnehmen kann? Die Tiefpunkte der letzten Zeit waren menschengemacht, vom Angriffskrieg auf die Ukraine bis zum Terrorangriff der Hamas auf Israel. Man steht vor diesen Ereignissen und reibt sich die Augen, versucht zu begreifen, was geschehen ist und wie das Geschehene zu bewerten ist. Zwischenfazit: Nichts, auch nicht die KI ist ungeheurer als der Mensch.
KI ist an einem Punkt, an dem die Technologie tief in unseren Alltag vorgedrungen ist. Die Technologie ermöglicht es der Medizin, Tumore besser zu erkennen und Behandlungspläne zu erstellen. Sie erhöht im Verkehr die Sicherheit und spricht Empfehlungen für Filme, Produkte und Musik aus. All das gibt uns kaum einen Grund, die künstliche Intelligenz abzulehnen. Weiterhin problematisch ist allerdings unser Verhältnis zur generativen KI. Die Software ist heute in der Lage, überzeugende Texte, Bilder, Videos, Musik oder andere Inhalte zu generieren, sie beherrscht derart virtuos sprachliche Systeme, dass sie in direkte Konkurrenz mit dem Menschen tritt. Das irritiert.
Im November 2022 machte das Unternehmen OpenAI die Software ChatGPT-3 für die Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich. Innerhalb von fünf Tagen meldeten sich eine Million Nutzer an. Mitte März wurde dann GTP-4 veröffentlicht. Das Tool nutzt künstliche Intelligenz, um menschliche Sprache zu verstehen und eine der menschlichen Sprache ähnelnde Antwort zu erzeugen. Inzwischen warnen nicht wenige Forscher vor den Risiken der KI. Eine Studie der Universität Oxford kommt zu dem Ergebnis, dass eine durch KI erzeugte "existenzielle Katastrophe nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich" sei. Auch ein nuklearer Angriff durch KI wird von Wissenschaftlern für möglich gehalten. OpenAI hat dazu erklärt, auf diese Risiken angehen zu wollen sowie an Fragen der Sicherheit und ethischer Standards zu arbeiten.
Haben wir zuviel Angst vor der KI?
Es liegt an uns, dieses Konkurrenzverhältnis als Bedrohung oder als Herausforderung zu betrachten. Die Kooperation zwischen Mensch und künstlichem System steht noch ganz am Anfang. WangShui, 1986 in Texas geboren, arbeitet seit einigen Jahren mit KI. Die Künstlerin zeichnet Akteure mithilfe der Motion-Capture-Technik auf und überlässt die Choreografie dann einem Programm namens Deep Reinforcement Learning. Dabei bezieht sich WangShui auf Octavia Butlers literarische Science-Fiction-Trilogie "Xenogenesis", in der Tentakelwesen mit Menschen hybride Nachkommen erzeugen. WangShuis Installation "Toleranzfenster" zählte zu den interessantesten KI-gesteuerten Ausstellungen des vergangenen Jahres.
Für eine produktive Nutzung der Algorithmen steht auch WangShuis Kollegin Hito Steyerl. In Arbeiten wie "This is the Future" (2019) propagiert Steyerl die Tradition der vorhersagenden Einbildungskraft. Dieser lebenswichtigen Kulturtradtion stellt die Künstlerin das Gespenst einer mechanischen Wiederholung des Vergangenen entgegen. Für die Videoinstallation "This is the Future" ließ Steyerl eine KI einen Garten konzipieren, in dem jede Pflanze mit sonderbaren Eigenschaften ausgestattet wurde, die in Texten beschrieben werden. Für "Chenopodium Botrys Futuris" etwa gilt: "Das Gewächs ist krass. Es tut gar nichts. Tu dasselbe und du fühlst dich gut".
Haben wir zuviel Angst vor der KI? Vielleicht sollten wir entspannen und es – wie auch von Hito Steyerl empfohlen – mit dem Spruch des Martial-Arts-Darstellers Bruce Lee halten: "Be water, my friend“. Das ganze Zitat geht so: "Empty your mind, be formless, shapeless — like water. Now you put water in a cup, it becomes the cup; You put water into a bottle it becomes the bottle; You put it in a teapot it becomes the teapot. Now water can flow or it can crash. Be water, my friend."