Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Bremen, Brüssel, Chemnitz, Dresden, Köln, Leipzig, London, München, Potsdam, Rotterdam und Stuttgart


Gallery Weekend in Berlin

Mit Arbeiten international bekannter Namen und Neuentdeckungen lockt das Gallery Weekend Berlin in den kommenden Tagen in die Hauptstadt. An der 20. Ausgabe des 2005 von einer privaten Initiative gegründeten Events beteiligen sich in diesem Jahr nach Angaben vom Mittwoch 55 Galerien im gesamten Stadtgebiet. Auch renommierte Ausstellungshäuser wie Hamburger Bahnhof oder der Gropius Bau sind angekoppelt. Viele der Präsentationen an insgesamt 69 Standorten sind auch nach dem von Freitag bis Sonntag dauernden Gallery Weekend zu sehen. Mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler können dabei entdeckt werden. 

Frühe Arbeiten von Rosemarie Trockel und Hanne Darboven zeigt die Galerie Crone als "Early Birds". Bei Contemporary Fine Arts steht "Gift" von Eliza Douglas im Mittelpunkt, die auch durch ihre Zusammenarbeit mit Anne Imhof bekannt ist. Arbeiten des international gefeierten Fotografen Wolfgang Tillmans stellt die Galerie Buchholz ins Zentrum. Mit Alexander Levy und Esther Schipper widmen sich gleich zwei Galerien Arbeiten von Julius von Bismarck, der per Video auch Einblicke in sein Atelier in der Malzfabrik gestattet. 

Die Klosterfelde Edition zeigt Arbeiten unter anderem von Jenny Holzer, On Kawara und Alicja Kwade. Großformatige "Butterfly Drawings" von Mark Grotjahn sind in der Galerie Max Hetzler zu finden. In der Galerie Bastian sind Arbeiten von Andy Warhol ausgestellt. Der künstlerischen Umsetzung historischer Vorgänge durch die aus Vietnam stammenden Sung Tieu widmet sich die Galerie Trautwein Herleth mit "One Thousand Times". In der Galerie Thomas Schulte sind mit "Mapping the World – 50 Years of Work" Arbeiten von Matt Mullican zu finden.

Zur Orientierung in der Vielfalt der Angebote hat das Gallery Weekend Berlin Cluster in einzelnen Gebieten der Hauptstadt gebildet, die über verschiedene Touren erkundet werden können. (dpa)

Gallery Weekend Berlin, 26-28. April

Bilder des Künstlers Mark Grotjahn hängen in der Galerie Max Hetzler
Foto: Hannes P. Albert/dpa

Bilder des Künstlers Mark Grotjahn hängen in der Galerie Max Hetzler


Alexandra Pirici in Berlin

Verbindungen chemischer Stoffe und Reaktionen, menschlicher Bewegungen und Gesänge und einfachster Materialien bilden die Basis der Arbeit "Attune" der rumänischen Künstlerin Alexandra Pirici in der Nationalgalerie der Gegenwart des Hamburger Bahnhofs in Berlin. In der historischen Halle des Museums hat die 41-Jährige dafür eine lebendige Landschaft mit einem Parcours um eine riesige Sanddüne herum entworfen. Die Ausstellung "Alexandra Pirici – Attune" ist von Mittwoch an bis zum 6. Oktober zu sehen. 

Pirici hat in ihre Installation zahlreiche große Glasbehälter integriert, in denen sie chemische und physikalischer Reaktionen ablaufen lässt. In den Flüssigkeiten entstehen so kleine Landschaften aus chemischen Stoffen. Von den Besucherinnen und Besuchern selbst provozieren und dann beobachten, lässt sich zudem auch eine sogenannte Briggs-Rauscher-Reaktion, bei der eine Lösung zwischen zwei Farben lange hin und her schwankt und in einem selbstorganisierenden Muster endet. Eher unveränderlich erscheint dagegen zunächst die Sanddüne. Doch auch sie wechselt ihre Gestalt, etwa durch Austrocknung oder wenn kleinere Teile durch ihr Eigengewicht wegbrechen.  

Zu ihren Arbeiten gehöre stets auch Musik, sagte Pirici in Berlin. So lässt sie zwischen den Installationen eine 13-köpfige Gruppe singen und tanzen. In der rund 75 Minuten langen Performance, die täglich vier Stunden lang zu sehen sein wird, agiert die Gruppe untereinander, reagiert tanzend und solo oder in Chören singend auf die chemischen Reaktionen, beeinflusst den Aufbau der Düne. Mit den Klängen und Bewegungen will Pirici dabei die Entstehung komplexer Strukturen verdeutlicht - in menschlichen wie chemischen Körpern und Verbindungen. "Letztlich sind der menschliche Körper oder Steine aus denselben Materialien zusammengesetzt", so die Künstlerin.     

Die raumgreifende Ausstellung ist nach Angeben von Sam Bardaouil, Co-Direktor des Museums, Auftakt einer neuen, jährlich vergebenen Auftragsarbeit für die historische Halle im Hamburger Bahnhof, die jeweils zum Gallery Weekend Berlin eröffnet werden soll. (dpa)

"Alexandra Pirici: Attune", Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, Berlin, bis 6. Oktober

Alexandra Pirici "Attune", 2024
Foto: Gerd Roth/dpa

Alexandra Pirici "Attune", 2024


Elizaveta Porodina in Berlin

Als Fenster ins Unbewusste versteht Elizaveta Porodina ihre Bilder. Die in Moskau geborene Fotografin, die als Kind Ende der 1990er-Jahre mit ihrer Familie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach Deutschland ausreisen konnte, fand früh eine Ausdrucksmöglichkeit in der Malerei, studierte dann Psychologie und arbeitet heute zwischen Kunst und Mode. In ihrer Ausstellung "Un/Masked", die zum Gallery Weekend im Fotohaus Fotografiska Berlin eröffnet, kommt alles zusammen: das Malerische, der Glamour und die psychologischen Abgründe.

Elizaveta Porodina "Un/Masked", Fotografiska Berlin, bis 18. August


Ben Vautier in Bremen

Die Kunsthalle Bremen stellt seit Dienstag eine konsumkritische Installation des französisch-schweizerischen Künstlers Ben Vautier aus. Mit der "Bizart Baz'art" (2002/03) komme ein Hauptwerk Vautiers in die Sammlung, sagte der Direktor der Kunsthalle Bremen, Christoph Grunenberg. Das Werk war ein Geschenk. Grunenberg sprach von einer spektakulären, multimedialen Installation, "die ein Publikumsliebling werden sollte".

Die Installation ist begehbar und erinnert an einen Kiosk. Sie besteht aus rund 350 Objekten - darunter sind Dinosaurierfiguren, Babypuppen und Gebisse - sowie Texttafeln. Auch soll sie Kunstwerke zweifelhafter Qualität enthalten. Auf Deutsch ist auf dem Werk zu lesen: "Alles ist zu verkaufen - kaufen." Der Kiosk erinnert laut Kunsthalle an einen Laden in Nizza, in dem Vautier von 1955 an gebrauchte Schallplatten verkaufte. Das Werk hinterfrage die Beziehung von Kunst und Konsum, sagte Grunenberg. (dpa)

Dauerausstellung "Ben Vautier: Bizart Baz’art", Kunsthalle Bremen


Kunst im Dreißigjährigen Krieg in Brüssel

Die im Zuge eines internationalen Forschungsprojekts zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) in Mitteleuropa entstandene Ausstellung "Bellum et Artes" haben bisher fast 106.000 Menschen gesehen. Das Interesse daran sei auch in Brüssel hoch, wo sie knapp drei Jahre nach ihrer Dresdner Premiere und einer Präsentation 2023 in Wroclaw (Breslau) ab diesem Sonntag im Haus der Europäischen Geschichte gezeigt wird, wie eine Sprecherin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) am Dienstag sagte. Für die Schau arbeiteten der Museumsverbund und das Leipziger Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa mit Forschungseinrichtungen und Museen in sieben Ländern zusammen. 

Rund 150 Exponate zeugen bis Mitte Januar in Brüssel davon, dass auch während des Konflikts vor über 400 Jahren weiter Kunst entstand. Sie diente laut SKD der Repräsentation von Macht, als diplomatisches Geschenk, der Dokumentation von Kriegshandlungen oder der Mahnung zum Frieden. Dabei seien viele Kunstwerke als begehrte und, zur damaligen Zeit legale, Kriegsbeute über ganz Europa verstreut worden. 

Der Konflikt hatte mit dem Prager Fenstersturz begonnen und sich zum Kampf um religiösen Einfluss und politische Hegemonie innerhalb Europas ausgeweitet. In der Schau werden auch die Künstler-Migration, das Ringen um Frieden und die Bedeutung des Westfälischen Friedens für die Geschichte der europäischen Staatengemeinschaft thematisiert - und Zeitgenössisches etwa aus der Ukraine spannt den Bogen in die Gegenwart. (dpa)

"Bellum et Artes", Haus der Europäischen Geschichte, Brüssel, bis 12. Januar 2025

Vlado Ralko "Kaliber und Kreuze", 2023
Foto: Haus der Europäischen Geschichte

Vlado Ralko "Kaliber und Kreuze", 2023


Vier Fotografinnen in Chemnitz

Gute Fotoschaffende zeichnen sich durch einen speziellen Blick auf ihre Sujets aus. Aber auch für das Medium prägende Persönlichkeiten werden manchmal vergessen. In den Kunstsammlungen Chemnitz werden vier Fotografinnen aus Sachsen gewürdigt: Christine Stephan-Brosch hat seit den 1960er-Jahren eine Vielzahl von Kunstschaffenden porträtiert. Körperlichkeit und Sinnlichkeit werden in den Aktfotos von Evelyn Krull verhandelt. Gerdi Sippel hält mit der Kamera Arbeitsprozesse und Alltagsszenen fest. Dunkel gehaltene Momentaufnahmen prägen May Voigts Werk.

"Vier Frauen. Vier Lebensläufe. Fotografieren in der DDR", Kunstsammlungen am Theaterplatz, Chemnitz, bis 9. Juni


Design, Kunst und Natur in Dresden

Mit Ausstellungen zu Design, Kunst und Natur wartet das Dresdner Kunstgewerbemuseum in Schloss Pillnitz nach der Winterpause auf. Unter dem Titel "Pure Visionen" sind ab Samstag Kunststoffmöbel aus Ost und West, Kunstwerke sowie die erweiterte "Pflanzenfieber"- Schau zu sehen, wie die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und die Staatliche Schlösserverwaltung zu Saisonbeginn am Freitag mitteilten.  

Im Wasserpalais wird bis Anfang Juni die Design-, Herstellungs- und Transfergeschichte von Möbeln aus Polyurethan zwischen West- und Ostdeutschland beleuchtet. Dazu gehören in der DDR beliebte "Ikonen der Ostmoderne" wie Garten-Ei und Z-Stuhl. In der von der Bundesstiftung Aufarbeitung geförderten Schau werden auch die Entwicklung des Materials, die kulturelle Bedeutung dieser Möbel sowie die Nachhaltigkeit von Kunststoffen thematisiert. 

Die mit der Schlösserverwaltung im vergangenen Jahr kuratierte und um neue Arbeiten ergänzte Ausstellung "Pflanzenfieber" stellt bis Anfang November rund 50 internationale Projekte zu Mode, Produktdesign und Forschung vor und macht auf das verborgene Potenzial in der Pflanzenwelt aufmerksam. Zeitgleich im Bergpalais ist ein "imaginiertes Ökosystem" der Keramikkünstlerin Sonngard Marcks aus Porzellan zu sehen.

Das Schlossmuseum stellt unter dem Titel "Monumental" Leben und Werk des Malers, Grafikers und Illustrators Ludwig von Hofmann (1861-1945) vor, der als Kulturreformer und Wegbereiter der Moderne gilt. Im Mittelpunkt stehen dessen Wandgemälde, die im Original gezeigt und zudem digital studiert werden können, ergänzt um Zeichnungen und Grafiken sowie private Fotografien. Hofmann lebte ab 1932 mit Frau und Tochter bis zur Vertreibung durch russische Soldaten im Mai 1945 in Schloss Pillnitz, schuf unter anderem Wandgemälde für das Hoftheater Weimar, hieß es. "Zeitgenossen erwähnen ihn in einem Atemzug mit Ferdinand Hodler und Gustav Klimt". (dpa)

"Pure Visionen. Kunststoffmöbel zwischen Ost und West", Schloss Pillnitz, Dresden, bis 7. Juli;  "Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design", Kunstgewerbemuseum, Dresden, bis 3. November; "Monumental! - Der Maler Ludwig von Hofmann", Schloss Pillnitz, Dresden, bis 3. November


Chargesheimer in Köln

Wenn der Fotograf Chargesheimer (1924-1971) in der zeitgenössischen Presse als "das böse Auge" bezeichnet wurde, dann lag das daran, dass der chronisch Unangepasste die Dinge gern ungeschminkt zeigte. Zum 100. Geburtstag des Fotokünstlers am 19. Mai präsentiert das Museum Ludwig von Samstag (27. April) bis zum 10. November etwa 50 seiner Werke, darunter erstmals seit 20 Jahren seine wenig bekannten kinetischen Skulp­turen aus Plexi­glas, die Prismen und Lichtreflexe erzeugen und für ihn "Med­i­ta­tions­mühlen" waren. 

Karl-Heinz Hargesheimer - wie er eigentlich hieß - war im Umgang nicht einfach. Ein Freund sagte über ihn: "Er war ein Kneipengeher, Kettenraucher, Autofahrer, ein Fanatiker der Arbeit, trug einen dicken Schnauzbart und einen Hut mit breitester Krempe. Er machte es sich und seinen Mitmenschen so schwer wie möglich."

Mitunter verursachten seine Fotografien sogar Proteste. Nachdem Chargesheimer etwa 1958 zusammen mit dem Schriftsteller Heinrich Böll einen Band über das damals noch pechschwarze Ruhrgebiet veröffentlicht hatte, wetterte der Essener Oberbürgermeister: "Solche Darstellungen akzeptieren wir nicht!" In der Presse wurden die Aufnahmen dagegen mit Begeisterung aufgenommen: Sie zeigten das Ruhrgebiet nicht als Wirtschaftsfaktor, sondern als Lebenswelt, geheimnisvoll und widersprüchlich, hieß es.

Bekannt wurde Chargesheimer mit einem Porträt von Bundeskanzler Konrad Adenauer, das 1957 Titelbild des "Spiegel" wurde. Auch danach hagelte es Kritik, weil man ihm vorwarf, den Kanzler als unwählbaren Greis dargestellt zu haben. Im selben Jahr bekam er den Auftrag, Aufnahmen des gelungenen Wiederaufbaus von Köln für den Fotoband "Cologne intime" zu produzieren. Chargesheimer fotografierte dafür unter anderem die Haupteinkaufsstraße als Symbol des Wirtschaftswunders, ließ aber auch Armut und Zerstörung nicht weg. 

Als sein Hauptwerk gilt heute der Fotoband "Unter Krahnenbäumen", in dem er ohne Sentimentalität das Leben in einer kleinen Kölner Straße dokumentierte. Wenn man diese Bilder betrachtet, glaubt man die Zurufe und das Reden der Erwachsenen genauso zu hören wie das Geschrei der Kinder, den Lärm der Kirmes und die Musik einer kleinen Kapelle. (dpa)

"Chargesheimer", Museum Ludwig, Köln, bis 10. November


Installative Filmkunst in Leipzig

Die Künstlerin Hito Steyerl hat im Museum der bildenden Künste Leipzig einen installativen Rahmen für die filmische Arbeit zweier Künstlerkollegen entwickelt. "Leak" heißt die Installation in Form einer Skulptur aus Rohren und Videoelementen. Der Film "Where Russia Ends", der darin gezeigt wird, ist eine Kooperation des ukrainischen Filmemachers Oleksiy Radynski und des Kulturwissenschaftlers Philipp Goll. Es geht um die Gewinnung fossiler Brennstoffe durch Russland in Sibirien. 

Klar wird in der bildgewaltigen Dokumentation nicht nur, wie dramatisch das für die indigene Bevölkerung der Regionen ist. Sondern sie gibt auch sehr interessante Einblicke in die Geschichte der sowjetischen und russischen Industrie für fossile Brennstoffe und beleuchtet bislang wenig bekannte Aspekte westdeutsch-sowjetischer Kooperation. Die Gaspipelines zwischen Sibirien und (West-)Deutschland bestehen seit den 1970er-Jahren, und sie prägen noch gegenwärtige Realität.

"Leak. Das Ende der Pipeline", Museum der bildenden Künste Leipzig, bis 4. August


Blauer Reiter in London

Erstmals seit Jahrzehnten widmet sich eine große Ausstellung in Großbritannien der Künstlergruppe Blauer Reiter. Die Tate Modern zeigt bis zum Herbst zum Beispiel Werke von Gabriele Münter, Franz Marc, Wassily Kandinsky und Marianne von Werefkin. "Expressionists" sei die erste Ausstellung zu der Künstlergruppe seit rund 60 Jahren in Großbritannien, teilte das Museum in London mit. Ermöglicht wird das Projekt durch einen großen Sammlungstausch mit dem Münchner Lenbachhaus.

Rund 75 Werke werden von München an die Londoner Tate Modern ausgeliehen, im Gegenzug gingen Werke des englischen Malers William Turner nach München. Der Direktor des Lenbachhauses, Matthias Mühling, findet das ein wunderbares Projekt. Der Sammlungstausch hat für ihn auch Vorteile bei der Frage, wie man Ausstellungen nachhaltiger, also etwa weniger klimaschädlich gestalten kann.

Normalerweise kämen bei einer Ausstellung viele einzelne Leihgaben aus aller Welt zusammen. "Wenn Sie dann 160 Objekte haben, dann sind das 160 Transporte", sagte Mühling in London. Hier dagegen hätten die Leihgaben gesammelt transportiert werden können über den Landweg. Nachhaltig sei das Projekt auch, weil man von den Spezialisten des anderen Hauses habe profitieren können.

Der Blaue Reiter war eine internationale Künstlergruppe, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts fand und zur Klassischen Moderne gezählt wird. Die Ausstellung in London zeigt, wie damals gesellschaftliche Konventionen, Verständnis von Kunst und geschlechtliche Identitäten hinterfragt wurden. Eine Kuratorin der Tate Modern etwa wertet Münters Bild "Kandinsky und Erma Bossi am Tisch" als frühe Darstellung von "Mansplaining", also dem Phänomen, dass Männer Frauen ungefragt Dinge erklären, die sie bereits wissen. (dpa)

"Expressionists: Kandinsky, Münter and the Blue Rider", Tate Modern, London, bis 20. Oktober

Blick in die Ausstellung "Expressionists. Kandinsky, Münter and the Blue Rider" in der Tate Modern
Foto: Larina Fernandes/Tate/dpa

Blick in die Ausstellung "Expressionists. Kandinsky, Münter and the Blue Rider" in der Tate Modern


Rebecca Horn in München

Wer ist Rebecca Horn? Eine Künstlerin, Erfinderin, Regisseurin, Autorin, Komponistin oder Poetin? Sie selbst versteht sich als Choreografin und beschreibt ihre Praxis als Vernetzung der Beziehungen von Raum, Licht, Körperlichkeit, Ton und Rhythmus. Anlässlich ihres 80. Geburtstags widmet sich die Soloschau im Münchener Haus der Kunst Rebecca Horns Schaffen, das von ersten Papierarbeiten in den 1960ern bis zu den raumgreifenden Installationen seit den 1990ern reicht: ein funkelndes Lebenswerk, in das vielfältige Referenzen aus Literatur, Kunst- und Filmgeschichte eingewoben sind.

"Rebecca Horn", Haus der Kunst, München, bis 13. Oktober


Cao Fei in München

In Filmen, Fotos und begehbaren Multimedia-Installationen beschäftigt sich die chinesische Künstlerin Cao Fei mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen der Zeit. Es gibt kein Entkommen vor der Digitalisierung. Cao Fei stürzt sich mitunter selbst mithilfe von Avataren in virtuelle Welten. Dabei verschmelzen Digitales und Menschliches zu surreal-dystopischen Bildern. Ihre neue Schau im Münchener Lenbachhaus thematisiert den gesellschaftlichen Wandel, der durch digitale Technologien noch beschleunigt wird.

"Cao Fei: Meta-mentary", Lenbachhaus, München, bis 8. September


Modigliani in Potsdam

Für weit mehr als 100 Millionen Euro ist vor Jahren ein Aktgemälde des italienischen Malers Amedeo Modigliani in New York versteigert worden. Das Werk im Privatbesitz ist nun Teil einer neuen Ausstellung im Potsdamer Museum Barberini. Die Schau, die zusammen mit der Staatsgalerie Stuttgart entstand, zeigt von Samstag an das ganze Schaffen des früh gestorbenen Künstlers Modigliani (1884-1920) und soll einen neuen Blick auf seine Frauenakte werfen. 

Die Werke des jüdischen Malers, die einst Skandale auslösten, gelten als äußerst gefragte Leihgaben. Im Barberini sind aber noch weit mehr Stars zu sehen. Denn die Ausstellungsmacher spannen den Bogen auch zu anderen europäischen Künstlern wie Klimt, Picasso, Schiele und Modersohn-Becker. Die Bilder stammen etwa aus Museen in Paris, Washington, New York und London.  

"Modigliani. Moderne Blicke" sei die erste Ausstellung über den Maler in Deutschland seit fünfzehn Jahren, so das Museum Barberini. Sie ist bis zum 18. August zu sehen und umfasst insgesamt um die 90 Werke. Zuvor hatten rund 90.000 Besucher die Schau in Stuttgart gesehen. Die Staatsgalerie dort besitzt zwei wertvolle Modiglianis wie das Werk "Der liegende Akt mit weißem Kissen". 

Typisch für Modiglianis Stil: Mandelförmige, blicklose Augen, lang gezogene Frauengesichter. Das Barberini, das seine Aktgemälde als "Ikonen der Moderne" bezeichnet, will jedoch vor allem eine neue Perspektive auf das Werk ermöglichen. Die Ausstellung revidiere das Image von Modigliani, indem sie ihn als Künstler zeige, der seinen Blick auf die emanzipierte Frau richte, teilte das Museum mit. Er porträtierte emanzipierte Frauen mit Kurzhaarfriseur und in Männerkleidung. Lange Zeit seien seine Darstellungen von Frauen als Ausdruck männlichen Voyeurismus betrachtet worden. Die Schau bewerte nun das Frauenbild des Malers, dem das Image eines dem Alkohol zugeneigten Frauenheldes anhaftete, in der Zeit des Ersten Weltkrieges neu. (dpa)

"Modigliani. Moderne Blicke", Museum Barberini, Potsdam, bis 18. August

Mitarbeiter des Museums Barberini hängen in Vorbereitung der Ausstellung "Modigliani. Moderne Blicke" das Gemälde "Liegender Frauenakt auf weißem Kissen" (1917, Staatsgalerie Stuttgart) von Amedeo Modigliani an die Wand
Foto: Soeren Stache/dpa

Mitarbeiter des Museums Barberini hängen in Vorbereitung der Ausstellung "Modigliani. Moderne Blicke" das Gemälde "Liegender Frauenakt auf weißem Kissen" (1917, Staatsgalerie Stuttgart) von Amedeo Modigliani an die Wand


Sylvie Fleury in Rotterdam

Sie ist eine Spielerin. Auf provokante, aber stets unterhaltsame Weise stellt die Schweizerin Sylvie Fleury stereotype Geschlechterbilder und kulturelle Konstrukte infrage. Die Künstlerin nutzt moderne Werbestrategien wie grelle Slogans, bunte Neonlichter und kalkulierte Verführung, um die Grenzen zwischen Kunst und Konsumverhalten auszuloten. Erstmals in den Niederlanden ist nun in der Kunsthal Rotterdam eine große Werkschau mit Installationen, Skulpturen, Readymades und Gemälden von Sylvie Fleury zu erleben.

"Sylvie Fleury: Yes to all", Kunsthal Rotterdam, bis 8. September


Forensic Architecture in Stuttgart

Die 2011 gegründete Gruppe Forensic Architecture führt ihre Kunstpraxis an die Grenze zum Aktivismus und zur Wissenschaft. Das Projekt "Three Doors" wurde 2022 erstmals für den Frankfurter Kunstverein gemeinsam mit der Rechercheagentur Forensis erarbeitet. Den Schwerpunkt der im Württembergischen Kunstverein präsentierten Schau bilden die visuellen Untersuchungen zum rassistischen Terroranschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau. Dazu wird eine Plausibilitätsstudie zum Fall Oury Jalloh veröffentlicht, der 2005 in einer Polizeizelle in Dessau verbrannte. Bestehende Arbeiten, etwa solche zu den NSU-Morden, zeigen das Spektrum forensischer und bildwissenschaftlicher Methodiken auf.

"Three Doors", Württembergischer Kunstverein Stuttgart, bis 1. September