Manifesta 15 in Barcelona
Die Manifesta ist weitergezogen: In diesem Jahr findet die in1996 in Rotterdam gestartete Wanderbiennale in der Metropolregion um Barcelona statt. Mit drei Schwerpunkten - "Balancing Conflicts", "Cure and Care" und "Imagining Futures" - eröffnet die Manifesta 15 Einblicke in bisher unbekannte Gebiete und belebt verlassene Orte wie das frühere Heizkraftwerk mit drei hoch aufragenden Betonschloten im Norden Barcelonas. Die Kuratorin Filipa Oliveira bezieht Werke von Kunstschaffenden wie Korakrit Arunanondchai, Claire Fontaine, Judy Chicago, Jeremy Deller, Eva Fàbregas, Ana Mendieta, Katja Novitskova, Lin May Saeed, Marianna Simnett, Antoni Tàpies oder Wu Tsang ein.
Manifesta 15, Orte in und um Barcelona, 8. September bis 24. November
Mark Bradford in Berlin
"Manifest Destiny" ist ein wesentlicher Begriff der US-amerikanischen Erzählung. Er steht für die vermeintlich gottgegebene Aufgabe, den nordamerikanischen Kontinent zu kolonisieren, und dient heute als Rechtfertigungsgrundlage der interventionistischen Politik der USA. Das monumentale Gemälde "Manifest Destiny" des Künstlers Mark Bradford (geboren 1961) spielt auf diese Ideologie an und verbindet Kritik am US-amerikanischen Expansionismus mit der Kritik an sozioökonomischer Ausbeutung.
Die Worte "Johnny Buys Houses", in Großbuchstaben auf den drei Paneelen zu lesen, verweisen auf die Enteignung, Vertreibung und kulturelle Auslöschung, die arme und marginalisierte Communitys bedrohen. Wie in vielen seiner Werke hat Bradford hier zahllose Poster und Werbeanzeigen verwendet, die er im urbanen Umfeld seiner Heimatstadt Los Angeles gefunden hat. Anhand dieser Materialien, die er schichtet, collagiert und bearbeitet, kreiert er seine raumgreifenden Gemälde, die nicht nur das Medium selbst herausfordern, sondern die Betrachtenden mit drängenden Fragen konfrontieren. Identität, race, Gewalt, Machtverhältnisse und soziopolitische Dynamiken sind die großen Themen seiner zwischen Kunst und Aktivismus changierenden Praxis.
Der Hamburger Bahnhof präsentiert nun die erste – und absolut überfällige – institutionelle Einzelausstellung des in Kalifornien längst zum Star aufgestiegenen Afroamerikaners in Deutschland. In den nach einer Renovierung neu
eröffneten Rieckhallen entfaltet sich entlang der Gemälde, Skulpturen, Installationen sowie Klang- und Videoarbeiten eine komplexe Gegenwartsdiagnose. Gewalterfahrungen des Körpers fließen hier ebenso ein wie ein umfassendes Geschichtsverständnis, ein tiefgehendes Interesse an urbanen Lebenswelten sowie Anspielungen auf die Ballroom-Szene, die westliche Kunstgeschichte und die Popkultur.
In seinem Werk, auch als "social abstraction" umschrieben, spannt Bradford weite Bögen zwischen verschiedenen räumlichen und zeitlichen Punkten und verfasst scharfe soziopolitische Kommentare.
"Mark Bradford: Keep Walking", Hamburger Bahnhof, Berlin, bis 18. Mai 2025
Gerhard Richter in Düsseldorf
Sie hängen in Esszimmern, Schlafzimmern und manchmal sogar im Bad: Seltene und teils noch nie gezeigte Werke des mittlerweile 92 Jahre alten Malerstars Gerhard Richter sind erstmals öffentlich in Düsseldorf zu erleben. Unter dem Titel "Gerhard Richter. Verborgene Schätze" präsentiert das Museum Kunstpalast mehr als 120 Arbeiten Richters aus rheinischen Privatsammlungen. Der Richter-Experte und Kurator Markus Heinzelmann hat zweieinhalb Jahre bei privaten Sammlerinnen und Sammlern des Rheinlands recherchiert und viele von ihnen überzeugen können, ihre "Familienbilder" vorübergehend dem Kunstpalast anzuvertrauen.
Richters künstlerische Karriere ist eng mit dem Rheinland verwoben. Richter flüchtete 1961 aus Dresden in den Westen und studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er später auch viele Jahre als Professor lehrte. Das Rheinland wurde für den bereits in der DDR ausgebildeten Künstler zum Experimentierlabor und Ausgangspunkt seiner Karriere, die ihn zu einem der teuersten lebenden Künstler werden ließ. Im Rheinland leben auch die größten Sammlerinnen und Sammler von Werken Richters - Privatpersonen und große Unternehmen.
Gezeigt werden Arbeiten von Richters Anfängen in den frühen 1960er-Jahren bis zu seinen letzten Gemälden, die 2017 das Atelier verließen. Von mehr als 80 Gemälden sei etwa die Hälfte zuvor nie oder nur sehr selten ausgestellt worden, sagt Heinzelmann, der Professor für Museale Praxis an der Ruhr-Uni Bochum ist. "Die Leihgeber sind alle großartig, aber manche musste man ein bisschen überreden."
Die meisten privaten Sammler wollten anonym bleiben. Fotokünstler Andreas Gursky war einer der wenigen, der seinen Namen als Sammler offenbarte.
Kunstpalast-Direktor Felix Krämer räumt übrigens mit der Vorstellung auf, dass nur sehr wohlhabende Leute Bilder von Gerhard Richter in ihren Wohnräumen hätten. "Also es sind auch ganz normale Menschen, die haben einen Gerhard Richter zu Hause, der vielleicht früh gekauft wurde", sagt er. "Sie hängen im Esszimmer, sie hängen im Wohnzimmer, sie werden angeschaut und sie werden jetzt auch vermisst", so der Museumsdirektor. "Diese Bilder sind im Prinzip ein bisschen wie Familie." Ein Bild spürte Kurator Heinzelmann sogar im Bad auf.
"Gerhard Richter. Verborgene Schätze. Werke aus rheinischen Privatsammlungen", Kunstpalast Düsseldorf, bis 2. Februar 2025
Melvin Edwards in Kassel
Trotz Abstraktion bleibt der historische Kontext in den Skulpturen von Melvin Edwards durchweg sichtbar: die gewalttätige Geschichte der USA und die Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 1960er. "Lynch Fragments“ nennt der 1937 in Houston geborene Afroamerikaner zum Beispiel eine Reihe von Metallreliefs, die nun im Fridericianum in Kassel zu sehen sind. In Edwards’ erster umfassender Soloausstellung in Europa sind mehr als 50 Werke des Künstlers zu sehen, darunter auch Installationen aus Stacheldraht, Stahlskulpturen und eindringliche grafische Blätter.
"Melvin Edwards: Some bright Morning", Frideracinium, Kassel, bis 12. Januar 2025
Pussy Riot in München
Die Putin-Kritikerinnen von Pussy Riot überraschen mit einer Ausstellung im Haus der Kunst in München. Dort wurde noch am Donnerstagabend die Ausstellung "Velvet Terrorism: Pussy Riot’s Russia" eröffnet. Es sei die bislang größte Ausstellung von Arbeiten des Musiker- und Künstlerkollektivs - und die erste Museumsausstellung in Deutschland. Wohl aus Sicherheitsgründen war die Eröffnung nicht langfristig im Vorfeld angekündigt worden.
"Durch die Darstellung der zunehmend feindlichen Beziehung zwischen dem feministischen Kunstkollektiv und den Staatsbehörden bietet die Ausstellung wesentliche Einblicke in die Entwicklung von Putins Russland im letzten Jahrzehnt, die in der militärischen Invasion der Ukraine gipfelt", hieß es in der Museumsmitteilung. Zu sehen sind händisch geschriebene Texte, Videos und Fotografien.
Die feministische Gruppe, die vor allem mit ihrer Punkmusik bekannt wurde, sei im Kampf gegen den russischen Machthaber Wladimir Putin "furchtlos Risiken eingegangen". Die Ausstellung wird im ehemaligen Luftschutzkeller des Hauses der Kunst gezeigt und soll dort von diesem Freitag an bis zum 2. Februar kommenden Jahres zu sehen sein.
Erst im April war die russische Punkband für ein paar Minuten in der Pinakothek der Moderne aufgetreten und hatte dort zu rhythmischen Beats und gewohnt provokant Russlands Präsidenten als Kriegsverbrecher angeprangert. Mit Strickmasken über dem Gesicht verurteilten sie die zerstörerischen Bomben auf die Ukraine und riefen zur Solidarität mit den Menschen dort auf. Und sie setzten ein besonderes Zeichen der Verachtung: Eine der Frauen lüftete ihren Rock und urinierte auf ein Bild Putins.
Die Punkband gründete sich 2011. Die Gruppe verknüpft ihre Musik mit scharfer Kritik am russischen Regime. Berühmt wurde etwa ihr Auftritt in der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau, bei dem Mitglieder 2012 mit Strickmasken vor dem Gesicht mit einem "Punk-Gebet" gegen die Politik des Kreml protestierten und anschließend verhaftet wurden. (dpa)
"Velvet Terrorism: Pussy Riot’s Russia", Haus der Kunst, München, bis 2. Februar 2025
Armory Show in New York
Die moderne Version der Armory Show, die sich selbst als "die New Yorker Kunstmesse" versteht, feiert dieses Jahr bereits ihren 30. Geburtstag. Nach diversen Locations wie den Piers hat sie seit 2021 in den Messehallen Javits Center beim Lincoln Tunnel ihre Adresse.
Mehr als 235 Aussteller aus 35 Ländern sind in verschiedenen Sektionen zu entdecken. Geübte Messegängerinnen und -gänger erkennen die klassischen Messeformate für Gegenwartskunst wieder: Die Sektion "Platform" ist äquivalent zu Art Basels "Unlimited", doch mit einer etwas enger gefassten kuratorischen Idee. "Die großformatigen Skulpturen befassen sich mit den Überschneidungen von Erinnerung, Material und Geist", erklärt Kuratorin Eugenie Tsai.
Armory Show, New York, bis 8. September
Kunstmesse Independent in New York
Die Independent 20th Century kehrt für ihre dritte Ausgabe in das historische Battery Maritime Building in der South Street im südlichen Manhattan zurück. Ein spürbarer Fokus dieses Jahr: der Surrealismus und seine noch unentdeckten Protagonisten – also in erster Linie die MalerInnen.
So sieht die Independent-Gründerin Elizabeth Dee die Aufgabe der Messe auch darin, "den Blick auf den Kanon zu erweitern". Und natürlich neue Werke und Namen in Ausstellungsgeschehen und Kunstmarkt einzubringen. Übersichtliche 32 Galerien zeigen rund 65 Künstlerinnen und Künstler im passenden historischen und immer noch vibrierenden Ambiente.
Independent 20th Century, New York, bis 8. September
Surrealismus-Ausstellung in Paris
Paris feiert den runden Geburtstag des Surrealismus ganz groß. Kein Wunder, denn der Grundstein wurde offiziell in Frankreich gelegt. Die spektakuläre Schau kommt auch nach Deutschland.
Salvador Dalí, Max Ernst, René Magritte, Joan Miró und natürlich der Schriftsteller André Breton, der Anführer der surrealistischen Bewegung: Sie alle hat das Pariser Centre Pompidou mit ihren Werken in einer riesigen Jubiläumsausstellung vereint. Mit rund 500 Exponaten feiert Frankreich auf diese Weise den 100. Geburtstag der international verbreiteten Kunstbewegung. Eine Blockbuster-Schau, die 2025 auch nach Deutschland in die Hamburger Kunsthalle kommt - jedoch mit einem besonderen Aspekt.
Der Surrealismus ist eine der bedeutendsten Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts. Mit dem Ziel, sich gegen Traditionen und Normen aufzulehnen, hat sie Niederschlag in Malerei, Bildhauerei, Literatur und Film gefunden. Den offiziellen Grundstein hat der französische Schriftsteller André Breton mit seinem im Oktober 1924 veröffentlichten "Manifest du Surréalisme" gelegt, das nun im Rahmen der Schau im Original zu sehen ist. Aufgelöst wurde die Bewegung, bei der die Schöpfung direkt aus dem Unbewussten des Künstlers kommt, erst 1969.
All das will Paris in dieser Schau in 14 Themen darstellen. Neben "Traum", "Kosmos", "Medium" gehört auch das Motiv des "Waldes" dazu, wie Kurator Didier Ottinger unter anderem mit dem Gemälde "Der große Wald" von Max Ernst illustriert. Eine Thematik, die 2025 in Hamburg im Mittelpunkt stehen werde, wie der Experte für moderne und zeitgenössische Malerei verrät. "Die deutsche Romantik steht in Verbindung mit dem Surrealismus. Für beide spielte die Natur als Motiv eine zentrale Rolle."
Das Besondere: Die Jubiläumsschau bekommt in jedem Land einen anderen Akzent. In Brüssel wurde sie mit dem Symbolismus, einer Kunstströmung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die den Surrealismus deutlich beeinflusst hat, in Zusammenhang gebracht. Dort wurden rund 120 Werke gezeigt, vor allem auch Vertreter des belgischen Symbolismus wie René Magritte und Paul Delvaux.
In Paris endet die Ausstellung am 13. Januar. Danach geht es weiter nach Madrid (4. Februar bis 11. Mai 2025), bevor sie vom 12. Juni bis 12. Oktober in Hamburg und anschließend in Philadelphia (8. November 2025 bis 15. Februar 2026) gezeigt werden soll. (dpa)
"Surréalisme", Centre Georges Pompidou, Paris, bis 13. Januar 2025