"Weißt du, warum Liebe als rotes Herz dargestellt wird?“ Mit dieser trivialen Frage beginnt der Animationsfilm "Doggy Love" des aus Hongkong stammenden Wong Ping. Was erst mal harmlos wirkt, ein rotierendes Herz mit Gesicht vor Konfetti-Hintergrund, wird schnell makabrer Ernst. Wong Ping erzählt eine Geschichte über pubertierende Jugendliche, Mobbing und stereotype Körperbilder in bonbonfarbenen Animationen, die an MTV-Einspieler aus den 90er-Jahren erinnern, gesprochen in Kantonesisch mit Untertiteln. Ein Junge verliebt sich in ein Mädchen, dem die Brüste auf dem Rücken gewachsen sind, was es nicht besonders zu stören scheint, aber Anlass für allerlei gemeine Streiche und Sexfantasien der Jungs bietet. Am Ende finden die beiden aber zusammen, die körperliche Anomalie entpuppt sich als großer Pluspunkt bei der titelgebenden Sexstellung. Der Film endet mit einem Bild der roten, herzförmigen Lippen des Mädchens und dem Satz: "Die Form des roten Herzens siehst du nur, wenn du neben der Person liegst, die du liebst." Also doch ein Happy End?
Wong Ping, Jahrgang 1984, bedient sich in seinen Filmen – sieben davon sind derzeit in seiner ersten institutionellen Einzelausstellung überhaupt in der Kunsthalle Basel zu sehen – immer wieder einer Mischung aus kindlicher Naivität, explizitem Sex und unverhohlener Gewalt, wie man sie von "Tom und Jerry" oder den ebenfalls von MTV in den Nullerjahren ausgestrahlten "Happy Tree Friends" kennt. Darin verpackt er präzise Beobachtungen der zu Normalität gewordenen Widrigkeiten der heutigen Zeit, in der es zwischen Tinder, YouPorn und Slow Living immer weniger Tabus gibt. Geheime Begierden und Zwänge, Entfremdung und Isolation, Fluch und Segen des Internets, all das legt Wong Ping in seinen nüchtern erzählten Geschichten auf den Tisch.
Fasziniert von der Erzählweise der Brüder Grimm und dem griechischen Dichter Äsop, zeichnet der Künstler in seinem neuesten Opus "Wong Ping’s Fables" absurde Kurzgeschichten über die Grundbedürfnisse und Nöte der Menschen. Die Hauptrollen übernehmen verschiedene Tiere, inhaltlich basieren die Geschichten auf Erlebnissen aus Wong Pings Umfeld. Erzählt wird von Inspektor Huhn, einstiger Internetstar, der an seinen sinkenden Follower-Zahlen auf Social Media zugrunde zu gehen droht. Oder von der Elefantin, deren ungleicher Partner Schildkröterich sie ausnutzt, weil sie Schlupflider hat und nicht sehen kann. In Korea ist die Augenlid-Korrektur von Schlupflidern zu "europäischen" Augen die am häufigsten durchgeführte Schönheits-OP und beliebtes Geschenk zum 18. Geburtstag. Am Ende steht die Moral: "Deine Zeit wird kommen, wenn schlechter Geschmack und Gemeinheit Trend werden."
Die Geschichte von Wong Pings Ruhm und der Anerkennung, die ihm in den letzten zwei Jahren fast kometenhaft entgegenfliegt, liest sich selbst ein bisschen wie ein Märchen. Nach der Arbeit in einem Fernsehstudio saß der studierte Designer nächtelang am Computer, brachte sich selbst das Animieren bei und stellte die Ergebnisse ins Netz. Nach ersten Erfolgen bei Filmfestivals entdeckte ihn das Hongkonger Museum M+, dann folgte eine kommerzielle Galerie, und plötzlich war er Künstler, ohne vorher je mit der Kunstwelt in Berührung gekommen zu sein. Sein Werk ist herrlich erfrischend und unmittelbar, und so tut es der Ausstellung keinen Abbruch, dass die Versuche, die Figuren aus den Fabeln als überdimensionale Gummitiere oder Winkekatzen mit Dildo-Armen auf plüschigen Teppichen in den Raum zu holen, etwas überambitioniert wirken. "Glück ist nur real, wenn es geteilt wird", heißt es in einer der Fabeln zum Schluss. Die Besucher der Ausstellung schienen jedenfalls sehr glücklich.